Konsumgüterbranche Kurswechsel bei Beiersdorf: Warum der Nivea-Konzern den Chef austauscht

Mit der Marke erzielt Beiersdorf mehr als 80 Prozent des Umsatzes.
Düsseldorf Ausweichende Antworten gab Stefan De Loecker, Noch-Chef des Konsumgüterkonzerns Beiersdorf, auch am Tag nach der überraschenden Nachricht. Der 54 Jahre alte Vorstandsvorsitzende hatte am Dienstagabend mitgeteilt, er werde seinen Chefposten zum 1. Mai räumen. Nun sei der richtige Zeitpunkt, ein gut aufgestelltes Haus an seinen Nachfolger, das Vorstandsmitglied Vincent Warnery, zu übergeben, sagte er. Keine weitere Erklärung.
„Natürlich ist es meine Entscheidung gewesen“, sagte De Loecker am Mittwoch in einem Journalisten-Call anlässlich der Vorstellung der Quartalszahlen des Konzerns, der jährlich sieben Milliarden Euro umsetzt. Freiwilliger Abgang statt erzwungenen Rückzugs – daran will er keinen Zweifel lassen.
Hinter vorgehaltener Hand ist jedoch von erheblichen Diskrepanzen zwischen dem gebürtigen Belgier und dem Beiersdorf-Aufsichtsrat unter Führung von Reinhard Pöllath zu hören. Es habe keine Übereinstimmung über das künftige Tempo des Wandels bei Beiersdorf gegeben, heißt es in Unternehmenskreisen. De Loecker habe tief greifende Umbauten in dem Traditionsunternehmen gewünscht, die nicht immer in Gänze mit den betroffenen Mitarbeitern abgesprochen gewesen sein sollen.
Mit dem Wechsel auf dem CEO-Posten erlebt das ohnehin unruhige Vorstandsgremium einen weiteren Höhepunkt: Im April erst hatte Vorstandsmitglied Asim Naseer, verantwortlich für die Marke Nivea, seinen Abschied verkündet. Im Dezember 2020 hatte Dessi Temperley ihren Rückzug von dem CFO-Posten erklärt. Und nun der CEO höchstselbst.
Abstieg aus dem Dax
Als mögliche Gründe für die schwierige Position De Loeckers ist zum einen der Abstieg aus dem Börsenindex Dax zu nennen. 14 Jahre lang war Beiersdorf unter den Top-30-Konzernen, nun ist die Aktie Anfang des Jahres rausgeflogen. Die Börse spiegelt nicht zuletzt die geringe Innovationsfreude des Hamburger Unternehmens wider.
Dem Kosmetikhersteller mangelt es nach Ansicht von Analysten an Innovationen. Zwar baut Beiersdorf am Stammsitz in Hamburg für 60 Millionen Euro ein Technology Center auf, doch relevante Neuheiten in der Produktpalette vermissen Beobachter bisher. Konkurrent Estée Lauder punktet beispielsweise mit Produkten aus Cannabis. Und auch bei dem starken Trend Naturkosmetik ist Beiersdorf eher zögerlich mit eigenen Innovationen.
Des Weiteren gilt – nicht erst seit der Corona-Pandemie – ein hoher Digitalanteil als zukunftssichernd für viele Hersteller. Auch in dieser Disziplin hat sich der Konzern bislang bedeckt gehalten. Der Umsatzanteil sei um 70 Prozent gestiegen, sagte De Loecker am Mittwoch. Und doch liegt der Anteil am Gesamtumsatz bislang nur im einstelligen Prozentbereich. Konkurrent L’Oréal hingegen erzielt mehr als ein Viertel seines Umsatzes über digitale Kanäle.
Branchenführer L’Oréal könnte künftig ohnehin einen indirekten Einfluss auf die Hamburger ausüben. Denn der neue CEO Vincent Warnery hat viele Jahre seines Berufslebens bei dem französischen Konzern verbracht und ist dem alten Arbeitgeber bis heute verbunden.
Als Warnery am Dienstagabend die Nachricht seiner Beförderung in dem Karriere-Netzwerk LinkedIn postete, dankte er seinen bisherigen Vorgesetzten für deren Unterstützung und nannte in seiner Nachricht unter anderen Nicolas Hieronimus, den neuen CEO von L‘Oréal. Der gebürtige Franzose gilt als Verfechter der eher zentralisierten Unternehmenskultur, wie sie bei dem französischen Weltmarktführer traditionell gelebt wird. Mit ihm dürfte es einen Kurswechsel in Hamburg geben.

Der Franzose übernimmt ab 1. Mai den Posten des Vorstandsvorsitzenden von Beiersdorf.
Seine Karriere begann Warnery 1991 beim US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble. 1996 wechselte er zu L’Oréal, wo er 15 Jahre lang blieb und in Ländern wie Portugal, Frankreich und Japan arbeitete. 2011 erfolgte der Wechsel zu Sanofi, und 2017 dann der Schritt zu Beiersdorf, wo er die Verantwortung für den Geschäftsbereich Pharmacy & Selective mit Marken wie La Prairie, Eucerin und Hansaplast übernahm sowie seit 2020 auch die Gesamtverantwortung für Beiersdorf Nordamerika.
Am Mittwoch glänzten bei der Vorstellung der Quartalszahlen denn auch vor allem die Geschäftsfelder, für die Vorstandsmitglied Warnery verantwortlich zeichnet: Während der organische Konzernumsatz in den ersten drei Monaten um 6,3 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro zulegte, verzeichneten die beiden Marken Eucerin und Aquaphor ein Plus von 12,1 Prozent, wobei sich der Absatz der Produkte vor allem in den USA und Lateinamerika gut entwickelte.
Die Luxuskosmetikmarke La Prairie, stark gebeutelt in der Coronakrise durch die geringe Reisetätigkeit, legte derweil um 17 Prozent zu und profitierte vor allem von der Erholung des chinesischen Marktes. All das geht auf das Konto von Warnery.
Gegen diese Erfolgsbilanz sieht das Wachstum von 0,5 Prozent der Kernmarke Nivea, mit der Beiersdorf mehr als 80 Prozent Umsatz macht, eher bescheiden aus. De Loecker hatte den Bereich nach dem Abgang von Vorstand Naseer in Personalunion übernommen.
Strategie Care Plus soll weitergeführt werden
Der Konzern sei „stark aus der Krise gekommen“, meinte De Loecker, der Turnaround sei gelungen. Er verwies auf seine vor zwei Jahren vorgestellte Unternehmensstrategie Care Plus, die das Unternehmen innovativer, digitaler und nachhaltiger machen soll.
Für dieses Programm will Beiersdorf jährlich 70 bis 80 Millionen Euro investieren, so hatte es De Loecker 2019 angekündigt. Im vergangenen Februar hatte er zusätzliche Ausgaben von 300 Millionen Euro für die nächsten fünf Jahre in Aussicht gestellt.
Sein Nachfolger Warnery hat an dieser neuen Strategie ebenfalls eng mitgearbeitet, er soll sie nun weiterführen. Die Strategie sei der richtige Schritt, sagte der 52-Jährige am Mittwoch. Neben Digitalisierung und Nachhaltigkeit nannte er vor allem auch die Wachstumsmärkte, auf die sich das Unternehmen konzentrieren will.
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