Getränkebranche Bierbrauer befürchten eine Pleitewelle durch die Coronakrise

Solche Bilder dürfte es wegen der Corona-Pandemie so schnell nicht mehr geben.
Düsseldorf „Es ist ein Albtraum“, sagt Peter König, Alleininhaber der Hausbrauerei „Im Füchschen“ in der Düsseldorfer Altstadt. Seit zwei Wochen wird bei ihm kein Altbier mehr gezapft, das Kultbrauhaus von 1848 musste wegen der Coronakrise schließen.
Sonst stehen die Gäste bei schönem Wetter abends zu Hunderten vor dem „Füchschen“ auf der Ratinger Straße. Nun stapeln sich bei König im Keller die Bierfässer. „Die werde ich wohl wegschütten müssen. Denn wer kauft momentan ein Zehnliterfass, wo Messen, Fußballspiele, Schützen- und Grillfeste verboten sind?“ fragt der Unternehmer. Sein Flaschenbier für den Handel macht gerade mal acht Prozent vom Umsatz aus. 43.000 Hektoliter Altbier wollte er dieses Jahr brauen, in diesem Monat werden es gerade mal 400 Hektoliter sein.
Seine 123 Mitarbeiter musste König in Kurzarbeit schicken. „Es war fürchterlich, ich habe mich dafür geschämt“, erzählt der gelernte Koch und Bierbrauer. Zugleich ist er dem Staat dankbar, denn die 420.000 Euro Personalkosten im Monat könnte er sonst nicht ansatzweise schultern. Er hat Glück, dass er die Gaststätte in Familienbesitz mietfrei nutzen kann. Allerdings fallen für das „Füchschen’s Eck“ und zwei Lagerhallen monatlich 19.000 Euro Pacht an. Die muss er aus Rücklagen zahlen.
Die meisten deutschen Brauer haben kein dickes finanzielles Polster, um eine längere Coronakrise durchzustehen. Die Pandemie wird dramatische Auswirkungen für die 1.500 Brauereien in Deutschland haben, prophezeit der Deutsche Brauer-Bund (DBB) und warnt vor einer Pleitewelle. „Wir erleben einen fatalen Domino-Effekt: Der Flächenbrand in der Gastronomie springt auf die Brauwirtschaft über. Manche Betriebe erzielen 90 Prozent ihres Umsatzes über die Gastronomie. Das fällt jetzt komplett weg“, sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des DBB.
Auch das Exportgeschäft bricht durch die globale Krise immer weiter ein. Ausgerechnet der Corona-Hotspot Italien war mit fast 3,4 Millionen Hektoliter Bier 2019 der wichtigste Auslandsmarkt für deutsche Brauer, gefolgt von China mit 1,8 Millionen Hektolitern. Insgesamt wurden in Deutschland 92 Millionen Hektoliter Bier gebraut, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Der Trend ist rückläufig.
Auch die Absage fast aller Veranstaltungen von Schützenfesten über Hochzeiten bis Sportevents trifft die Braubranche besonders hart. „Viele Brauereien bringt das an den Rand des Ruins“, fürchtet Eichele. Mehr als 1100 Brauer hierzulande sind kleine Hausbrauereien, die weniger als 5000 Hektoliter im Jahr produzieren. Viele der traditionsreichen fast 6000 Biersorten in Deutschland sind nun bedroht. Die deutsche Bierkultur dürfte nach der Coronakrise an Vielfalt verloren haben.
Ohne staatliche Hilfen werden viele Brauereien diese Krise nicht überstehen, fürchtet der Brauerbund. Die mögliche Stundung der Biersteuer, die sich 2019 auf insgesamt 650 Millionen Euro belief, sieht der Verband als wichtiges Signal, um die Branche zu entlasten. Noch nötiger sind Soforthilfen, aber die Summen reichen oft nicht zum Überleben.
Nach 400 Jahren gibt Brauerei Werneck auf
Das gilt auch für die bayerische Brauerei Werneck, die nun nach mehr als 400 Jahren aufgibt und Ende September schließt. „Nachdem es die letzten drei Jahre wieder aufwärts ging und 2020 mit vielen Veranstaltungen sehr gut ausgesehen hatte, hat der Coronavirus einen Strich durch die Rechnung gemacht“, teilte Inhaberfamilie Lang mit, die 15 Angestellte beschäftigt.
„Wir sind so unfassbar müde vom Kampf der letzten Jahre. Um zwei Cent pro Kasten rauf- und runterverhandeln zu müssen. Die Branche ist hart“, konstatiert Christine Lang aus der sechsten Generation der Brauerfamilie. „Es bricht uns das Herz“, sagt sie unter Tränen in einem Abschiedsvideo an die Familienbrauerei von 1617.
Die großen Brauer sind von Gastronomieschließungen weniger betroffen, spüren aber trotzdem deutliche Einbußen. Veltins zählt mit einem Fassbieranteil von zuletzt 17 Prozent neben Bitburger zu den größten gastronomieorientierten Brauereien Deutschlands. „Das sind Umsätze, die nicht mehr nachgeholt werden können“, heißt es bei Veltins. Auch die Fußballbundesliga in Zwangspause ist für den Sponsor von Schalke 04 bitter. Und die abgesagte Europameisterschaft 2020 hätte zusätzliche 900.000 Hektoliter Geschäft bedeutet.
Bierexperte Marcus Strobl vom Marktforscher Nielsen beobachtet zwar, dass die Deutschen während der Kalenderwochen elf und zwölf mehr Bier und Biermixgetränke gekauft haben als im Vorjahr. Das gilt für den Lebensmitteleinzelhandel ohne Discounter. Doch diese Zuwachsraten machen die Einbrüche in der Gastronomie bei weitem nicht wett. „Bier ist ein emotionales Produkt. Das trinkt man in geselliger Runde und wenn man sich gut fühlt“, heißt es bei Veltins. Daheim in Quarantäne werde weniger Bier getrunken.
Für seine 14.750 Gastronomiepartner bereitet Veltins derzeit eine einheitliche Regelung zur Entlastung vor. Auch der Getränkefachgroßhandel leidet und bleibt auf dem Bier für die Gastronomie sitzen. Veltins will nun durch Gutschriften in Millionenhöhe Großhändlern aus Liquiditätsnöten helfen. „Wir wollen ein deutlich spürbares Signal geben, dass wir dem Getränkefachgroßhandel in schwerer See das Kurshalten erleichtern“, sagt der Generalbevollmächtigte von Veltins, Michael Huber.
Die Privatbrauerei Krombacher verkauft etwa jedes zehnte Bier in der Gastronomie. Das Geschäft ist nun weggebrochen, der Absatz im Einzelhandel ist bisher weitestgehend stabil geblieben. In der Region gäbe es bald viele Schützenfeste, die nun ebenfalls wegfallen. Auch Krombacher ist in Gesprächen mit seinen Vertragsgastwirten über Pacht und Bierabnahme. Etwaige Stundungen werden in jedem Einzelfall entschieden.
Saisonarbeiter für die Hopfenpflege fehlen
Weiteres Ungemach droht den deutschen Brauern demnächst beim Hopfen. Nach zwei Dürrejahren könnte die Ernte erneut einbrechen und der Preis steigen, fürchtet Walter König, Geschäftsführer der Gesellschaft für Hopfenforschung. Denn es fehlen Saisonarbeiter aus dem Ausland. Wegen der Corona-Restriktionen dürfen oder wollen viele nicht mehr einreisen. Das sorgt für große Probleme in der bayerischen Hallertau, wo knapp 1000 Hopfenbauer ein Drittel der globalen Hopfenmenge anbauen.
Ab Mitte April werden etwa 15.000 Helfer benötigt, um die Hopfentriebe per Hand auszuputzen und aufzudrahten. Dies muss in einem kurzen Zeitfenster von etwa drei Wochen geschehen. Zwar entschied die Bundesregierung am Donnerstag, im April und Mai zumindest je 40.000 Saisonhelfer für die Landwirtschaft einreisen zu lassen. Doch das hilft den Hopfenbauern nur wenig. Denn auch Spargel-, Erdbeer- und Gemüsebauern haben derzeit dringenden Bedarf an helfenden Händen.
Ersatz aus dem Inland ist trotz vieler Aufrufe nicht so leicht zu finden. „Nicht jeder, der glaubt, sich nun im Hopfengarten etwas dazuverdienen zu können, ist dafür geeignet und steht das durch“, betont König. Nicht umsonst setzten die Betriebsleiter auf die eingespielten, langjährigen Arbeitsteams aus Osteuropa. Für die Brauwirtschaft befürchtet er massive Versorgungsengpässe mit Hopfen. Das könne zu Marktverzerrungen mit extremen Kostensteigerungen führen.
Füchschen-Brauer Peter König aus Düsseldorf hat im Moment noch ganz andere Sorgen. Inzwischen hat er seine Dispokredite bei der Stadtsparkasse hochgesetzt und Kredite bei der KfW beantragt. „Die kommen hoffentlich bald, auch wenn ich sie in fünf Jahren zurückzahlen muss“, sagt König. Die Stundung der Biersteuer helfe ebenfalls. Soforthilfen, die nicht zurückzuzahlen sind, stehen einem Mittelständler seiner Größe in Nordrhein-Westfalen - anders als etwa in Bayern - jedoch keine zu.
Doch selbst wenn die Brauhäuser wieder öffnen, eine gewisse Kontaktscheu und Zurückhaltung der Gäste dürfte erstmal bleiben, glaubt König. Seine Kellner will er deshalb mit Stoffatemmasken mit Füchschen-Motiven ausstatten. Trotz Krise versucht der Brauer, nach vorne zu schauen: „Schließlich ist für einen Rheinländer das Glas immer halb voll.“
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