Handelsmarketing Mit diesen Technologien lösen Händler den klassischen Handelsprospekt ab

Mittlerweile können die Kunden mit der App sogar per Smartphone an der Kasse zahlen.
Düsseldorf Für Lidl ist es eine der wohl wichtigsten Innovationen der Unternehmensgeschichte: Seit September vergangenen Jahres können die Kunden mit der Lidl-Plus-App in den 3200 Filialen bundesweit Rabattpunkte sammeln, bekommen aktuelle Angebote aufs Smartphone und können ihre Kassenbons digital speichern.
Mittlerweile haben mehr als zehn Millionen Menschen die App heruntergeladen. Heute können die Kunden damit sogar per Smartphone an der Kasse zahlen. Und für den Discounter das Wichtigste: Da er nun genau weiß, was ein Kunde gekauft hat, kann er ihm individuell zugeschnittene Angebote aufs Handy schicken.
Lidl ist mit der Innovation nicht allein. Die Postwurfsendung mit den neuesten Händlerprospekten war gestern. Heute sprechen die Unternehmen ihre Kunden zunehmend auf digitalem Weg an.
Eine Umfrage der Initiative Digitale Handelskommunikation (IDH) unter 50 großen deutschen Handelsunternehmen zeigt: Der Handel rüstet massiv digital auf – mit sehr unterschiedlichen Ideen und Strategien.
So berichten 94 Prozent der befragten Entscheider, dass sie in den vergangenen zwei Jahren mehr Budget für digitale Medien eingesetzt haben. Und das ist erst der Anfang: In den nächsten Jahren erwarten sie im Schnitt eine weitere Budgetsteigerung von 25 Prozent.
Aldi experimentiert mit Augmented Reality
Einen ganz anderen Weg als Lidl hat Aldi Süd gewählt. Der Discounter erweckt zusammen mit dem Start-up Snoopstar den Papierprospekt mittels erweiterter Realität (Augmented Reality) zum Leben.
Wenn der Kunde den Prospekt mit der Handykamera scannt, werden ihm automatisch Videos, Zusatzinfos oder Gewinnspiele zu den aktuellen Angeboten eingespielt. „Wir glauben daran, dass die optimale Verknüpfung von gelernten Print- und modernen Digitalangeboten ein wesentlicher Aspekt der Kundenkommunikation der Zukunft sein wird, und treiben die Digitalisierung entsprechend weiter voran“, sagt Lars Klein, Einkaufsmanager von Aldi.
Sehr vielfältig ist die Herangehensweise bei den Drogerieketten. „Interessant sind für uns die vielen Möglichkeiten, mit unseren Kunden online in Kontakt zu treten“, sagte Raoul Roßmann, geschäftsführender Gesellschafter des fast gleichnamigen Drogerieunternehmens im Handelsblatt-Interview. „Wir gehören beispielsweise bei Tiktok zu den aktivsten Handelsunternehmen, sind stark bei Instagram und Facebook vertreten“, so Roßmann. Aber auch die Rossmann-App sei eine der meistgenutzten im Einzelhandel, wie er stolz betont.
Auch dm experimentiert sehr stark mit Social-Media-Formaten, sogar Clubhouse hat das Unternehmen schon ausprobiert. Der „zentrale Dreh- und Angelpunkt“ bei den Bemühungen, die Kunden zu erreichen, sei jedoch eindeutig die Mein-dm-App, wie Marketinggeschäftsführer Sebastian Bayer jüngst in einem Interview mit dem Fachmagazin „Horizont“ erklärte. Sie ist nicht nur ein Werbemedium, sondern ein Kommunikationskanal, über den man die Kunden auch per Pushnachricht direkt ansprechen kann.
Auch andere Untersuchungen dokumentieren die Trendwende hin zu digitalen Kanälen. Nach dem aktuellen „Marketing Monitor Handel“ des Handelsforschungsinstituts EHI fließen nur noch 30 Prozent des Budgets in Print-Prospekte. Für die digitalen Maßnahmen dagegen werden bereits 34 Prozent ausgegeben. Seit Jahren, so das Fazit des EHI, zeigen die direkt von den Händlern bezogenen Daten, dass Teile der gedruckten Werbung Werbebudgetanteile verlieren, während digitale Werbung Budgetanteile gewinnt.
Die digitale Ansprache ist genau messbar
Der entscheidende Grund: Die Händler suchen einen direkten Weg zum Kunden. „Die Handelsunternehmen haben schon früh erkannt, dass digitales Marketing immer wichtiger wird“, beobachtet Benjamin Thym, Geschäftsführer der Offerista Group, eines der Marktführer für digitale Handelswerbung. Die Menschen seien immer mehr online unterwegs, sei es auf dem Smartphone oder generell im Internet.
„Digitale Handelskommunikation ist deshalb eine wichtige und sinnvolle Ergänzung zu den klassischen gedruckten Prospekten“, so Thym. Die Offerista Group hat gemeinsam mit den beiden Konkurrenten Marktguru und Bonial die IDH ins Leben gerufen, um die Bedeutung der neuen Werbeformen stärker zu betonen.
Die digitale Kommunikation hat noch einen weiteren Vorteil gegenüber der Postwurfsendung. „Die digitale Ansprache ist vor allem genau messbar“, betont Thym. Sie gebe Händlern die Kontrolle über ihr Marketingbudget, weil hier das Kosten-Nutzen-Verhältnis immer klar aufgezeigt wird.
Im Fokus stehen bei vielen Händlern zurzeit soziale Netzwerke und dabei insbesondere Videoformate, beispielsweise auf Plattformen wie Instagram oder Tiktok. „Social Media, insbesondere mit der Einbindung von Videos, ist ein großes Thema“, bestätigt Werber Thym.
Diese Schwerpunkte bestätigen auch die befragten Entscheider der Handelsunternehmen. 71 Prozent von ihnen nannten Social Media als digitalen Bereich, der noch stark ausgebaut werden soll, 56 Prozent Video-Advertising und 47 Prozent die Unternehmens-App.
Snapchat mit Plakat verbinden
Was viele von ihnen an den digitalen Kanälen schätzen: Sie sind flexibler als die Printprodukte, und man kann schnell reagieren, falls beispielsweise Produkte kurzfristig aus dem Sortiment genommen werden müssen oder sich Öffnungszeiten spontan ändern.
Doch ein Selbstläufer sind auch die digitalen Marketingkanäle nicht. Entscheidend sei das Timing, sagt Werber Thym. „Die Kundinnen müssen über den richtigen Kanal mit dem richtigen Thema im passenden Moment angesprochen werden“, sagte er.
Das dachte sich auch der Außenwerber Wall Decaux und macht seine Werbeflächen an Bus- und Bahnhaltestellen zu interaktiven Plattformen. So können die Plakate beispielsweise mittels einer Snapchat-Linse mit Videoformaten auf dem Handy verbunden werden.
Durchaus mit Erfolg: Bei einer Werbekampagne des Art Directors Club für Deutschland (ADC) wurde die Linse, über die witzige Video-Effekte in die reale Umwelt integriert werden können, nach fast 25 Prozent der Downloads auch direkt genutzt. Fast 57 Sekunden haben die Menschen im Schnitt mit der Linse gespielt – und sich so die Wartezeit auf den Bus mit Werbung vertrieben.
Mehr: Das Start-up Snoopstar bringt Aldi-Prospekten das Sprechen bei
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