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Kartellrechtler Marc Besen „Geheimgespräche sind seit jeher problematisch“

Ein Gericht hat die Ministererlaubnis für die Übernahme von Kaiser's Tengelmann als ungültig erklärt. Der Kartellrechtler Marc Besen erklärt, was schief gelaufen ist und ob die Fusion damit vom Tisch ist.
12.07.2016 - 17:07 Uhr Kommentieren
„Elementare Verfahrensgrundsätze sind einzuhalten.“ Quelle: PR
Kartellrechtler Marc Besen

„Elementare Verfahrensgrundsätze sind einzuhalten.“

(Foto: PR)

Der Partner der Kanzlei Clifford Chance ist spezialisiert auf europäisches und deutsches Wettbewerbsrecht, insbesondere im Zusammenhang mit Käufen von Unternehmen.

Herr Besen, nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf hätte Wirtschaftsminister Gabriel nicht über die Ministererlaubnis für die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka entscheiden dürfen. Sein Verhalten habe den Anschein der Befangenheit und fehlenden Neutralität erweckt, heißt es. Ist damit die Ministererlaubnis nicht ad absurdum geführt?
Ob es das Instrument der Ministererlaubnis geben sollte, ist eine rechtspolitische Frage, die der Gesetzgeber bis jetzt bejaht hat. Dem Bundeswirtschaftsminister wird für seine Entscheidung ein gewisser Beurteilungsspielraum zugebilligt. Elementare Verfahrensgrundsätze sind aber auch hier einzuhalten. Das gilt erst recht, wenn die Interessen Dritter betroffen sein können. Nach Ansicht des Kartellsenats wurden deren Verfahrensrechte nicht ausreichend gewahrt. Das Instrument als solches ist dadurch aber nicht infrage gestellt.

Wie müsste ein Minister denn handeln, um juristisch nicht als befangen zu gelten?
Der Beschluss macht eine Ministererlaubnis als solche nicht unmöglich. Der Kartellsenat beruft sich auf den Grundsatz, dass der Minister nicht zuletzt für eine Transparenz in einer Art und Weise sorgen muss, die es Dritten ermöglicht, ihren Standpunkt vorzutragen, sich also in ausreichendem Maße rechtliches Gehör zu verschaffen. Dies ist nichts Neues.

Gab es in der Vergangenheit schon einmal Fälle, die mit dem Übernahmeversuch von Edeka vergleichbar sind?
Das Thema „inkorrekte Verfahrensdurchführung“ wurde auch in Sachen Eon/Ruhrgas erörtert. „Geheimgespräche“ werden seit jeher als problematisch eingestuft.

Deals, die zum Fall für den Wirtschaftsminister wurden
Genehmigung: Veba/Gelsenberg, 1974
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Die erste jemals erteilte Ministererlaubnis nach Einführung der Fusionskontrolle betraf den Energiesektor: Die Veba AG, 1929 als Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks AG gegründet, wollte den Mineralölbereich der Gelsenberg AG übernehmen. Das Bundeskartellamt untersagte den Zusammenschluss der Konzerne, doch der Wirtschaftsminister gab ihn am 1. Februar 1974 mit einer Ausnahmeerlaubnis frei.

Die Ministererlaubnis wurde in der Geschichte der Bundesrepublik bisher erst acht Mal Realität.

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

(Foto: ap)
Genehmigung: Babcock/Artos, 1976
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Die Erlaubnis kann nur der Bundeswirtschaftsminister erteilen. Voraussetzung dafür ist nach Paragraf 24 des Kartellgesetzes, dass „die gesamtwirtschaftlichen Vorteile“ die Wettbewerbsbeschränkungen aufwiegen oder der Zusammenschluss durch ein „überragendes Interesse der Allgemeinheit“ gerechtfertigt ist.

Doch schon bei der dritten Entscheidung schätze der Wirtschaftsminister die Lage offenbar falsch ein: Hans Friederichs gab 1976 dem Babcock-Konzern (später Babcock Borsig) die Erlaubnis zur Übernahme des Maschinenbauers Artos. Friderichs entschied damals entgegen der Warnungen des Bundeskartellamtes und auch der Monopolkommission. Friederich gab den „Erhalt von Arbeitsplätzen in strukturschwachen Regionen“ als Grund für seine Sondererlaubnis an. Doch kaum ein Jahr später kündigte Babcock-Artos Hunderten von Mitarbeitern.

(Foto: ap)
Genehmigung: Thyssen/Hüller, 1977
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Nicht nur der Erhalt von Arbeitsplätzen kann als Begründung für eine Ministererlaubnis herhalten. Auch wenn es um die Sicherung von technologischem Know-how geht, kann Berlin das Kartellamt überstimmen. Das war im Fall von Thyssen/Hüller im Jahr 1977 der Fall. Der Bundeswirtschaftsminister bejahte das Allgemeininteresse an der Erhaltung der konkursgefährdeten Hüller Hille GmbH und erteilte eine Teilerlaubnis. Thyssen durfte das Unternehmen übernehmen.

(Foto: Reuters)
Genehmigung: Veba/BP, 1979
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Der Eon-Vorgängerkonzern Veba bekam 1974 die erste Ministererlaubnis zur Übernahme von Gelsenberg. Doch nur fünf Jahre später war vom „überragenden Interesse der Allgemeinheit“ an diesem Deal offenbar nicht mehr viel übrig: Die Veba reichte die Gelsenberg-Beteiligung 1979 an BP weiter. Mit Billigung des Wirtschaftsministers, aber unter Auflagen.

(Foto: ap)
Genehmigung: IBH/Wibau, 1981
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1981 war der Wirtschaftsminister erneut gefragt, als die IBH-Gruppe des windigen Firmenjongleurs Horst-Dieter Esch (im Bild) den Betonpumpen-Hersteller Wibau übernehmen wollte. Die Entscheidung endete in einem Fiasko. Otto Graf Lambsdorf überstimmte die Bedenken des Kartellamtes per Ministererlaubnis. Der FDP-Politiker sah in der internationalen Konkurrenzfähigkeit des Esch-Konzerns einen „gesamtwirtschaftlichen Vorteil“, der „im überragenden Interesse der Allgemeinheit“ liege. Doch siehe da: Keine zwei Jahre später war die IBH-Wibau-Gruppe pleite und Esch wurde wegen Untreue und aktienrechtlicher Verstöße verurteilt. Er saß dreieinhalb Jahre ab. Wibau-Chef Spicka wurde gar wegen Betrugs und Bilanzfälschung zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

(Foto: picture-alliance / dpa)
Genehmigung: Daimler-Benz/MBB, 1989
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1989 gelang es Daimler, die Fusion mit dem Luft- und Raumfahrtkonzern Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) durchzusetzen. FDP-Wirtschaftsminister Helmut Haussmann verband die Genehmigung aber mit großen Auflagen. Das sorgte für Unmut bei der Opposition: SPD-Vertreter drohten, gegen die Entscheidung vor Gericht zu ziehen.

(Foto: dapd)
Genehmigung: Eon/Ruhrgas, 2002
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Eon pokerte hoch – und gewann: Nach monatelangem Verhandlungen einigte sich der Energiekonzern 2002 außergerichtlich mit allen Gegnern der Fusion mit Ruhrgas. Der Wirtschaftsminister genehmigte mit Auflagen. Das Bundeskartellamt und die Monopolkommission hatten die Fusion zwar abgelehnt - sie hielten die Gefahr für den freien Wettbewerb für zu hoch -, doch Experten befürworteten den Deal. Eon als auch Ruhrgas würden international gestärkt, hieß es. Zehn Jahre nach der Übernahme war der Name Ruhrgas verschwunden.

(Foto: dpa)

Ist mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts die Fusion endgültig vom Tisch?
Aus rein formaljuristischer Sicht bedeutet dieser im Eilverfahren ergangene Beschluss nicht sofort das Ende des Zusammenschlussvorhabens. Die Parteien haben einerseits die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Andererseits muss das Oberlandesgericht Düsseldorf ja noch in der Hauptsache, das heißt im eigentlichen Beschwerdefahren, entscheiden, womit in den kommenden Monaten zu rechnen ist.

Die Richter argumentieren auch, dass sie in dem Erhalt von 16 000 Arbeitsplätzen keinen Beitrag zum Gemeinwohl sehen. Was liegt denn dann im Interesse aller?
Das Gericht sieht lediglich in dem Erhalt der sogenannten kollektiven Arbeitnehmerrechte, also zum Beispiel den Tarifverträgen, keinen Gemeinwohlbelang. Demgegenüber erkennt es diesen hinsichtlich der Arbeitsplatz- und Beschäftigungssicherung ausdrücklich an. Die diesbezügliche Bewertung sei jedoch fehlerhaft erfolgt. Außerdem seien die verfügten Nebenbestimmungen nicht geeignet, die hohe Zahl an Arbeitsplätzen zu sichern.

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