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ITA-Airways-Präsident Altavilla im Interview Italiens neue Staatsairline auf Partnersuche: „Es wäre falsch, eigenständig zu bleiben“

Die insolvente Alitalia ist Vergangenheit, seit Kurzem ist Nachfolgerin ITA Airways in der Luft. Verwaltungsratspräsident Alfredo Altavilla will schon 2023 Gewinn einfliegen – und umwirbt die Lufthansa.
17.11.2021 - 11:07 Uhr Kommentieren
Er hat fast 30 Jahre bei Fiat gearbeitet, war dort zuletzt Chef des Europageschäfts. Quelle: via REUTERS
Alfredo Altavilla, Verwaltungsratspräsident von ITA Airways

Er hat fast 30 Jahre bei Fiat gearbeitet, war dort zuletzt Chef des Europageschäfts.

(Foto: via REUTERS)

Rom Das Gebäude an Roms Flughafen Fiumicino gehörte bis vor Kurzem der insolventen Alitalia. An den Türen kleben noch Aufkleber mit dem alten Schriftzug der Staatsairline, die nach fast 20 Jahren ohne Gewinn nicht mehr zu retten war. Seit einem Monat ist Nachfolgerin ITA Airways in der Luft – mit weniger Flugzeugen, weniger Personal und sehr ambitionierten Zielen.

Verwaltungsratspräsident Alfredo Altavilla kündigt im Handelsblatt-Interview an, bis zum zweiten Quartal 2023 schwarze Zahlen erreichen zu wollen. „ITA Airways muss Geld verdienen“, sagt der ehemalige Fiat-Manager. Er will vor allem bei den Personalkosten sparen. Die Gehälter der Piloten und Flugbegleiter hat Altavilla an die der „europäischen Fluggesellschaften unter Coronabedingungen angepasst“, sie liegen nun zwischen 40 und 50 Prozent niedriger als zuvor. Erst wenn die Gewinnzone erreicht sei, könne man über höhere Löhne sprechen.

Vom Start weg ist ITA Airways, die zu 100 Prozent dem italienischen Staat gehört, auf Partnersuche. „Es wäre falsch, eigenständig zu bleiben, weil wir im Vergleich zu den drei großen in Europa tätigen Airline-Gruppen immer zu klein wären.“

Altavilla hofft, dass sich auch die Lufthansa für seine Airline interessiert. Mit deren CEO habe er schon gesprochen: „Ich habe großen Respekt vor Carsten Spohr“, sagt Altavilla. Es sei der Lufthansa in den vergangenen Jahren gelungen, andere kleinere Airlines wie Swiss oder Brussels mit großem Erfolg zu integrieren. „Aus dieser Sicht bewundere ich das Geschäftsmodell der Lufthansa sehr.“

Aber auch andere Airlines hätten schon angeklopft. Altavilla, der mitten in den Verhandlungen steckt, will schon kommendes Jahr Teil einer internationalen Gruppe werden. Um sich attraktiver zu machen, hat Altavilla auch das Streckennetz radikal zusammengestrichen. Flüge aus Italien gibt es nur noch von den beiden Drehkreuzen Rom-Fiumicino und Mailand-Linate. Marktanteile, die die alte Alitalia an Billigflieger verloren hat, will er nicht zurückgewinnen. „Mich interessiert die Rentabilität der Strecken, auf denen wir fliegen.“ Diese Zahlen seien bei Alitalia „erschreckend“ gewesen.

Ändern will Altavilla auch den Umgang mit den Kunden. „Bei Alitalia spielte es vor 15 Jahren keine Rolle, ob der Kunde glücklich war oder sauer wie ein Puma“, sagt der 59-Jährige. Damals war die Airline alternativlos, das sei heute anders. Er hofft, dass sich die Kunden an Bord künftig „mehr verwöhnt fühlen als bei Ryanair oder Wizzair, wo sie reingejagt werden, um ihre Plätze einzunehmen“.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Altavilla, die vierte Coronawelle hat begonnen, im Winter gibt es auch ohne Pandemie viel weniger Flüge. Ist es nicht ein denkbar schlechter Zeitpunkt für den Neustart?
Keine rationale Person hätte den Start einer Fluglinie für den 15. Oktober terminiert. Aber wir hatten keine Wahl. Wir mussten loslegen, weil nicht sicher war, dass Alitalia lebendig im März 2022 angekommen wäre, wenn der Sommerflugplan beginnt. Es ist doch ohnehin viel besser, eine neue Zukunft aufzubauen, als einen Todkranken am Leben zu erhalten.

ITA Airways fliegt jetzt vier Wochen. Wie lautet Ihre Bilanz?
Bisher ist es sehr gut gelaufen. Wir haben eine Auslastung unserer Flugzeuge, die letzte Woche bei fast 70 Prozent lag. Wir sind zufrieden, am 4. November sind wir erstmals nach New York geflogen. Das ist wichtig, da die Aufhebung der US-Reisebeschränkungen mit Sicherheit den Verkehr stark ankurbeln wird. Es ist eine der profitabelsten Strecken für jede Airline und wird es auch für uns sein.

Bis dato nutzen Sie aber nur 37 der 52 Flieger in der Flotte…
Das liegt zum Teil noch immer an der Pandemie und zum Teil auch daran, dass wir alle Wartungen durchführen müssen, die die alte Alitalia eingestellt hatte. Ab Ende November werden alle Maschinen zur Verfügung stehen und wir somit auch die Anzahl der Routen erhöhen können. Ab März werden wir auch andere US-Städte anfliegen. Danach kommen São Paulo, Buenos Aires und Tokio.

Vor dem Start wurde viel gestreikt, es gab Ärger mit den Gewerkschaften. Stimmt es, dass die Neuverträge 30 bis 40 Prozent unter dem Niveau von Alitalia liegen?
Als Corona ausbrach, reduzierten alle „Full-Service-Carrier“, also etwa Lufthansa, Air France-KLM und British Airways, die Gehälter ihres reisenden Personals – und zwar prozentual zwischen 40 und 50 Prozent. Ich habe die Gehälter der Piloten und Flugbegleiter an die der europäischen Fluggesellschaften unter Coronabedingungen angepasst. Es ist wahr, die Arbeitskosten haben sich deutlich reduziert, aber das braucht es in der Startphase, die gleichzeitig mit dem Ende von Corona zusammenfällt. Beides wird uns hoffentlich im zweiten Quartal 2023 in die operative Gewinnzone bringen. Erst von diesem Moment an können wir über eine schrittweise Neuausrichtung der Vergütung nachdenken.

Das klingt nach einem sehr ehrgeizigen Plan. Alitalia hat seit 2002 keinen Gewinn mehr gemacht…
Wichtig ist in dieser Phase, die strukturelle Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Alitalia war von allen europäischen Full-Service-Carriern derjenige mit der niedrigsten Produktivität. Wir versuchen, ITA Airways nun auf die Höhe des Wettbewerbs zu bringen.

Weniger Lohnkosten und mehr Produktivität: Das reicht, um wettbewerbsfähig zu sein?
Nein, denn leider verändert der Treibstoffpreis die Kostengeometrie aller Airlines. Der erste Businessplan von ITA Airways wurde vor etwa einem Jahr erstellt. In dieser Zeit stieg der Kraftstoffpreis um fast 60 Prozent. Hätte ich den Eingriff bei den Gehältern nicht vorgenommen, wäre ITA Airways durch die Summe der Treibstoffpreise und der alten Alitalia-Arbeitskosten sicherlich nicht wettbewerbsfähig.

Werden Sie eine Einigung mit den Gewerkschaften finden?
Ich bin zuversichtlich, dass wir uns einigen. Ich habe großen Respekt vor dem konzeptionellen Sprung, den die Gewerkschaften bei ITA Airways machen müssen. Sie waren es nie gewohnt, an eine Firma zu denken, die profitabel sein muss. Alitalia hat in den vergangenen elf Jahren auf operativer Ebene 3,5 Milliarden Euro verloren. Der Eindruck war: Wenn das Unternehmen Geld verliert, ist es egal. In unserem Fall ist das anders. ITA Airways muss Geld verdienen.

Wie viele Mitarbeiter kommen von Alitalia?
Aktuell liegt der Schnitt bei rund 70 Prozent. Bei Piloten und Flugbegleitern ist die Quote etwas höher. Derzeit sind wir 2500 Mitarbeiter, im nächsten Jahr werden wir um weitere 1000 wachsen. 2025 wollen wir dann bei rund 8500 Menschen ankommen – das sind immer noch weniger als bei Alitalia.

„Wir sind eine hübsche Junggesellin, die viele Verehrer hat“

Italien wird seit Jahren von Billigfliegern wie Ryanair und Easyjet dominiert. Wollen Sie diesen verlorenen Markt zurückgewinnen?
Mit ITA Airways haben wir das Geschäftsmodell grundlegend verändert: Wir fliegen nur noch über die beiden Drehkreuze Rom-Fiumicino und Mailand-Linate. Daher ist es nicht möglich, alle Marktanteile zurückzugewinnen. Ich bin aber auch nicht so sehr daran interessiert, Marktanteile zu gewinnen. Mich interessiert die Rentabilität der Strecken, auf denen wir fliegen.

Bei Alitalia fehlte diese Mentalität?
Als ich hier ankam, ließ ich mir die Daten zur Rentabilität der einzelnen Strecken im Jahr 2019 zeigen, also vor Corona. Es waren erschreckende Zahlen. An diesem Geschäftsmodell festzuhalten hätte uns zwar mehr Marktanteile, aber in nur wenigen Monaten wirtschaftlich zum Absturz gebracht.

Braucht ein Land wie Italien denn unbedingt eine nationale Fluggesellschaft?
Ja, aus drei Gründen: Italien ist der zweitgrößte Markt für Personenverkehr in Europa. Die Touristenströme in Italien sind die wichtigsten auf dem Kontinent. Und die italienischen Unternehmen sind berühmt für das „Made in Italy“, das sie in die ganze Welt exportieren.

Sie haben vor einigen Wochen gesagt, dass ITA Airways geschaffen wurde, um bis 2022 Teil einer internationalen Gruppe zu werden. Wie weit sind die Verhandlungen?
Es wäre falsch, eigenständig zu bleiben, weil wir im Vergleich zu den drei großen in Europa tätigen Airline-Gruppen immer zu klein wären. Wir sind eine hübsche Junggesellin, die viele Verehrer hat. Wir werden den besten Partner auswählen, der auch gleichzeitig der reichste ist.

Lufthansa wollte Alitalia schon vor Jahren kaufen. Da die Deutschen bereits alle Corona-Staatshilfen zurückgezahlt haben: Wäre eine Partnerschaft mit Lufthansa nicht auch die Rettung für Alitalia gewesen?
Ich weiß es nicht, Alitalia ist jetzt weg. Ich hoffe aber, dass Lufthansa zu den hübschen und reichen Verehrern gehört, die sich jetzt vielleicht für ITA Airways interessieren.

„Er muss schön und reich sein. Danach sehen wir weiter“

CEO Carsten Spohr hat bereits gesagt, dass er in Italien wachsen will. Gerade der Norden ist ein sehr wichtiger Markt, da ist Lufthansa mit Air Dolomiti schon stark. Haben Sie beide schon gesprochen?
Absolut. Ich habe großen Respekt vor Carsten Spohr. Zum einen, weil er jemand ist, der die Branche unglaublich gut kennt. Pilot zu sein hilft da sehr. Und dann, weil es der Lufthansa in den letzten Jahren gelungen ist, andere kleinere Airlines, ähnlich wie jetzt ITA Airways, mit großem Erfolg zu integrieren. Ich denke da an Swiss oder an Brussels…

…wo auch immer die Identität der Airline geblieben ist.
Exakt. Aus dieser Sicht bewundere ich das Geschäftsmodell der Lufthansa sehr.

Also wäre sie der favorisierte Partner?
Er muss schön und reich sein. Danach sehen wir weiter.

Wer ist noch schön und reich?
Alle großen Fluggesellschaften sind gekommen, um zu fragen, wann der Partnerschaftsprozess eröffnet wird.

Auch aus Nordamerika? Man hört immer wieder vom Interesse, das Delta haben soll…
Nicht nur aus Europa, konkreter werde ich nicht.

Warum haben Sie sich entschieden, in der Skyteam-Allianz zu bleiben, bevor der neue Partner klar ist?
Das ist eine taktische Entscheidung, um unseren Passagieren weiterhin Codesharing-Verbindungen und einen einfachen Zugang zu einem größeren Netzwerk anzubieten. Es handelt sich nur um eine befristete Verpflichtung für ein Jahr.

Wie wird ITA Airways in fünf Jahren aussehen, was ist Ihre Vision?
Es muss ein profitables Unternehmen sein, das gut in ein wichtiges Netzwerk integriert ist und eine starke Präsenz in Italien hat. Vor allem aber muss sie die grünste Airline Europas sein. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, mit Airbus zusammenzuarbeiten, um unsere komplette Flotte mit moderneren Flugzeugen auszustatten. Wir haben A320neo, A330neo und A220 bestellt, dazu vier A350. Ab Anfang nächsten Jahres kommen die ersten Maschinen, in vier Jahren werden wir die heutige Flotte fast verdoppelt haben.

Ob mich der Papst anruft, werden wir sehen“

Das war es mit Boeing und Embraer?
Ja, auch auf diese Weise können wir unsere Kostenstruktur verbessern. Die Wahl eines einzigen Flugzeugbauers ermöglicht uns Synergien bei den Crews, bei der Wartung und den Ersatzteilen. Ein Kapitel der Airbus-Partnerschaft ist zudem der Erforschung künftiger Flugzeuge gewidmet, sowohl was Elektromaschinen für kurze Distanzen anbelangt als auch Experimente mit Wasserstoffantrieb.

Zuvor waren Sie fast 30 Jahre in der Automobilbranche tätig. Was lässt sich auf die Fliegerei übertragen?
Sicherlich die Aufmerksamkeit auf jeden einzelnen Kostentreiber. Wie im Luftverkehr können die Margen sehr gering oder sogar negativ sein, wenn Sie nicht auf die Kosten achten. Die Herausforderung besteht darin, die Liebe zum Wettbewerb, den es im Automobilmarkt gibt, zu übertragen.

Was genau wollen Sie anders machen?
Ich habe entschieden, einen Teil des Gehalts aller Mitarbeiter an die Kundenzufriedenheit zu binden. Bei Alitalia spielte es vor 15 Jahren keine Rolle, ob der Kunde glücklich war oder sauer wie ein Puma. Wer in Italien von A nach B wollte, konnte nur Alitalia nehmen. Heute ist das anders. Kundenorientierung muss zu einer Manie werden. Das ist ein wichtiger Schritt, auch für die Ausbildung der Mitarbeiter. Wir hoffen, dass sich die Kunden an Bord mehr verwöhnt fühlen als bei Ryanair oder Wizzair, wo sie reingejagt werden, um ihre Plätze einzunehmen.

Die Aufmerksamkeit für den Kunden gab es bei Alitalia nicht?
Sie war nicht konstant und sehr an die individuellen Verhaltensweisen der Crew gebunden. Ich möchte diese Logik überwinden und die Kundenzufriedenheit zu einem neuen Element der Unternehmenskultur machen.

Sie haben die Marke Alitalia für 90 Millionen Euro gekauft. Nun besitzen Sie die Rechte an der Website, den Uniformen, selbst am Namen, den Sie nicht mehr verwenden. Aber das lukrative Meilenprogramm wollten Sie nicht?
Wir durften es nicht kaufen, das hatte uns die EU-Kommission verboten. Wir beginnen nun mit einem neuen Treueprogramm namens Volare. Es ist viel nützlicher, interessanter und moderner als das alte Millemiglia-Programm.

Übernehmen Sie auch die Alitalia-Lounges?
Nein, wir werden neue bauen, sehr schöne, aber vor allem sehr italienische. In Mailand-Linate und Rom-Fiumicino, aber auch an Orten auf der ganzen Welt, die wir oft anfliegen, also etwa in New York JFK.

Der Papst flog früher immer mit Alitalia. Wird es auch eine Vereinbarung mit ITA Airways geben?
Ich bin es gewohnt, mit allen zu verhandeln. Ob mich der Papst anruft, werden wir sehen (lacht). Ich hoffe, dass diese Tradition auch mit ITA Airways weitergeführt wird.
Herr Altavilla, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Lufthansa-Chef Carsten Spohr im Interview: „Uns bleibt dreimal so viel Liquidität wie vor der Krise“

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