Klimaschutz Aldi, Otto, Douglas: Einzelhändler unterstützen schärferes Klimaziel der Bundesregierung

Zahlreiche wichtige Handelsunternehmen haben gemeinsam mit dem HDE ein Papier mit einheitlichen Handlungsprinzipien für nachhaltiges Wirtschaften unterzeichnet.
Düsseldorf Als die Bundesregierung jüngst verkündete, dass sie ihre Klimaziele verschärfen und bis zum Jahr 2030 nun viel mehr Treibhausgasemissionen einsparen will, ging ein Aufschrei durch die Wirtschaft. Viele Unternehmen beschwerten sich über mangelnde Planungssicherheit und forderten Finanzhilfen für die Umstellung.
Doch nun bekommt die Politik überraschend deutliche Unterstützung: Zahlreiche wichtige Handelsunternehmen haben gemeinsam mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) ein Papier mit einheitlichen Handlungsprinzipien für nachhaltiges Wirtschaften unterzeichnet. Darin bekennen sie sich ohne Einschränkung zu den politisch vorgegebenen Klimazielen.
„Wir setzen uns ehrgeizige Ziele für effizienten Klima- und Ressourcenschutz“, heißt es in dem Papier, das dem Handelsblatt vorliegt. „Wir unterstützen das Klimaziel für 2030 der Bundesregierung und bekennen uns zum europäischen Ziel einer EU-weiten Klimaneutralität bis 2050.“ Unterzeichner sind die 19 Vorstandsmitglieder des HDE, darunter die Chefs großer Handelskonzerne wie Aldi, Schwarz, Rewe, Edeka, Otto, Douglas, der Saturn- und Media-Markt-Mutter Ceconomy oder Galeria Karstadt Kaufhof.
Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, bis 2030 den CO2-Ausstoß gegenüber dem Niveau von 1990 um 65 Prozent zu senken. Bislang waren 55 Prozent vorgesehen. Klimaneutralität wird nun bis 2045 angestrebt.
Die neuen Handlungsprinzipien seien die Basis für einen Neustart nach der Krise und für eine Zukunft, in der Klimaneutralität, geschlossene Kreisläufe und langfristiges Wirtschaften die Zielgrößen sind, erklärte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser. Die Unternehmen bekennen sich in den Leitlinien nicht nur zum Klimaschutz, sondern beispielsweise auch zu menschenrechtlicher Verantwortung entlang der Lieferkette, Fairness gegenüber den Mitarbeitern und zu einer diversen Gesellschaft.
Otto Group will sogar bis 2030 klimaneutral sein
Otto-Chef Alexander Birken machte deutlich, dass es sich dabei nicht nur um Lippenbekenntnisse handele. „Im Kern geht es darum, dass wir als Handelsunternehmen zu unserer herausgehobenen Verantwortung zwischen Produzenten und Konsumenten stehen“, sagte er dem Handelsblatt. „Wer, wenn nicht wir, kann sich für Mensch und Natur wirkungsvoll engagieren?“, fragte er und mahnte, Handelsunternehmen dürften „ihre Werte nicht an der Garderobe der globalen und digitalen Märkte abgeben“.
Otto hat sich ohnehin schon schärfere Klimaziele verordnet. So will der Versandhändler bereits bis zum Jahr 2030 konzernweit klimaneutral sein. Dazu kommen viele Einzelziele, wie beispielsweise die komplette Umstellung auf nachhaltige Verpackungen innerhalb der kommenden zwei Jahre.
Auch Ceconomy-Chef Bernhard Düttmann betonte, sein Unternehmen wolle „beim Thema Nachhaltigkeit Maßstäbe setzen“. Der Elektronikhändler, zu dem die Ketten Media Markt und Saturn gehören, habe sich konkrete Ziele gesetzt zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen, der Sicherstellung von Arbeits- und Menschenrechten in der Lieferkette und für eine möglichst diverse, vielfältige Belegschaft.
Der Einzelhandel sei ein wesentliches Bindeglied zwischen Wirtschaft und Verbraucher, sagte Düttmann dem Handelsblatt. „Diese Verantwortung nehmen wir wahr, indem wir in unserem Sortiment von Media Markt und Saturn die Anzahl nachhaltiger Produkte bis Ende 2023 verdoppeln werden und die Kunden entsprechend beraten“, kündigte er an.
Nachhaltigkeit auf Kundenwunsch
Das Engagement der Handelsunternehmen ist nicht ohne Eigennutz. Denn es zeigt sich immer stärker, dass die Kunden sich bei ihren Kaufentscheidungen auch von Kriterien wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz leiten lassen.
„Unternehmen, die da nicht mitziehen, haben langfristig keine guten Karten“, gibt Otto-Chef Birken offen zu. Nicht erst seit den Protesten von „Fridays for Future“ werde verantwortungsvolles Handeln zu einer „License to operate“ für Unternehmen.
Zahlreiche Studien haben diesen Zusammenhang in jüngster Zeit bestätigt. So ergab eine aktuelle Umfrage des Beratungsunternehmens PwC, dass sich 47 Prozent der Befragten beim Einkauf bewusst für Unternehmen entscheiden, die sich für den Umweltschutz einsetzen. 44 Prozent achten beim Einkauf darauf, dass die Produkte umweltfreundlich sind.
Das kann sich für die Unternehmen auch finanziell lohnen, denn Nachhaltigkeit wollen sich viele Konsumenten etwas kosten lassen. Jeder vierte ist bereit, für ethische Praktiken und die nachhaltige Produktion von Lebensmitteln, Mode und Konsumgütern einen höheren Preis zu zahlen.
Jeder zehnte Galaxus-Kunde kompensiert Klimafolgen
Das zeigt sich im Ansatz auch schon in der Praxis. So bietet der größte Schweizer Onlinehändler Digitec Galaxus seinen Kunden seit einem Jahr die Möglichkeit, mit einer freiwilligen Zusatzzahlung eine vollständige Klimakompensation des gekauften Produkts über die gesamte Wertschöpfungskette vorzunehmen. Dazu wird für jedes Produkt individuell errechnet, wie hoch die CO2-Belastung durch Produktion und Transport ist.
Eine erste Bilanz zeigt: Im Schnitt nutzen rund zehn Prozent der Kunden dieses Angebot. Dadurch sind in einem Jahr 1,3 Millionen Euro zusammengekommen, mit denen Klimaprojekte des Partners South Pole finanziert wurden, durch die der CO2-Ausstoß um 60.000 Tonnen reduziert werden konnte. „Das zeigt uns, dass die unkomplizierte und transparente Kompensationsmöglichkeit einem Kundenbedürfnis entspricht“, sagt Oliver Herren, CIO von Digitec Galaxus.
Deutliche Unterschiede im Klimabewusstsein der Galaxus-Kunden zeigten sich jedoch bei den Produktkategorien. So kompensierten fast 20 Prozent der Käufer von Tierbedarf den CO2-Ausstoß, jedoch nicht mal sechs Prozent der Käufer von Fahrzeugteilen.
Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach im Auftrag von Nestlé sind die Erwartungen an den Handel, mehr für den Klimaschutz zu tun, eindeutig: 47 Prozent der Befragten sehen den Handel dabei in der Pflicht, 52 Prozent gaben an, die Verbraucher selbst seien im Kampf für den Klimaschutz gefordert.
50 Prozent fordern von der Politik weiter gehende Maßnahmen. So wünschen sich beispielsweise drei Viertel der Befragten zur besseren Orientierung ein Klimalabel auf der Verpackung von Lebensmitteln.
Handel will Anreize der Politik
Auch der Handel sieht sein Bekenntnis zur Nachhaltigkeit als Aufforderung an die Politik. „Nach den Diskussionen über die Klimaschutzziele der vergangenen Tage und Wochen ist es nun Zeit, Zielvorstellungen mit Leben zu füllen“, fordert Michael Radau, Vorstandschef der Handelskette Superbiomarkt.
Dazu bedürfe es dringend einer auf den Klimaschutz ausgerichteten, verlässlichen Politik, die nun in der nächsten Legislaturperiode so schnell als möglich angegangen werden müsse. „Der Einzelhandel steht bereit, seinen Beitrag zu leisten“, sagt Radau, der auch Präsident des Handelsverbands NRW ist.
Und Otto-Chef Birken hat schon ganz konkrete Wünsche an die Politik. „Damit der Klimaschutz von möglichst vielen Unternehmen erfolgreich vorangetrieben werden kann, sollte er auch für den Handel mit entsprechenden Anreizen versehen werden“, sagte er. „Dazu gehören zum Beispiel der Ausbau der CO2-Bepreisung als Leitinstrument und die Abschaffung der EEG-Umlage.“
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