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Kaffeekette wird umgebaut Tchibos zweite Jugend

Tchibo-Eigner Michael Herz hat eine Mission: Er will die Kaffeekette verjüngen und wieder zu Wachstum führen. Öko-Mode, Kaffeekapseln und ein neuer Chef sollen helfen. Erste Akzente sind in den Filialen bereits zu sehen.
11.05.2017 - 06:26 Uhr Kommentieren
Eigner Michael Herz will die angeschlagene Kaffeekette mit einer neuen Strategie verjüngen. Quelle: dpa
Kaffee bei Tchibo

Eigner Michael Herz will die angeschlagene Kaffeekette mit einer neuen Strategie verjüngen.

(Foto: dpa)

Hamburg Zu Beginn der Modenschau läuft ein Film im Altonaer Kreuzfahrtterminal: Kaffeefarmer in Guatemala, Bauwollfelder in Indien, eine Näherei in Äthiopien flimmern über die Leinwand, dann der Schriftzug „Kommen Sie mit uns auf den Weg zu 100 Prozent Nachhaltigkeit.“ Anschließend stolzieren Models in schlichter Kleidung über einen grünen Teppich. Zum Schluss knipst die Sängerin Nena mit Fans Selfies zwischen künstlichen Baumwollpflanzen.

Bei der Modenschau „Green Carpet“ vor wenigen Wochen zeigte der neue Tchibo-Chef Thomas Linemayr auf dem improvisierten Catwalk, wie er Tchibo sehen will: innovativ, nachhaltig, jung. Doch die nach dem Krieg in Hamburg gegründete Kaffeerösterei mit angeschlossenem Aktionswaren-Verkauf stand in den vergangenen Jahren eher für: Stagnation, Krise, Vergangenheit. Nach dem rasanten Wachstum vergangener Jahrzehnte, in denen der verstorbene Gründer Max Herz aus einem kleinen Kaffeeversender eine bundesweite Kette formte, bremsten neue Wettbewerber das Erfolgsmodell.

Für die Kunden in den Fußgängerzonen funkelt das Versprechen „Jede Woche eine neue Welt“ nicht mehr – Aktionsangebote gibt es inzwischen an jeder Ecke. Die Folge: 2015 sank dem Umsatz weiter – von 3,38 auf 3,36 Milliarden Euro, der operative Gewinn brach von 191 Millionen auf 34 Millionen Euro regelrecht ein. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.

Gründersohn und Eigner Michael Herz hat mit seinen 73 Jahren eine Mission: Er will Tchibo wieder zu Wachstum bringen und für die nächste Generation sichern. Dafür hat er Linemayr vom erfolgsverwöhnten Chocolatier Lindt geholt, einen Österreicher mit internationalem Lebenslauf, der die Schoko-Marke in den USA aufgebaut hat und als ehemaliger Leistungssportler gern in Ruder-Metaphern spricht. Die Personalie zum Jahreswechsel zeigte: Herz drängt nach vorne. Stärker als die Inflation soll Tchibo wachsen, irgendwo um drei Prozent, lautet die vorsichtige interne Marschrichtung. Die Grundlage dafür musste noch Linemayrs Vorgänger Markus Conrad legen – mit einem 50-Millionen-Euro-Streichprogramm samt moderatem Jobabbau. Die Rede war von bis zu 350 der 2.000 Jobs in der Zentrale. Zuvor hatte Tchibo bereits etliche Filialen geschlossen – von einst 1.000 sind noch rund 700 übrig. Conrad ist seit Jahresbeginn im Aufsichtsrat der Holding, Linemayr darf sich nun dem Wachstum widmen.

Milliarden in der Hinterhand. Quelle: dpa - picture alliance
Tchibo-Eigner Herz

Milliarden in der Hinterhand.

(Foto: dpa - picture alliance)

Wer sich dieser Tage aufmerksam in den Filialen umschaut, sieht bereits erste Akzente – abgesehen von der nachhaltigen Mode. Neben den wöchentlich wechselnden Aktionsangeboten stehen nun auch feste Produkte im Regal. „Wir planen ein verlässliches Lieblingssortiment zusätzlich zu den wöchentlich wechselnden Angeboten“, bestätigte Linemayr am Rande einer Veranstaltung. Damit geht er ein Problem an, das Experten schon länger sehen. Was in den 1980er-Jahren die Kunden jede Woche neu überrascht hat, trifft inzwischen auf ein übersättigtes Publikum. Dank großer B2B-Plattformen wie Alibaba können heute selbst Start-ups einfach Ware in China bestellen und in Deutschland verramschen – von professionellen Anbietern wie Möbelhäusern, Aldi und Online-Händlern wie Westwing ganz zu schweigen.

„Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis reicht heutzutage zur Differenzierung von den Discountern nicht mehr aus. Tchibo braucht eine starke Markenpositionierung“, sagt Kai Hudetz, Chef des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH). Das neue Konzept soll den Kunden feste Anlaufpunkte bieten: Bestimmte Haushaltswaren und Textilien, die oft nachgefragt werden – etwa Unterwäsche – sind dann ständig vorhanden. Zudem will Tchibo die Vorteile seiner langen Erfahrung und der üppigen Zentrale in der Hamburger Bürostadt City Nord ausnutzen. Denn in dem 1970er-Jahre-Bau gibt es nicht nur Kegelbahn, Partyraum und Sporthalle für die Mitarbeiter, sondern auch Produktlabore. Hier testen Fachleute die Qualität und Sicherheit der Artikel – ein Plus gegenüber vielen Billigheimern. Bei den Produkten, die neu ins Regal kommen, will Tchibo noch stärker auf Qualität achten. Dafür arbeitet Tchibo auch an der Präsentation: Neue Konzepte für die Tchibo-Regale in Supermärkten soll Milliardär Herz persönlich mitentwickelt haben.

Wie Tchibo Nespresso Konkurrenz machen will

Doch reicht das aus? „Ich habe mich in die Marke Tchibo verliebt. Sie weckt Kindheitserinnerungen: Schon meine Mutter ist in Österreich zu Eduscho gegangen, das später von Tchibo übernommen wurde“, berichtete Linemayr. Doch die Geschichte kann zur Hypothek werden – wenn Tchibo mehr für die Vergangenheit steht als für die Zukunft. „Die große Frage ist: Wie sexy ist Tchibo überhaupt noch im Zalando-Zeitalter?“, sagt Handelsexperte Hudetz. Tchibo sei bei jungen Zielgruppen noch nicht als frische Marke positioniert. Auch Linemayr sieht Nachholbedarf beim Marketing: „Wir müssen die Marke Tchibo in starke Bilder übersetzen.“ Ein Paradebeispiel sei der rührende Chocolatier in der Lindt-Werbung. Bei Tchibo ist es aber wohl eher Nena im nachhaltigen Baumwollfeld.

In einem anderen Feld bemüht sich Tchibo ebenfalls mit Prominenz um Verjüngung des Gründungsprodukts Kaffee. Der Schauspieler Christian Ulmen gab vor gut einem Jahr in einem Laden in Berlin-Mitte das Startsignal für das Kaffeekapsel-System QBO. Mit der millionenschweren Eigenentwicklung will Tchibo einen eigenständigen Nespresso-Konkurrenten schaffen. Wie das hochprofitable Vorbild sollen eigene Läden Höchstpreise für den Kaffee sichern. Mit Marketing-Gags wie dem kürzlich mit viel Werbe-Tamtam eingeführten Filterkaffee „Black & White“, zu trinken ohne oder mit Milch, sind große Sprünge nämlich nicht mehr möglich.

Bislang kommt das ambitionierte Kapsel-System aber kaum in Schwung: Ulmens Aktions-Laden in Berlin hat bereits wieder geschlossen. In Deutschland gibt es das System nun nur noch in einem verbliebenen Berliner Laden und in den Nobelkaufhäusern Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München. Linemayr macht stattdessen seine österreichische Heimat zum Testmarkt: In sieben Tchibo-Filialen steht nun eine QBO-Ecke, dazu existieren drei eigenständige Läden in Wien, Linz und Salzburg. Die Kapseln gibt es inzwischen nicht nur im eigenen Online-Store, sondern auch bei Amazon.

Allerdings: Tchibo kommt spät mit seinen Kapseln – Nespresso ist nach dem Auslaufen der Patente zu einer Art Industriestandard geworden, den etliche Marken bedienen. Um die Investitionen in das System wieder hereinzubekommen, bräuchte QBO wohl nicht nur mehr kompatible Maschinenmodelle, sondern womöglich einen Partner auf globaler Ebene. Ähnlich geht der deutsche Mittelständler Krüger vor: Die Bergisch-Gladbacher haben Starbucks als globalen Kunden für ihr selbstentwickeltes Kapselsystem K-Fee, zudem regionale Partner wie Aldi Süd in Australien oder die kroatische Kaffeemarke Franck.

Tchibo wird zunächst aus eigener Kraft globaler. Neue Online-Shops etwa in Dänemark laufen, auch nach China will Tchibo online verkaufen. Darüber hinaus liege in der Verknüpfung der Läden mit dem Internet großes Potenzial für den Kaffeeröster, sagt Experte Hudetz.

Linemayr hat für die Ausrichtung sein eigenes Bild gefunden. „Beim Rudern lernt man Vertrauen, weil man niemals in Fahrtrichtung schaut“, sagte er. „Rudern erfordert zugleich Kraft und Ausdauer.“ Mit der milliardenschweren Maxingvest-Holding von Michael Herz im Rücken hat Tchibo wohl beides.

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