Knauer Group Marktführer für Plastikbecher wird verkauft
Dettingen Der Slogan der Knauer Group – „Wir leben Becher“ – deutet Herzblut an. In der Produktion in Dettingen kann man mit bloßem Auge den Tiefzieh- und Spritzgussverfahren kaum folgen. Blitzschnell stanzt der Tiefdruckstempel aus einer Kunststofffolie Dutzende Plastikbecher. Die nächste Anlage bedruckt nicht weniger schnell Joghurtbecher für Discounter. Mit einem neuen Verfahren erhalten gelbe Landliebe-Becher Brillanz: „Sahne-Pudding Vanille“. Macht Appetit, doch die Becher werden erst beim Kunden befüllt. Bei der aufwendigsten Technik stülpt die Maschine mit einem Hitzeverfahren Schlauchfolien über die Behältnisse. Drei Milliarden Becher fertigt der Mittelständler aus dem Ermstal bei Reutlingen mit 400 Beschäftigten. „Wir sind mit 30 Prozent Marktführer bei Bechern für Molkereiprodukte“, sagt Haupteigner Andreas Doster, 48, stolz. Nur der Molkereigigant Müller, der seine Becher selbst fertigt, kommt auf ähnliche Mengen.
Aber dann ist es mit dem Stolz schon vorbei. Egal, ob die Kundenmarken Landliebe oder Ehrmann heißen oder Mondelice, es geht immer um extrem hohe Stückzahlen. Und wenn ein Discounterjoghurt im Geschäft 19 Cent kostet, geht es beim Plastikbecher um Zehntelcent. Die Margen sind klein. In einer solchen Lieferkette kann sich niemand Fehler erlauben. Und Knauer hat sich einige davon geleistet. „Die waren doch schon zweimal pleite“, sagt ein benachbarter Unternehmer flapsig.
Es ist die Geschichte einer misslungenen Diversifizierung. Lange Jahre sah alles gut aus. Alfred Knauer gründete 1968, fast auf den Tag genau vor 50 Jahren, gemeinsam mit seinen Söhnen Karlheinz und Dietmar die Uniplast Knauer GmbH & Co. KG. Mit Spritzguss wurde das Unternehmen in den siebziger Jahren groß, dann die Spezialisierung in den achtziger Jahren auf Molkereiprodukte. Technologisch immer mit an der Spitze beim Siegeszug der Plastikbecher. Das Unternehmen expandiert, kauft sogar andere Firmen. Doch Karlheinz Knauer, inzwischen alleiniger Chef, verschätzt sich bei einer Expansion. Er will mit der von ihm neu gegründeten Firma Uniprint Aluminiumdeckel selbst herstellen. Eigentlich logisch: Wer Becher macht, kann auch gleich die Deckel liefern.
Die Synergien mit dem Kerngeschäft treten aber nie ein. Anders als erwartet kaufen die Becher-Kunden nicht automatisch die Aluminiumdeckel mit. Knauer verbrennt beim Aufbau des zweiten Standbeins Millionen, bis Uniprint im Herbst 2015 insolvent wird. Knauer muss schrumpfen. Nur mit dem Verkauf von Grundstücken und allen nicht betriebsnotwendigen Teilen können die Banken besänftigt und kann das Kerngeschäft gerettet werden. Vor drei Jahren wurde der Produktionsexperte Christoph Riess auf Drängen der Banken als Sanierer verpflichtet.
Denn auch das Kerngeschäft lief schlecht. Seniorchef Karlheinz Knauer musste sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Erst im Herbst 2017 schied er endgültig aus. Seit Jahresbeginn hält sein Schwiegersohn Andreas Doster mit seiner Frau etwas mehr als 50 Prozent der Anteile. Nur noch 15 Prozent hält der Patriarch, zehn Prozent gehören noch seiner zweiten Tochter. Doster arbeitet seit 23 Jahren bei Knauer. Vor 18 Jahren heiratete er die Tochter von Karlheinz Knauer. Seine Stärken liegen nicht in der Produktion. Deshalb brauchte es einen Spezialisten wie Riess.
Es war nicht einfach, den Mittelständler auf Kurs zu bringen. „Eigentlich ist das ein Markt mit stabilen Mengen und Preisen. Aber wegen der Verderblichkeit der Waren verzeiht der Kunde absolut keine Lieferengpässe“, sagt Riess. Und Knauer hatte erhebliche Probleme mit Lieferfähigkeit und Qualität. Es gab immer mehr Fehldrucke. „Das Kundenvertrauen ging langsam, aber sicher nach unten, und wir wurden in den Kundenbewertungen immer mehr als B-Lieferant eingestuft“, erinnert sich Riess.
Der Ex-Bertelsmann-Manager mit Stationen unter anderem bei Heideldruck optimierte die Prozesse in Produktion und Technik. Ausschuss und Reklamationen verringerten sich drastisch. Unter Riess drehte sich die Krisensituation. Die Schwaben eroberten ihre Marktposition zurück. Aber Knauer schreibt gerade so eben schwarze Zahlen. Denn das Unternehmen drücken bei 70 Millionen Euro Umsatz 30 Millionen Euro Schulden mit Zinsen um die sieben Prozent. „Mit der Schuldenlast kommen wir auf keinen grünen Zweig“, weiß Doster.
Trotz Sanierung ist kein Spielraum für Expansion. Mit den Banken ist ein Verkauf abgesprochen. Der Prozess läuft. Die Erwerber dürfen umschulden. Es gibt einige Interessenten. In wenigen Wochen soll eine Entscheidung fallen. Klar ist, die Knauers werden wohl fast alle ihre Anteile verkaufen müssen. Nach Schätzungen von Branchenexperten ist das Unternehmen ohne Schulden rund 20 Millionen Euro wert. Doster möchte weiter für die Firma arbeiten. Sein Leben sind wirklich Becher. Aber für Sanierer Riess, inzwischen 61, wird dann der Job wohl getan sein.
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