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Interview Spediteur Wolfram Senger-Weiss: „Die Lieferengpässe werden das gesamte Jahr anhalten“

Brüchige Lieferketten, Klimakritik und Online-Frachtbörsen belasten das Geschäftsmodell. Der Speditionschef erklärt, wie er mit Home-Delivery und Wasserstoff dagegenhält.
17.04.2021 - 09:48 Uhr Kommentieren
„Die Krise hat gezeigt, dass digitale Systeme durchaus ihre Grenzen haben.“ Quelle: Gebrüder Weiss
Speditionschef Wolfram-Senger-Weiss

„Die Krise hat gezeigt, dass digitale Systeme durchaus ihre Grenzen haben.“

(Foto: Gebrüder Weiss)

Düsseldorf Für Importeure hält Wolfram Senger-Weiss eine Hiobsbotschaft bereit. Mit einer Rückkehr zu einer reibungslosen Warenversorgung, warnt der Chef des Speditionskonzerns Gebrüder Weiss im Interview mit dem Handelsblatt, sei 2021 wohl nicht mehr zu rechnen: „Wir gehen davon aus, dass dies das gesamte laufende Jahr anhalten wird.“

Zuletzt haben Frachterstaus vor Überseehäfen, die Blockade des Suezkanals und ein anhaltender Mangel an Seecontainern Lieferketten immer wieder weltweit reißen lassen. Schutzmasken und Desinfektionsmittel aus Fernost blieben nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie lange Zeit Mangelware, im Weihnachtsgeschäft bangten Händler um ihren Nachschub.

Ein Viertel von Deutschlands Unternehmen, so zeigte eine Umfrage der Strategieberatung McKinsey, überlegt nun in der Folge, Teile der Lieferkette seltener auszulagern. Noch aber zögern offenbar viele Hersteller, ihren Ankündigungen Taten folgen zu lassen.

„Wir sehen unter unseren Kunden überhaupt keine Anzeichen für eine Verlagerung der Beschaffung“, sagt der 50-jährige Spediteur, dessen Familie schon seit 1474 im Transportgeschäft ist. Er erklärt, wie sich sein 1,77 Milliarden Euro Jahresumsatz schweres Unternehmen auf die drohenden Verwerfungen einrichtet.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Senger-Weiss, die folgenreiche Havarie im Suezkanal, zuvor schon Versorgungsengpässe mit Schutzmasken und Importartikeln vor Weihnachten – reißen weltweit die Lieferketten?
Die Pandemie hat die reibungslose Versorgung ins Wanken gebracht. Zunächst fehlten in Europa die Container, dann stockten die Hinterlandverkehre, schließlich gab es Probleme und Verstopfungen in den Häfen. Jetzt führen auch noch das starke Wachstum in China und die hohe Importnachfrage aus den USA dazu, dass wir hier eine Übernachfrage haben.

Sehen Sie ein Ende?
Wir gehen davon aus, dass dies das gesamte laufende Jahr anhalten wird.

Folgt der Corona-Pandemie ein Rückschlag in der Globalisierung?
Das glaube ich gar nicht. Denn wir sehen unter unseren Kunden überhaupt keine Anzeichen für eine Verlagerung der Beschaffung. Die Absatzmärkte sind global, und es würde zu einer Kostenerhöhung führen, wobei die meisten Produkte viel zu preissensibel sind, um bei ihnen solche Erhöhungen unterbringen zu können.

Auch der Großbritannien-Handel brach zum Jahreswechsel ein. Wie lange noch bleibt es bei den Lieferengpässen durch den Brexit?
Was wir im Moment sehen, wird sich sicherlich wieder ein wenig normalisieren. Bislang sind es die meisten Importeure in Großbritannien überhaupt nicht gewohnt, mit Zollformalitäten umzugehen. Es gibt nicht die passenden IT-Systeme vonseiten der Behörden. Auch wenn sich dies wieder einspielt, wird Großbritannien als Produktionsstandort zurückfallen. Das eine oder andere Werk dürfte auf den Kontinent verlagert werden.

Wo wird dies am stärksten geschehen?
Nichttarifäre Handelshemmnisse gibt es vor allem bei Nahrungsmitteln, bei denen die EU Gesundheitszeugnisse fordert. Den Export von schottischem Whisky wird diese Hürde aller Wahrscheinlichkeit nach nicht stoppen, den von weniger markenbekannten Produkten aber schon.

Die Transportbranche steht im Kreuzfeuer der Klimadiskussion. Ihr Unternehmen will nun den CO2-Ausstoß jährlich um zehn Prozent reduzieren. Bis 2030 wollen Sie CO2-neutral sein. Wie?
Das bezieht sich auf unseren eigenen Betrieb, nicht den CO2-Ausstoß von transportierenden Seeschiffen und Flugzeugen. Unsere Logistik- und Umschlaghallen sollen energiesparender werden und eine eigene, nachhaltige Stromversorgung erhalten. Auf der anderen Seite werden wir wohl auch CO2 kompensieren müssen.

Testen Sie alternative Antriebe für Ihre Lkw-Flotte?
Ja, und zwar schon länger. Wir haben seit mehreren Jahren Gas- und Elektro-Lkw im Einsatz. Allerdings scheint der Elektroantrieb für die Fernstrecke nicht besonders geeignet.

Wie weit haben es Ihre Lkw mit Batterien geschafft?
Konkret beziffern lässt sich das schwer, denn wir fahren ja nicht so lange, bis wir stehen bleiben. Aber wir schaffen auf jeden Fall die Strecke von Wien nach Bratislava.

Also 75 Kilometer. Taugt Wasserstoff besser für den Lkw-Antrieb?
Wir testen das seit Januar in der Schweiz, denn nirgendwo sonst gibt es ein ausreichendes Tankstellennetz. Die ersten Erfahrungen sind positiv, denn 400 bis 500 Kilometer Reichweite sind durchaus machbar. Wichtig ist jedoch, dass der Wasserstoff durch grüne Energie erzeugt wird, damit es ökologisch sinnvoll bleibt.

CO2-Neutralität kostet Geld. Ziehen Ihre Kunden bei den dadurch steigenden Preisen mit?
In Bezug auf unser Ziel der Klimaneutralität bis 2030 tragen wir das selber. Darüber hinaus bieten wir unseren Kunden auch grüne Produkte, aber momentan sind die Zusatzkosten deutlich zu hoch, als dass wir es breiter ausrollen könnten. Alternative Antriebe müssen noch vom Marketingbudget mitfinanziert werden.

„Auch für mittlere und kleinere Unternehmen gibt es weiterhin Marktchancen“

Dutzende Start-ups vermitteln Fracht inzwischen über Online-Frachtbörsen. Wer braucht da noch eine Spedition?
Die Krise hat gezeigt, dass digitale Systeme durchaus ihre Grenzen haben. Wenn hier die Lieferketten reißen, gibt es meist keine Alternative. Kunden verstehen inzwischen, wofür sie bei den Speditionen eine Vermittlungsgebühr bezahlen. Sie möchten Lösungen und kein rein digitales System, für das niemand geradesteht, wenn es nicht funktioniert. Wir verbinden deshalb unsere physische Kompetenz mit unserem digitalen Angebot ...

... und verweigern deshalb Aufträge per Fax?
Wie der Kunde es möchte.

Diplomatisch geantwortet. Gleichzeitig ist die Speditionsbranche immer noch enorm zersplittert. Die zehn größten Player besitzen nur einen Marktanteil von 20 Prozent weltweit. Steht uns die Übernahmewelle noch bevor?
Es hat ja wieder große Übernahmen gegeben ...

... wie den Kauf des Schweizer Speditionsriesen Panalpina durch die dänische DSV.
Und es werden sich noch weitere Konsolidierungen zeigen. Aber auch für mittlere und kleinere Unternehmen gibt es weiterhin Marktchancen, weil es auch mittelgroße und kleinere Kundensegmente gibt.

Haben schon Aufkäufer bei Ihnen angeklopft?
Ich glaube, wir wären schwer verdaulich. Zudem hat Gebrüder Weiss erst im Oktober mit Ipsen Logistics aus Bremen selbst einen Wettbewerber übernommen.

Obwohl die Wirtschaftsleistung in den meisten Ländern 2020 einbrach, steigerte Ihr Unternehmen den Umsatz um 3,7 Prozent auf 1,77 Milliarden Euro. Wo lag der Trick?
In Österreich und Osteuropa sind wir als Spedition Marktführer im Segment Home-Delivery, also in der Zustellung an Endkunden. Alles, was größer ist als ein Paket, etwa Waschmaschinen, Sofas oder große Fernseher, wird durch unseren Zwei-Mann-Service geliefert. Allein in Österreich hatten wir im vergangenen Jahr 520.000 Sendungen, europaweit sogar 1,37 Millionen.

Das Leben vieler hat sich im Lockdown sehr auf das eigene Zuhause konzentriert. Da man das Geld nicht für Urlaubsreisen ausgeben kann, ist das Sofa daheim deutlich wichtiger geworden.

Herr Senger-Weiss, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Lieferengpässe aus Fernost bringen Reedereien schwere Kritik

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