Konflikt im Juweliergeschäft Wempe gegen Nomos – Streit um den Onlinehandel mit Luxusuhren eskaliert

„Im absoluten Widerspruch zu unserer Strategie“
Düsseldorf Im Grunde seines Herzens ist Roland Schwertner ein Sponti. Wie sonst kommt man auf die Idee, sich nach BWL-Studium und erster Karriere als Buchhalter, Steuerberater und IT-Fachmann eine Auszeit auf Formentera zu gönnen? Wer sonst würde nach der Wende ins heruntergekommene Glashütte fahren, um dort 1990 nicht nur eine neue Uhrenmarke zu gründen, sondern damit zugleich die gesamte deutsche Uhrenindustrie zu reanimieren?
Und als alles läuft und Nomos längst zu einer der sympathischsten Marken made in Germany aufgestiegen ist, was macht Schwertner da? Er fängt an, sich mit der AfD anzulegen, für die sich selbst im neuen Wirtschaftswunder Ost Glashütte rund ein Drittel der Wähler begeistert. Schwertner kämpft gern. Aber jetzt hat er sich mit einem Gegner angelegt, der mächtiger ist als viele andere: seiner eigenen Branche.
Unter deutschen Juwelieren kursiert neuerdings eine Petition, die mit Nomos-Boykott droht. Der mächtige Hamburger Filial-Riese Wempe hat jüngst die Verträge mit Nomos fristlos gekündigt: Man sehe sich „leider gezwungen, die Geschäftsbeziehung mit Ihrem Hause weltweit aufzukündigen“, heißt es in einem Schreiben an Schwertner, dass Kim-Eva Wempe und ihr Vater Hellmut mit unterzeichneten.
Schwertner musste sich erst mal setzen und einen Pernod trinken, als ihn der Brief erreichte. „Nach über 20 sehr guten gemeinsamen Jahren hat uns diese Nachricht natürlich überrascht.“ Nun geht es nicht nur um juristische Probleme so einer fristlosen Kündigung oder darum, wer künftig die 46 000 Kunden betreut, die bei Wempe bereits eine Nomos gekauft haben. Es steht Grundsätzliches zur Debatte, die vor allem um die Frage kreist: Wie hältst du’s mit dem E-Commerce?
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Der Grund der Wempe-Empörung: Vor wenigen Tagen erst hat Schwertner seinen Fachhändlern angekündigt, seine Uhren künftig auch über zwei Online-Plattformen zu verkaufen, „die in unserer Branche nicht von allen geliebt werden“ – das war auch Schwertner zu jenem Zeitpunkt schon klar: Chrono24 soll künftig vor allem gebrauchte Nomos-Modelle anbieten dürfen, Chronext dagegen das komplette Sortiment der Glashütter, und zwar fabrikneu.
Chronext sitzt in Köln, macht mittlerweile knapp 100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr und wird noch immer von seinem Co-Gründer gesteuert, dem erst 27-jährigen Philipp Man. Für die Branche ist er eine Art Antichrist, weil Plattformen wie Chronext ja vor allem den alten Fachhandel bedrohten, heißt es.
Der Gegner des Fachhandels
Tatsächlich finden sich auf der Seite immer wieder Schnäppchen weit unter Ladenpreisen. Ausgerechnet Man fühlt sich neuerdings aber zum Kämpfer gegen den grassierenden Grauhandel berufen und weist süffisant darauf hin, dass ja gerade Juweliere auf Chronext gern mal Uhren mit großem Rabatt abstoßen. Auch manch angesehene Marke steht im Ruf, ihre Überschüsse im Netz loszuwerden. Und lässt sich nicht auch bei den Juwelieren schnell mal ein zehnprozentiger Nachlass raushandeln?
Ausgerechnet die sonst so feine Haute Horlogerie wirkt umso schmutziger, je tiefer man in die Usancen der Branche vorstößt. Es geht um Macht und Margen. Da ist das Internet Bühne und Brandbeschleuniger gleichermaßen. Das wusste natürlich auch Nomos-Gründer und -Mehrheitsgesellschafter Schwertner, als er mit Chronext-Chef Man im März auf der Fachmesse Baselworld ins Gespräch kam. Schwertner war angetan von Mans Versprechen, die Preise unberührt zu lassen.
Dennoch stünden solche Plattformen „im absoluten Widerspruch zu unserer Strategie“, schreiben die Wempes – und warfen Nomos aus dem Sortiment. Schon kurz davor hatte der Unternehmensberater Ralf Scharenberg aus Münster eine Petition unter Nomos-Konzessionären gestartet mit dem Ziel, das Unternehmen zur Umkehr zu zwingen. „Der einzige wirkliche Mehrwert gegenüber dem Fachhandel, den der Konsument auf Plattformen wie Chronext erwarten kann, sind günstigere Preise“, so Scharenberg.
„Wir sind aber sicher, dass gerade Luxusprodukte wie eben Uhren einheitliche Preise benötigen, um das Geschäft nicht grundsätzlich zu bedrohen.“
Plattformen wie Chronext „zerstören langfristig alle gewachsenen Handelsstrukturen“, mahnt Scharenberg. „Das ist ein Flächenbrand, den man nie wieder gelöscht bekommt, wie man an vielen anderen Branchen von der Mode bis zum Buchhandel sehen kann.“
Tatsächlich sank der Umsatz der hiesigen Industrie nach Angaben des Bundesverbands Schmuck und Uhren (BVSU) seit 2015 von 550 Millionen auf zuletzt 529 Millionen Euro. Joachim Dünkelmann, Geschäftsführer des BVJ Handelsverbands Juweliere, räumt ein, dass sich „das Informationsverhalten der Kunden bei Uhren dramatisch verändert hat“.
Verschiedene Online-Strategien
Zwar sei E-Commerce ein wichtiger Vertriebsweg für die Uhrenbranche geworden. „Aber der Anteil des Onlinegeschäfts am Gesamtmarkt ist im Vergleich zu anderen Branchen unterdurchschnittlich und wird es auch bleiben“, glaubt Dünkelmann. Beim Kauf hochwertiger Uhren spielten Emotionen, die Haptik und der Service weiter eine große Rolle.
Doch die Nerven liegen offenbar blank. „Die Uhrenbranche hat viel zu lang gegen das Onlinegeschäft gewettert“, findet Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des BVSU in Pforzheim. Da habe man „einen riesigen Nachholbedarf“, sagt Grohmann, der die Petition von Scharenberg schlicht „Schwachsinn“ nennt.
So bunt die feine Branche ist, so vielfältig ist auch ihre Herangehensweise ans Thema E-Commerce: Topmarken wie Patek Philippe oder Rolex lassen sich auf Onlineverkäufe noch gar nicht ein, andere haben längst einen eigenen Onlinestore gestartet – wie übrigens auch Juweliere, etwa Blome.
Andere starten eigene Internetboutiquen unter noch größerem virtuellem Dach – zum Beispiel Bucherer bei der asiatischen Plattform jd.com. Dann gibt es wiederum Marken wie Audemars Piguet, die sich vom Fachhandel gerade komplett verabschieden, und andere, die auf eigene Läden setzen wie Omega.
Wie die Auseinandersetzung Nomos vs. Einzelhandel ausgeht, ist völlig offen. Wenn aus dem Wempe-Rausschmiss eine Welle wird, könnte die Firma zum Einlenken gezwungen sein, um nicht exorbitant Geschäft zu verlieren. Andererseits: Nomos könnte auch für andere Marken das Signal sein, künftig mit Plattformen zu kooperieren oder eigenen E-Commerce zu starten. Und nicht zuletzt: Die Boykottattitüde ist auch für den ohnehin bedrohten Einzelhandel nicht ohne Risiko.
Schwertner geht es ums Prinzip: So wenig wie eine Marke den Händlern vorschreiben kann, welche Uhren sie sonst noch ins Schaufenster legen, so wenig könne ein Händler der Marke vorschreiben, an wen sie ihre Produkte verkauft. „Sonst könnten wir gleich dichtmachen.“ Er will das nun sportlich nehmen. Da bleibt er ganz Sponti.
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