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Biergarten-Zeit

Im Sommer brennt der Biergarten.

(Foto: dpa)

Kneipen in Deutschland So viel verdient mein Chef an einem Bier

Der Hahn muss laufen! Unsere Autorin Lena arbeitet seit fünf Jahren als Kellnerin im Biergarten. Lohnt sich das Geschäft für den Wirt? Und was verdient der eigentlich an einem Bier? Höchste Zeit für ein Interview mit dem Chef.
04.06.2018 - 09:26 Uhr Kommentieren

Dieser Artikel ist am 04. Juni 2018 bei Orange - dem jungen Portal des Handelsblatts - erschienen.

Um kurz nach Mitternacht entscheidet sich, ob es für Heinz Bössing und seine Frau Kornelia ein guter Tag war. Dann zählt der Wirt in seiner Kneipe das Geld. Ich kenne den Laden gut. Seit meinem 17. Lebensjahr kellnere ich im „Haus Bössing“. Das sind mittlerweile fünf Jahre.

Ich weiß blind, wo ich nach welchem Schnaps suchen muss, kriege die perfekte Schaumkrone hin und habe die meisten Preise aus der Karte im Kopf. Alles ist irgendwie Routine. Und doch habe ich mich nie gefragt, ob sich so ein Biergarten-Betrieb eigentlich lohnt. Heute ist es an der Zeit, das zu ändern.

Haus Bössing in Lünen: „Bei schönem Wetter ist der Biergarten voll!“

Gegen 17 Uhr schließt der Wirt die Türen auf. Die Sonne bricht durch die orangenen Sonnenschirme und legt einen warmen Sepia-Filter über die Rattanstühle. Sobald die Sonne öfter scheint und die Temperaturen steigen, nehmen Heinz und Kornelia ihren Biergarten in Betrieb.

Das urige, kleine Fachwerkhaus liegt im Idyll eines Wohngebietes in Lünen bei Dortmund. Zwischen Feld und Straße schmiegt sich die steinerne Terrasse des Gasthauses mit Platz für rund 70 hungrige und vor allem durstige Gäste.

17.30 Uhr. Langsam füllt sich der Biergarten. Hier kommen viele Stammgäste her. Leute, die gegenüber wohnen oder in der Nachbarstraße. Man kennt sich. Schüttelt sich die Hand. Grüßt einander auf dem Weg zum nächsten freien Tisch. Und mittendrin bin ich mit meinem Tablett.

„Lass mich raten: Ein Pils?“, werfe ich einem meiner Lieblingsgäste zu. Er lächelt nickend als Antwort. Ich notiere. Kurz darauf balanciere ich das kühle Bier zu seinem Tisch. Das Pilsdeckchen saugt das herabperlende Kondenswasser auf. „Zum Wohl!“

Doch heute mache ich noch einen zweiten Job. Neben meiner Rolle als Kellnerin bin ich an diesem Abend auch Reporterin. Und der Mann, der hier das Gesicht der Gaststätte ist, wird zur Hauptfigur meiner Story: Heinz, der Mann hinter’m Tresen, mein Chef. „Bei schönem Wetter ist der Biergarten immer voll!“, sagt er. „Egal, ob am Wochenende oder unter der Woche.“ Unter den vielen bekannten Gesichtern finden sich dann auch solche, die sich nach einem langen Tag im Freibad oder einer Radtour stärken wollen.

Das Essen macht den Großteil der Einnahmen aus

Während Heinz im Minutentakt Bier zapft, steht Kornelia in der Küche. Gemeinsam mit ihrem Mann leitet sie das Lokal nun seit mehr als 35 Jahren. Erschüttern kann die beiden wohl nichts mehr. Gerade im Sommer läuft die Küche auf Hochtouren. Wenn draußen 30 Grad sind, schuftet Kornelia bei 40 Grad am Herd. An einem guten Tag gehen mehr als 60 Essen über den Tresen. Die Spezialität des Hauses: Schnitzel in allen Variationen!

„Das Essen macht in der Biergartensaison mindestens die Hälfte des Umsatzes aus“, sagt Heinz. Wie hoch der an diesem Tag genau ausfällt, mag der Wirt zwar nicht verraten. Aber so viel könne er sagen: „Wenn der Biergarten 1.000 Euro einnimmt, kommen 625 Euro bestimmt allein von den Speisen.“ Das Essen ist aber noch aus einem anderen Grund wichtig: Die Schnitzel machen Durst. Und am Bier macht Heinz mit den größten Gewinn. Wie hoch der ausfällt, soll ich etwas später erfahren.

Wieviel Trinkgeld bekommen Kellner im Biergarten?

Vom Kellnern weiß ich, dass 95 Prozent der Biergarten-Gäste auch essen wollen. Deswegen bringen wir gleich die Karte mit an den Tisch, wenn wir die Bestellung aufnehmen. Denn im Sommer ist jeder gesparte Weg gewonnene Zeit und damit bares Geld. Und je besser unser Service ist, desto höher ist am Ende das Trinkgeld.

„Das macht sehr viel aus“, sagt Heinz. „Wenn draußen die Hölle los ist und es viele Einzelzahler gibt, dann kommen an einem guten Tag zwischen 70 und 120 Euro Trinkgeld zusammen“, schätzt der Wirt. „Wenn ihr Mädels also beispielsweise freitags von 17 bis 0 Uhr arbeitet, sind das erstmal sieben mal 9,50 Euro, also 66,50 Euro reiner Stundenlohn. Je nachdem, durch wie viele Mitarbeiter wir an dem Tag das Trinkgeld teilen müssen, kommen nochmal circa 50 Euro oben drauf.“ Damit wären wir bei mehr als 16,60 Euro pro Stunde Kellnern.

Im Biergarten ist mittlerweile jeder Tisch besetzt. Irgendwie erinnert mich die Atmosphäre an eine große Familienfeier. Links plappern die Onkels irgendein pseudo-philosophisches Zeug. Da drüben prosten sich die Tanten mit klirrenden Gläsern zu und kichern. Oma und Opa schmatzen ihr Essen genüsslich am anderen Tisch und halten sich aus allem raus, während irgendwo weiter hinten die Kinder toben.

Wie viele Kneipen gibt es in Deutschland?

Heinz lässt den Blick durch seinen Laden schweifen, dann wird er ein bisschen wehmütig. „In zehn Jahren wird es so was hier wohl nicht mehr geben. Die gewöhnlichen Kneipen sterben aus. Leider gibt’s die typischen Kneipenturner ja nicht mehr. Jetzt beim Champions League-Finale zum Beispiel saß ich ganz allein in der Kneipe. Samstagabends. Das hätte es früher nicht gegeben.“

Laut Statistischem Bundesamt haben in den Jahren 2014 bis 2016 fast 1.000 Schankwirtschaften in Deutschland geschlossen. Etwa 30.000 Kneipen gibt es bundesweit.

An einem schlechten Tag, wenn es zu kalt oder regnerisch ist und kein Kegelverein zu Besuch ist, dürfe man mit nicht mehr als 150 bis 200 Euro Umsatz rechnen, sagt Heinz. Am Ende eines heißen Tages hingegen, braucht der Wirt länger um das Geld zu zählen. „Wenn es im Biergarten so richtig rappelt, kommen um die 1.400 bis 1.500 Euro rein.“ Das wären mehr als 200 Euro in der Stunde. Zur Erinnerung: Allein 9,50 Euro davon bekomme ich, ohne Trinkgeld.

Wieviel verdient der Wirt an einem Glas Bier?

Vom Rest muss Heinz einen großen Teil wieder ausgeben – zum Einkaufen: frisches Fleisch, Gemüse und natürlich Bier und Softdrinks. Ein 0,3 Liter-Pils, wie wir es draußen normalerweise servieren, kostet im Haus Bössing 2,20 Euro. Als ich nachfrage, wie viel Heinz selbst letztlich daran verdient, starrt er mich kurz überrumpelt an. Dann überschlägt er. „Ungefähr 1,20 Euro.“

An einem guten Tag schleppen wir im Sommer insgesamt rund 100 Liter Bier zu den Tischen. Das wären für meinen Chef also knapp 400 Euro reiner Gewinn. Die Biertrinker sorgen also dafür, dass sich der Betrieb lohnt. Deswegen freut Heinz sich über jeden sonnigen Tag. „Man kann schon sagen, dass wir im Sommer mehr oder weniger für das ganze Jahr verdienen.“

Meine Kollegin bringt uns ein Bier. Das wären 1,20 Euro für Heinz. Eigentlich. Doch dieses Glas geht aufs Haus. Ich umfasse es und lehne mich im Rattanstuhl zurück. Die Sonne geht langsam unter und nimmt den warmen Sepia-Filter mit. Ich trinke aus und mache Feierabend.

Mehr: Die Ökonomie des Trinkgelds: Warum sich die Sitte so hartnäckig hält

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