Jakub Havrlant Dieser tschechische Investor will Rewe, Amazon und Aldi die Kunden abjagen

Der tschechische Investor hat mit seiner Holding Rockaway Capital den deutschen Lebensmittellieferdienst Bringmeister übernommen.
Hamburg, Düsseldorf Der tschechische Investor Jakub Havrlant hat vor Kurzem den Lieferdienst Bringmeister von Edeka übernommen – und der Chef der Private-Equity- und Venture-Capital-Gruppe Rockaway Capital legt die Messlatte hoch: „Beim Wachstum sind wir ein ambitionierterer Eigentümer als Edeka“, sagte er. Für das laufende Jahr rechnet Bringmeister mit einem Jahresumsatz von 100 Millionen Euro, innerhalb von drei bis fünf Jahren soll er auf eine Milliarde Euro anwachsen – auch durch den Gang in weitere Städte.
Rund 24 Jahre gibt es Bringmeister schon, es ist der älteste Lebensmittellieferdienst in Deutschland. Doch Edeka hatte die Expansion zuletzt gestoppt und die Aktivitäten auf Berlin, München und Potsdam beschränkt – auch um die eigene Bilanz nicht zu belasten. Tatsächlich schreibe Bringmeister derzeit operativ keine Verluste, sagte der tschechische Investor. Das wird aber nicht so bleiben, denn er hat ehrgeizige Pläne.
„Bringmeister war bisher sehr zurückhaltend bei Investitionen in Wachstum. Das wird sich ändern. Wir sind bereit, Geld einzusetzen“, kündigte Havrlant im Gespräch mit dem Handelsblatt an.
Damit verschärft sich der Kampf um den Milliardenmarkt mit Lebensmitteln in Deutschland. Neben großen Anbietern wie Rewe und Amazon wollen vor allem Start-ups wie Picnic, Gorillas oder Flink mit Lieferungen bis an die Haustür punkten. Und auch das tschechische Unternehmen Rohlik greift jetzt unter dem Namen Knuspr in München an – und will rasch bundesweit expandieren.
Laut Experten stehen die Chancen für Bringmeister trotz dieser starken Konkurrenz gut – hat doch der E-Commerce in Deutschland erst einen Anteil von unter zwei Prozent am Lebensmittelgeschäft und damit noch viel Luft nach oben. Und der Gesamtmarkt ist mit einem Volumen von 200 Milliarden Euro pro Jahr sehr attraktiv.
Matthias Schu, E-Food-Experte von der Hochschule Luzern und Berater für E-Commerce, prognostiziert: „Generell sehe ich gute Chancen, dass sich Bringmeister mit dem Know-how, der finanziellen Schlagkraft und vor allem dem Expansionswillen von Rockaway Capital ein ansehnliches Stück am deutschen E-Food-Kuchen sichern könnte.“
Gegenüber anderen Neueinsteigern im deutschen Markt habe das Unternehmen dabei zwei wichtige Vorteile: Zum einen sei für Rockaway Capital das Geschäft kein Neuland, sagt Schu, betreibt es doch mit Košík.cz bereits einen erfolgreichen Lieferdienst in Tschechien. Zum anderen sicherte es sich mit Bringmeister ein eigenes Logistiknetzwerk und eine bestehende Kundenbasis in strategisch wichtigen Regionen.
Konkurrent Delivery Hero liefert schneller
Darauf will Rockaway-Chef Havrlant aufbauen und zunächst neue Kunden in den bestehenden Städten gewinnen. Mit einem schnelleren und bequemeren Service sieht er hier die Chance auf zweistellige Wachstumsraten. Zudem will er ein eigenes Treueprogramm auflegen.
Größter Treiber des Wachstums jedoch soll die Expansion in weitere Städte werden. Im kommenden Jahr schon sollen zwei weitere Standorte hinzukommen. Welche, sei noch nicht entschieden, sagte Havrlant. Das hänge auch davon ab, wo das Unternehmen schnell geeignete Lagerimmobilien findet.
Künftig sollen die Kunden verlässlich innerhalb von drei Stunden beliefert werden. Damit bleibt Bringmeister langsamer als die neuen superschnellen Anbieter wie Flink und Gorillas sowie der neue, von Delivery Hero angekündigte Berliner Schnelllieferdienst Foodpanda. Aber Havrlant hat für die längere Lieferzeit Argumente: Er will mit rund 20.000 Artikeln ein breiteres Sortiment anbieten – und zielt so weniger auf den Spontaneinkauf als auf große Familieneinkäufe mit ihren größeren Warenkörben.
Im Kern sei Bringmeister mit seinem Sortiment und seiner Preispositionierung darauf schon gut eingestellt. „Bringmeister hat bereits unter Edeka-Ägide einen guten Job gemacht“, sagte Havrlant.
Deswegen bleibt Edeka mit einem Fuß in dem Geschäft – und wird so zum starken Partner in der Expansion. Der deutsche Lebensmittelmarktführer beliefert Bringmeister weiterhin mit dem Kernsortiment und mit Eigenmarken. Ergänzen will Havrlant das Sortiment durch regionale und Bio-Produkte.
Diese Rolle als exklusiver Großhändler nimmt Edeka auch beim Start-up Picnic ein. Der große Unterschied: An Picnic ist Edeka sogar beteiligt. Eine Rückkehr der Supermarktkette als Miteigentümer bei Bringmeister dagegen schließt Havrlant aus.
Die Strategie von Rockaway Capital ähnelt stark derjenigen des ebenfalls tschechischen Rivalen Rohlik. Der Anbieter will im Sommer unter der Marke Knuspr in München starten. Für Havrlant ist es kein Zufall, dass gleich zwei Anbieter aus Prag nach Deutschland drängen: Der E-Commerce sei in seinem Heimatland bereits gut ausgebaut – und Deutschland der größte Nachbarmarkt.
Übernahmen von fluege.de und ab-in-den-urlaub
Künftig will Havrlant mit seinen Lebensmittel-Lieferdiensten in weitere Länder gehen. Allerdings sei in Westeuropa Deutschland „zurzeit der wichtigste und einzige Fokus“. In Mittel- und Osteuropa ist das anders. „Wir expandieren dort weiter und planen, in zahlreiche neue Märkte zu gehen“, sagte der 37-jährige Investor.
Havrlant ist nicht fokussiert auf Lebensmittellieferdienste. Er hat in Osteuropa bereits mit mehreren Geschäftsmodellen – unter anderem einem eigenen Same-Day-Logistiker und im Reisesektor – Erfahrung gesammelt. In Deutschland hat seine Holding bereits 2016 die Portale fluege.de und ab-in-den-urlaub von Unister übernommen. Weitere Investments in der Bundesrepublik seien denkbar.
Havrlant hat Rockaway 2013 gegründet und ist der Inhaber der Holding. Zuvor war er CEO der E-Commerce-Gruppe Allegro und hat durch die Gründung und den Verkauf von mehreren Start-ups das Kapital für seine eigenen Investments aufgebaut. Die Unternehmen, die zu Rockaway gehören, machten 2019 einen Umsatz von insgesamt 2,5 Milliarden Euro.
Die große Konkurrenz auf dem deutschen Lebensmittelmarkt fürchte er nicht, sagte Havrlant. Die vielen neuen Lieferdienste müssten sich ihre Kunden nicht gegenseitig abjagen, sondern diejenigen Kunden überzeugen, die bislang noch selbst in den Supermarkt gehen. „Wir sind an dem Punkt, an dem andere E-Commerce-Branchen bereits vor 20 Jahren waren“, analysierte er.
Die Pandemie habe den konservativen deutschen Lebensmittelmarkt aufgebrochen. Nun seien deutlich mehr Menschen bereit, Lebensmittelbestellungen im Netz eine Chance zu geben. Bringmeister sei trotz der geringen Investitionen in der Pandemiezeit bereits zweistellig gewachsen.
Edeka habe sich mit dem Verkauf von Bringmeister nicht wirklich einen Gefallen getan, vermutet Experte Schu. Bisher sei Bringmeister eher ein ungeliebtes Stiefkind gewesen, das man an der kurzen Leine gehalten hat, um die Querelen mit den eigenen Kaufleuten gering zu halten. „Doch gerade die stationären Händler, in deren Einzugsgebiet Bringmeister neu vordringen wird, werden jetzt die gesteigerte Onlinekonkurrenz um den Wocheneinkauf zu spüren bekommen“, ist er überzeugt.
Und Rockaway habe ausreichend Kraft, um das Geschäft voranzutreiben, versichert Havrlant. Seine Holding sei anders als andere Financiers in dem Bereich kein Risikokapitalfonds und habe deshalb keine Scheu davor, sich langfristig zu engagieren. Zugleich habe Rockaway über Anleihen Zugang zum Kapitalmarkt.
In Tschechien soll künftig auch das Lebensmittelgeschäft zur Finanzkraft beitragen: Havrlant hofft, dass es 2021 profitabel wird.
Mehr: Rewe, Gorillas, Knuspr, Frischepost: Mit diesen Konzepten wetteifern Unternehmer um den E-Food-Markt
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