Hornbach, Obi, Toom Wie Baumärkte den Anschluss an Amazon halten wollen
Düsseldorf Es ist mal wieder das Wetter schuld. Bei der Baumarktkette Hornbach ging im ersten Quartal in Deutschland der Umsatz um etwa 700.000 Euro auf 612,7 Millionen Euro zurück. „Wir haben wegen des winterlichen März 2018 einen ungünstigen Start in die diesjährige Frühjahrssaison erwischt“, klagt Finanzvorstand Roland Pelka. Auch deswegen ist das Betriebsergebnis (Ebit) im Baumarktgeschäft im ersten Quartal um 16,3 Prozent auf 64,9 Millionen Euro abgestürzt.
Nicht viel anders sieht es in der gesamten Branche aus. Der Gesamtumsatz des deutschen Baumarkthandels ist laut Branchenverband BHB im ersten Quartal sogar um 7,1 Prozent auf nur noch 3,76 Milliarden Euro eingebrochen. „Für den Baumarkthandel wird das Geschäft mit Gartensortimenten zunehmend wichtig“, begründet Verbandsgeschäftsführer Peter Wüst den Rückgang. Und deswegen schlug auch hier der kalte März voll durch.
Es ist eine fatale Entwicklung: Weil immer mehr klassischer Baumarktumsatz zu Onlinehändlern abwandert, werden die stationären Heimwerkergeschäfte zunehmend zu Gartenmärkten. Kurzfristig schien das Erfolg zu versprechen. Doch je höher der Umsatzanteil von Grills, Rasenmähern und Teichpflanzen wird, desto unberechenbarer wird das Geschäft.
Und im boomenden Onlinehandel scheinen die Baumarktunternehmen fast schon den Anschluss verloren zu haben. Nach einer aktuellen Studie des Handelsforschungsinstituts IFH hat sich Amazon bereits 39 Prozent des Onlineumsatzes mit Heimwerker- und Gartenartikeln gesichert. Und bei weiteren 38 Prozent beginnt zumindest die Produktsuche bei Amazon.
Baumarkkunden recherchieren gerne online
„Auch wer eigentlich im Baumarkt kaufen will, recherchiert oft erst einmal online – und kauft vielleicht auch anschließend bei Amazon, obwohl der Onlinegigant nicht immer der günstigste Anbieter ist“, beobachtet Eva Stüber, Autorin der Studie.
Es ist die gleiche Entwicklung wie in vielen anderen Branchen: Amazon schneidet die klassischen Händler vom direkten Kontakt mit dem Kunden ab, wird mehr und mehr erst zum Torwächter – und macht dann selber das Geschäft. „Etablierte Geschäftsmodelle sind durch die Amazonisierung oft nicht mehr zukunftsfähig“, warnt E-Commerce-Expertin Stüber.
Das Geschäft mit dem Do-It-Yourself (DIY) ist im Umbruch. Und fast sieht es so aus, als hätten die klassischen Baumarktunternehmen dabei den Kampf aufgegeben. Sie verlassen sich weiterhin unbeirrt auf die Filialen, setzen oft sogar noch auf größere Märkte statt einen Teil des Basissortiments in Netz zu verlagern und dem von Amazon gesetzten Trend zu tagesgleicher Lieferung zu folgen.
Das belegen auch Zahlen der Gesellschaft für Markt- und Betriebsanalyse (Gemaba): Hatte der durchschnittliche Baumarkt 2010 noch eine Fläche von 5386 Quadratmetern, waren es 2017 schon 6265 Quadratmeter.
Daran hat selbst die spektakuläre Pleite von Praktiker vor genau vier Jahren nichts geändert. Im Gegenteil: Seit 2014 stieg die Gesamtverkaufsfläche der deutschen Heimwerkerbranche von 13,03 auf 13,36 Millionen Quadratmeter. Die Zahl der Märkte nahm im gleichen Zeitraum von 2118 auf 2140 zu.
In Sonntagsreden ist das Problem natürlich erkannt. So warnte Sergio Giroldi, Chef des Marktführers Obi, schon vor einem Jahr auf dem Branchengipfel Global DIX-Summit in Berlin: „Wir können uns nicht auf unseren Erfolgen ausruhen. Amazon schickt sich an, die Marktführerschaft in der DIY-Branche zu übernehmen.“
Doch wirklich angekommen scheint der Appell nicht zu sein. „Für eine nachhaltige Positionierung braucht es eine Neuausrichtung mit den Kunden im Mittelpunkt des Handelns“, erklärt IFH-Expertin Stüber. Diese sei weniger als Einzelkämpfer, sondern in Kooperation anzugehen – vielleicht sogar mit direkten Wettbewerbern um den Nachteil gegenüber Amazon aufzuholen. „Davon ist gerade die Baumarktbranche noch weit entfernt“, so Stüber.
Doch es gibt zumindest erfolgversprechende Ansätze. Und Hornbach treibt diese unter den klassischen Baumarktbetreibern nach Ansicht von Experten am stärksten voran. So hat das Unternehmen die Investitionen in den Mehrkanalhandel, also die Verknüpfung von Online und Filiale im vergangenen Jahr um 13 Prozent auf 60 Millionen Euro gesteigert. Mit dem Start der Webshops in der Slowakei, in Schweden und in Rumänien ist das Unternehmen jetzt im kompletten Verkaufsgebiet online präsent.
„Beträchtliche Investitionen in die Verknüpfung von stationären Märkten und Onlinehandel sind nach unserer Überzeugung keine Option, sondern eine Notwendigkeit, um gestiegene Ansprüche der Verbraucher im digitalen Zeitalter erfüllen zu können“, mahnt Albrecht Hornbach, Vorstandschef und persönlich haftender Gesellschafter.
Service und Beratung als Schlüssel
Dafür nimmt das Familienunternehmen auch eine vorübergehende Belastung des Betriebsergebnisses in Kauf. Die Investitionen ins Digitalgeschäft könne man sich leisten, weil die Produktivität der Märkte mit 2135 Euro Nettoumsatz pro Quadratmeter um 60 Prozent über dem Branchenschnitt liege.
Der Ausbau des Mehrkanalhandels scheint bei den Kunden anzukommen. Bei einer Umfrage des E-Commerce-Beratungsunternehmen ECC zu den beliebtesten Onlineshops belegte Hornbach in der Kategorie Heimwerken und Garten den zweiten Platz. Übertroffen wurden sie nur von dem kleinen Familienbetrieb Gärtner Pötschke, der mit einem sehr individuellen Auftritt und umfangreichem Service die Kunden begeisterte.
Service und Beratung könnten auch für die Baumärkte der Schlüssel sein, um die Kunden mit der Verknüpfung von Digitalangebot und Märkten wieder direkter zu erreichen. „Wenn es um den reinen Produktkauf geht, werden die Baumärkte auch zukünftig keine Chance online haben“, sagte Expertin Stüber. Es gelte vielmehr, sich als Lösungsanbieter für komplexere Vorhaben wie eine Renovierung zu platzieren und serviceorientiert Mehrwerte zu bieten.
Genau da setzt Marktführer Obi an. Bei dem vor einem Jahr gestarteten Gartenplaner können Kunden ihre Gartengestaltung online konfigurieren. Alternativ können sie sich auf einer Sonderfläche im Markt durch das Planungstool klicken, unterstützt von einem Obi-Mitarbeiter. Und dann bekommen sie eine Selbstbauanleitung und eine Artikelliste – für den Einkauf im Markt.
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