Paulaner, Hotels, Lachse, Immobilien: Nach Corona will Schörghuber aus den roten Zahlen
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Interview Schörghuber-Chef Nico Nusmeier zum erneuten Ausfall des Oktoberfests: „Das tut uns weh“
Der Unternehmer erwartet von der Bundesregierung, dass Gastronomie und Hotellerie offen bleiben können. Sein Plädoyer: Impfen, impfen, impfen!
Der Manager bedauert den Ausfall des Oktoberfests: „Die Wiesn ist Teil des Erbguts von Paulaner.“
München Das erste volle Jahr als Vorstandsvorsitzender der Schörghuber-Gruppe war schwierig für Nico Nusmeier: In der Corona-Pandemie ist der Umsatz im Kerngeschäft mit Immobilien, Hotels und Lachszucht 2020 um gut ein Viertel auf 554 Millionen Euro eingebrochen. Es lief ein Verlust von 34 Millionen Euro auf. In der gemeinsam mit Heineken betriebenen Paulaner-Gruppe fielen die Erlöse um gut ein Zehntel auf 622 Millionen Euro. Der Gewinn schrumpfte um etwa 90 Prozent auf 3,3 Millionen Euro.
Jetzt gibt der Schörghuber-Chef zum ersten Mal ein Interview. Im Handelsblatt zeigt er sich optimistisch. Von der Bundesregierung erwartet er dabei, Bedingungen zu schaffen, unter denen die für seine Gruppe so wichtigen Hotels und Gasthöfe ungeachtet der Pandemie auch in diesem Winter geöffnet bleiben können. Sein Appell: Impfen, impfen, impfen!
Nusmeier geht davon aus, dass in diesem Jahr alle Bereiche des Unternehmens über Plan wachsen: Den Wert des drei Milliarden Euro schweren Immobilienportfolios will er deutlich steigern, die Braugruppe soll wesentlich mehr verdienen, selbst bei den durch die Pandemie gebeutelten Hotels sieht er viel Potenzial – zum Beispiel, indem er sie für Langzeit-Aufenthalte umwidmet. Und auch die Lachszucht in Chile soll kräftig zulegen, indem bislang ungenutzte Lizenzen für Meeresflächen aktiviert werden.
Lesen Sie hier das vollständige Interview:
Herr Nusmeier, normalerweise holen die Münchener in diesen Tagen Dirndl oder Lederhose aus dem Schrank. Nun fällt das Oktoberfest schon zum zweiten Mal nacheinander aus. Was heißt das für ein Ur-Münchener Unternehmen wie die Schörghuber-Gruppe? Das tut uns weh. Klar, mit Paulaner verdienen wir auf der Wiesn ordentlich, insofern ist es finanziell ein Verlust. Aber das ist nicht das Schlimmste, es gibt noch eine andere Komponente: München ist die Bier-Hauptstadt der Welt, und das wird verkörpert durch das Oktoberfest. Ich bin zwar Holländer, aber auch gelernter Brauer, und daher kann ich das mit Fug und Recht behaupten.
Ihnen fehlt also die Bühne, um Ihr Bier weltweit zu präsentieren? Ja, denn die Wiesn ist Teil des Erbguts von Paulaner. Es treffen sich sechs, sieben Millionen Menschen auf dem Oktoberfest, so viele Kontakte haben Sie nirgendwo sonst, es ist eine gewaltige Chance, uns zu zeigen. Das tut uns gut, das tut auch der Stadt gut, denn es kommen viele Menschen aus dem Ausland. So wie Anfang des Monats auch bei der IAA, der Automobilmesse. Es war wichtig, wieder einmal Gäste von auswärts zu begrüßen in München.
Vita Nico Nusmeier
Der gebürtige Niederländer führt die Schörghuber-Gruppe seit zwei Jahren. Der 60-Jährige kannte das verzweigte Firmenreich schon vorher in- und auswendig. Jahrelang vertrat er den Bierkonzern Heineken in der Gesellschafterversammlung des gemeinsamen Unternehmens Brau Holding International. Fünf Jahre saß er zudem im Stiftungsrat, einer Art Aufsichtsgremium, der weit diversifizierten Gruppe.
Nico Nusmeier stand seit Mitte der 1980er-Jahre in Diensten von Heineken. Zuletzt war der Hobby-Segler für das gesamte Geschäft in Zentral- und Osteuropa zuständig. Später wechselte er zu einem Abfüller von Coca-Cola nach Dubai. Vor dem Wechsel nach München führte der fünffache Vater den Verpackungshersteller Can-Pack im polnischen Krakau. Der Wirtschaftswissenschaftler mit einem Abschluss der London Business School spricht sechs Sprachen, darunter fließend Deutsch.
Fürchten Sie langfristig um das Oktoberfest? Wenn es bei den zwei Jahren Pause bleibt, dann nicht.
Als Sie im Sommer vor zwei Jahren auf dem Chefsessel Platz genommen haben, sah die Welt noch ganz anders aus. 2019 erzielte die Schörghuber-Gruppe ein Rekordergebnis. Das stimmt, 2019 war ein hervorragendes Jahr. Die Pandemie hat uns seither hart getroffen. Trotzdem ist mein Auftrag unverändert. Ich bin angetreten, um die vierte Phase in der 75-jährigen Geschichte der Gruppe einzuleiten: Das Unternehmen soll wieder wachsen.
Das ist im Grunde selbstverständlich für einen milliardenschweren Konzern wie Schörghuber. Warum betonen Sie das? Nach der Gründungsphase unter Josef Schörghuber kam die Phase von Internationalisierung und Wachstum unter Stefan Schörghuber. Nach dessen frühem Tod war eine Phase der Konsolidierung und Bilanzstärkung angesagt. Alexandra Schörghuber und ihre Kinder, die nächste Unternehmer-Generation, treiben jetzt die Unternehmensentwicklung maßgeblich voran.
Ohne eine klare Vorwärtsstrategie wären Sie nicht nach München gekommen? In meinen mehr als 30 Jahren im Management war ich schon das eine oder andere mal Sanierer. Aber ich mag es mehr, nach vorne zu denken und für Wachstum zu sorgen.
Welche Ziele hat Ihnen die Eigentümerfamilie aufgetragen? Die sind je nach Unternehmensbereich unterschiedlich. Nehmen Sie zum Beispiel die Bayerische Hausbau. Das ist zwar nicht die größte Sparte, vom Ergebnis her aber unser Kerngeschäft. Da kommen wir momentan auf einen Immobilienbestand von gut drei Milliarden Euro. Der soll im Wert in den nächsten drei, vier Jahren deutlich zulegen – und zwar stärker als die ohnehin zu erwartende Wertsteigerung bei Immobilien.
Konkret, welches Plus müssen Sie abliefern? Wir sind ein Familienunternehmen und nicht börsennotiert, daher werde ich Ihnen keine Zahlen nennen. Nur so viel: Wir werden vor allem in Hamburg wachsen, neben München der wichtigste Standort der Bayerischen Hausbau. Auch bei unseren Brauereien erwarten wir Wachstum. Dort erreichten wir vor Corona ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 60 Millionen Euro. Da möchten wir 2023/24 deutlich darüber hinauskommen.
Warum erst in zwei, drei Jahren? Nächstes Jahr dürften wir noch eine Zurückhaltung bei Großveranstaltungen sehen. In wichtigen Exportmärkten wie Italien und Frankreich könnte auch die Gastronomie 2022 noch unter Corona leiden.
Am schwierigsten dürfte es sein, bei den Hotels zu wachsen. Die Hotellerie leidet unter der Pandemie wie nie, oder? Richtig, trotzdem sehen wir auch hier Potenzial, nicht zuletzt als Betreiber von Hotels. Wir müssen nicht immer Besitzer der Immobilien sein. Wir können aus den bestehenden Häusern mehr herausholen und uns auch vorstellen, zusätzliche Hotels zu managen.
Braucht es denn noch weitere Hotels? Die meisten standen zuletzt monatelang leer, und ob künftig die Geschäftsreisenden zurückkehren, ist völlig offen. Wir würden jetzt auch nicht unbedingt weitere Stadthotels in München bauen. Aber wenn es attraktive Leisure-Häuser zu kaufen gibt, schauen wir uns das schon an. Außerdem denken wir über neue Konzepte nach. So werden wir beispielsweise unser Four Points an der Theresienwiese in ein Residence Inn umwandeln und damit ein Longstay-Konzept realisieren.
Alexandra Schörghuber
Die Eigentümerin der Schörghuber-Gruppe, Alexandra Schörghuber, will das Unternehmen wieder auf Wachstumskurs bringen.
(Foto: Thorsten Jochim für Handelsblatt)
An der Lachszucht Ihrer Gruppe in Chile hat sich Ihr Vorgänger über Jahre aufgerieben. Wie steht es um das Geschäft? Wir haben lange daran gearbeitet, die Kosten in den Griff zu bekommen. Das ist uns gelungen, wir sind konkurrenzfähig mit den anderen großen chilenischen Anbietern und waren hochprofitabel.
Aber? Aber die Corona-Pandemie hat die Preise für Lachs auf ein historisches Tief gedrückt, weil das Geschäft mit der Gastronomie einbrach. Wir haben zwar viel verkauft, aber nicht viel damit verdient.
Warum halten Sie an der Division am anderen Ende der Welt fest, obwohl sie doch seit Jahren Probleme bereitet? Die Nachfrage nach gesundem Protein, also nach Lachs, steigt jedes Jahr um sechs, sieben Prozent. Wir sind überzeugt, dass wir sogar noch stärker wachsen können. Denn wir haben noch ungenutzte Lizenzen, um weitere Meeresflächen einzusetzen. Das zahlt also auf unsere Wachstumsstrategie ein.
Unterm Strich ist die Schörghuber-Gruppe vergangenes Jahr mit 34 Millionen Euro in die roten Zahlen gerutscht. Wie groß ist die Not im Unternehmen? Unser Cash-Flow ist ordentlich und die Eigenkapitalquote mit 47 Prozent stabil. Wir haben sämtliche großen Investitionen durchgezogen. Natürlich sind wir im Sparmodus, aber Sie müssen sich keine Sorgen um uns machen.
Wo haben Sie denn investiert? In Hunderte Wohnungen am Nockherberg oder das künftige Rosewood Munich im Kreuzviertel beispielsweise. Wir haben mitten in der Pandemie beschlossen, die Kulmbacher Brauerei für 30 Millionen Euro auszubauen, weil wir dort vor allem mit dem Bügelverschluss-Marktführer Mönchshof wachsen. Auch bei Chiemseer in Rosenheim investieren wir. Und im Westin in Frankfurt haben wir die umfangreichen Sanierungsarbeiten vorgezogen.
Ihre Hotels waren monatelang praktisch menschenleer. Wie viel Unterstützung gab’s vom Staat? Gar nichts – außer dem Kurzarbeitergeld für unsere Mitarbeiter.
Wieso das denn? Weil das Geschäft in anderen Unternehmensbereichen, vor allem den Immobilien, ziemlich stabil weitergelaufen ist. Daher kamen wir als Verbundunternehmen für die Hilfsmaßnahmen bislang nicht infrage. Dabei haben wir unsere Hotels bis zur Schmerzgrenze offen gelassen, sogar bei einer Auslastung von unter zehn Prozent.
Fürchten Sie, dass Sie schon bald wieder zusperren müssen, weil die Pandemie außer Kontrolle gerät? Ich erwarte von der Regierung, dass sie die Bedingungen schafft, damit Gastronomie und Hotellerie offen bleiben können. Das heißt für mich: Impfen, impfen, impfen!
Wie ist dieses Jahr bisher gelaufen? 2021 wird deutlich besser als 2020, so viel steht fest. Aber es wird lange nicht so gut wie 2019.
Die einzelnen Bereiche haben sich erneut sehr unterschiedlich entwickelt, oder? Es geht in jeder einzelnen Sparte nach oben, die Richtung stimmt überall. Nach dem ersten Halbjahr liegen wir bei Umsatz und Ergebnis über Plan – und das, obwohl wir schon mit besseren Zahlen als im Vorjahr kalkuliert hatten.
In der Paulaner-Gruppe hat Schörghuber die Brauerei-Beteiligungen gebündelt. Die Münchner betreiben das Geschäft gemeinsam mit dem niederländischen Konzern Heineken.
Sie sind Chef einer Holding, die kein eigenes Geschäft betreibt, das findet in den selbstständigen Gesellschaften darunter statt. Braucht es diese Konstruktion noch? Ja, denn wir unterstützen die Unternehmensbereiche vor allem auf drei Feldern: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und beim Personal. Schauen wir uns mal den dritten Punkt an: Da können wir als Konglomerat den Beschäftigten wirklich etwas bieten, denn nicht viele Firmen sind so breit aufgestellt wie wir. In der Kombination als Familienunternehmen, dessen Eigentümer sehr langfristig denken, ist das wirklich ein Vorteil für uns.
Digitalisierung sollte aber doch das Thema eines jeden Geschäftsführers in Ihrer Gruppe sein! Das schon, aber wir denken weiter. Wir überlegen zum Beispiel, ob wir uns nicht als Investor an Start-ups beteiligen. Davon werden dann unsere Unternehmensbereiche profitieren. Wir kümmern uns auch um Zukunftsbereiche wie Datamining oder Konsumentenplattformen, Anwendungen also, von denen die Sparten konkret etwas haben.
Nachhaltigkeit ist noch so ein allgemeines Thema, das doch jeder Manager im Blick haben sollte, finden Sie nicht? Auf jeden Fall. Aber als Holding werden wir gemeinsam mit unseren Konzerngesellschaften konkrete Ziele definieren, die auf eine Gesamtstrategie einzahlen. In einem Dreivierteljahr wollen wir so weit sein. Wir stellen den Bereichen Mittel zur Verfügung, fördern den Austausch untereinander, drücken aber auch aufs Tempo.
Sie bauen gerade eine neue Konzernzentrale – gleich neben der Theresienwiese, also dem Oktoberfest-Gelände im Herzen von München. Ist das nicht etwas gewagt angesichts des Trends zum Homeoffice? Schon vor Corona konnten unsere Beschäftigten zwei Tage die Woche von zu Hause aus arbeiten. Homeoffice ist für uns also nichts Neues und in unsere Planungen einbezogen. Trotzdem ist die neue Zentrale wichtig, sie wird unsere Mitarbeiter kreativer machen und die Zusammenarbeit fördern. Dazu trägt auch der Blick hinweg über die Dächer der Stadt in die Alpen bei – von der coolsten Dachterrasse ganz Münchens.
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