Jahreszahlen „Größte Herausforderung der Firmengeschichte“: Corona und Schweinepest setzen Tönnies zu

Gute Wachstumschancen sieht das Familienunternehmen aktuell im Biomarkt.
Rheda-Wiedenbrück Die Coronakrise und die Afrikanische Schweinepest haben 2020 sichtbare Spuren in der Bilanz des größten deutschen Schlacht- und Fleischkonzerns Tönnies hinterlassen. Der Jahresumsatz sank um drei Prozent auf gut sieben Milliarden Euro, wie das Familienunternehmen am Donnerstag mitteilte. „Das Corona-Jahr 2020 war für unser Unternehmen und die Beschäftigten die größte Herausforderung der Unternehmensgeschichte“, bilanzierte der geschäftsführende Gesellschafter Clemens Tönnies.
In Deutschland bremste nicht zuletzt der Corona-Ausbruch im Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrück, der zu einer vierwöchigen Schließung der Anlage führte, das Geschäft. Den Corona-Ausbruch habe die Berufsgenossenschaft inzwischen als „Betriebsunfall“ eingestuft.
Aber auch der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland, der zu einem Ausfuhrverbot in Drittländer führte, wirbelte den Markt durcheinander. Der Lockdown in der Gastronomie machte sich ebenfalls bemerkbar.
Dennoch fiel die Bilanz von Clemens Tönnies überwiegend positiv aus. „Unser Unternehmen besteht aus weltweit 29 Produktionsstandorten, wovon 28 ein ordentliches Jahr hatten“, sagte er. Insgesamt verarbeitete Tönnies an seinen deutschen Standorten 16,3 Millionen Schweine, zwei Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl der geschlachteten Rinder sank hierzulande um vier Prozent auf 420.000 Tiere. Der Umsatz sank um drei Prozent auf rund 7,05 Milliarden Euro.
In Deutschland sank der Fleischverzehr pro Person insgesamt 2020 um 750 Gramm auf 57,3 Kilo im Jahr. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen vor zehn Jahren, so das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft.
Tönnies baut deshalb sein Geschäft im Ausland immer weiter aus. In Dänemark, Spanien, Großbritannien und Polen stieg die Zahl der verarbeiteten Tiere um 17 Prozent auf 4,5 Millionen. In Großbritannien sieht sich Tönnies mit mehr als 500 Millionen Euro Umsatz in vielen Segmenten als Marktführer.
Expansion im Ausland und mit Bio- und Vegan-Produkten
In Spanien hat das Unternehmen eine Absichtserklärung zum Bau eines eigenen hochautomatisierten Schlachthofs in der Region Aragon geschlossen. Laut der spanischen Zeitung „Heraldo“ will Tönnies 75 Millionen Euro investieren und bis zu 1000 Arbeitsplätze schaffen.
Das Unternehmen setze seine internationale Wachstumsstrategie konsequent fort, betonte der Unternehmer. Das gelte auch für China. Dort habe vor wenigen Wochen die Grundsteinlegung für ein Joint Venture mit der chinesischen Dekon Group stattgefunden.
Gute Wachstumschancen sieht das Familienunternehmen aktuell im Biomarkt. Dort sieht sich Tönnies bereits heute als Marktführer. Aber auch bei der Produktion von vegetarischen und veganen Fleischersatzprodukten hat die Firma mit Marken wie „es schmeckt“, „Vevia“ oder „Gutfried veggie“ Fuß gefasst. „Wir haben im vergangenen Jahr an unserem Stammsitz in Böklund ein eigenes Werk für vegetarische und vegane Produkte errichtet“, berichtete der Geschäftsführer der zu Tönnies gehörenden Zur Mühlen Gruppe, Maximilian Tönnies.
„Diese Kapazität bauen wir nun weiter aus und verdoppeln die Produktionsfläche, da die Verbrauchernachfrage und das Vertrauen in die Produkte nachhaltig wachsen“, sagte er. Das Unternehmen sehe die Herstellung vegetarischer und veganer Lebensmittel nicht als Konkurrenz zu den klassischen Fleischprodukten, sondern als eigenständiges Marktsegment und hervorragende Ergänzung des Produktportfolios. Bis 2035 wird weltweit jede zehnte Portion Fleisch, Ei oder Milch bis 2035 durch tierfreie Varianten ersetzt, prognostiziert die Beratung BCG.
Zu den Spekulationen um einen möglichen Verkauf oder Teilverkauf des Familienunternehmens äußerte sich Tönnies nicht. Clemens und Sohn Max Tönnies sind seit Jahren mit Clemens’ Neffen Robert Tönnies zerstritten. Beiden Seiten gehört je die Hälfte der Firma. Stattdessen betonte Clemens Tönnies: „Ich freue mich, dass der Generationenübergang in vollem Gange ist.“ Sein Sohn übernehme neben der Leitung der Zur Mühlen Gruppe „mehr und mehr Verantwortung im Gesamtkonzern“.
Mehr: Poker um möglichen Firmenverkauf: Der Tönnies-Familienstreit spitzt sich erneut zu
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.