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Konsumgüterbranche Unilever will nachhaltiger wirtschaften – und sich ein Beispiel an Ben & Jerry’s nehmen

Der britische Konzern will nachhaltiger werden. Das soll sich auch in den Marken widerspiegeln. Doch nicht jedes Produkt ist dafür geeignet.
19.05.2021 - 15:40 Uhr Kommentieren
Die Unilever-Tochter gilt unternehmensintern als Vorbild in Sachen Purpose. Quelle: imago/Newscast
Eiscreme von Ben & Jerry’s

Die Unilever-Tochter gilt unternehmensintern als Vorbild in Sachen Purpose.

(Foto: imago/Newscast)

Düsseldorf Alle Marken des Konsumgüterkonzerns Unilever sollen sich künftig einem höheren Sinn verschreiben – sonst droht ihnen der Ausschluss. Bei der Suche nach dem sogenannten Purpose soll die eigene kleine Eiscrememarke Ben & Jerry’s, Pionier für nachhaltiges Wirtschaften, als Blaupause dienen.

Die Ansage von Unilever-Deutschlandchef Peter Dekkers im Gespräch mit dem Handelsblatt ist deutlich: „Jede Marke von Unilever muss einen Purpose haben. Sonst gibt es keinen Grund für ihre Existenz.“ Die Antwort auf die Frage nach der Existenzberechtigung werde für jede Marke – von Langnese über Knorr bis hin zu Domestos – individuell ausfallen.

Sicher ist nur: „Die Marke muss einen Wert über den Produktnutzen hinaus haben. Das kann eine soziale oder ökologische Mission sein“, erklärt der Niederländer, der seit zwei Jahren die Geschäfte in Deutschland führt. „Wichtig ist, dass die Marken eine Position beziehen.“

Unilever ist nicht allein mit diesem Plan. Die Sinnsuche hat große Teile der Wirtschaft erfasst. Unternehmen suchen für sich und ihre Marken immer häufiger einen Purpose, den sie im Idealfall nicht nur durch Marketingmaßnahmen suggerieren und ansonsten ihr Geschäft wie gehabt weiterführen, sondern konkret in den Unternehmenszielen verankern.

Damit reagieren die Firmen auf einen starken Wunsch der Konsumenten: Diese fordern – nicht zuletzt mit Blick auf den Klimawandel und die Coronakrise – einen verantwortungsvolleren Umgang der Unternehmen mit den Ressourcen des Planeten. Das zeigt auch eine internationale Studie des Marktforschungsunternehmens Forrester: Ein Großteil der befragten Verbraucher macht sich heute mehr Gedanken über Nachhaltigkeit als noch vor der Corona-Pandemie.

Konsumenten fordern höheren Sinn

Mirko Warschun, Konsumgüterexperte bei der Unternehmensberatung Kearney, hält es für plausibel, dass sich Unilever die seit dem Jahr 2000 zum Konzern gehörende Marke Ben & Jerry’s in Sachen Purpose zum Vorbild genommen hat. Die Story hinter der Eismarke sei nicht nur emotional aufgeladen, sondern sie sei wegen des gemeinnützigen Engagements des Eisfabrikanten auch ausgesprochen glaubwürdig.

Angefangen mit einem rührseligen Gründungsmythos zweier Freunde, die quasi in den eigenen vier Wänden das erste Eis anrührten, bis hin zu einem gemeinnützigen Engagement bei Hilfsprojekten, aber auch einer klaren politischen Haltung, beispielsweise in der Flüchtlingsfrage, steht die Marke für mehr als nur überteuerten Eiscremegenuss. Und das tat sie, lange bevor die Wirtschaft das Wort Purpose erfunden hat.

Auch wenn Unilever keine Zahlen für einzelne Marken ausweist, so gilt Ben & Jerry’s intern als Zugpferd. „Marken, die einen Purpose haben, wachsen bei uns 69 Prozent schneller als die anderen“, verrät Unilever-Manager Dekkers. Und sie erwirtschafteten 75 Prozent des Konzernwachstums.

Grund genug für den börsennotierten Konzern, nun alle seine Marken in diese Richtung zu trimmen. Dazu wurde intern ein neuer „Kompass“ erstellt, in dem die mittel- und langfristigen Nachhaltigkeitsziele aufgeführt sind. Neben Klimazielen geht es darin auch um Gesundheitsfragen und Inklusionspläne.

Der neue Kompass löst den „Sustainability Living Plan“ bei Unilever ab, der in den vergangenen zehn Jahren gegolten hat. Letzterer hatte es nicht vermocht, eine große Wirkung zu entfalten und die einzelnen Marken neu zu positionieren. Das neue große Ziel: Bis zum Jahr 2039 will der Konzern, bei dem weltweit 149.000 Beschäftigte arbeiten, klimapositiv sein – also mehr Treibhausgase ausgleichen, als er verursacht hat.

Corona hinterlässt Spuren in der Bilanz

Der neue Kompass legt den Beitrag fest, den jede einzelne Marke zum Thema Nachhaltigkeit leisten soll. Das Markenreich von Unilever ist groß: Der Konzern misst sich mit Wettbewerbern wie Henkel und Beiersdorf ebenso wie mit L’Oréal, Reckitt Benckiser und Nestlé.

Der Bereich Kosmetik (Dove, Axe) erwirtschaftete im vergangenen Jahr gut zwei Fünftel des gesamten Konzernumsatzes von 50,7 Milliarden Euro. Etwas weniger war es bei der Lebensmittelsparte (Knorr, Lipton, Magnum, Ben & Jerry’s), und ein Fünftel stammte aus dem Bereich Reinigungsmittel (Domestos, Omo, Cif).

Das Corona-Jahr hat seine Spuren in der Bilanz hinterlassen: Unilever hat 2020 zwar ein Umsatzplus von 1,9 Prozent erzielt – das war aber die schwächste Entwicklung seit 20 Jahren. Das Wachstumsziel für dieses Jahr beträgt nach den Plänen des Konzerns zwischen drei und fünf Prozent. Dazu sollen nach dem Willen des Managements vor allem die Purpose-Marken beitragen.

Den neuen Kompass gibt es seit Ende 2020, doch der Arbeitsprozess dauert noch an: „Wir haben noch nicht alles komplett ausgearbeitet“, sagt Deutschlandchef Dekkers. Etwa 80 Prozent der Unilever-Marken hätten bislang einen Purpose. Dekkers geht davon aus, dass der gesamte Prozess noch einige Zeit in Anspruch nehmen kann.

Eine Einschätzung, die Experten wie Warschun von Kearney teilen: „Der Prozess, Produkte umzupositionieren, kann Jahre dauern“, sagt der Unternehmensberater. Das werde Unilever nicht „von heute auf morgen machen können“.

„Nachhaltigkeit treibt unser Geschäft, und unser Geschäft treibt Nachhaltigkeit.“ Quelle: Unilever
Unilever-Deutschlandchef Peter Dekkers

„Nachhaltigkeit treibt unser Geschäft, und unser Geschäft treibt Nachhaltigkeit.“

(Foto: Unilever )

„Ben & Jerry’s ist das einfachste Beispiel, weil es klar ausgerichtet ist auf soziale Mission und auf Nachhaltigkeit“, sagt Dekkers. Er nennt weitere Beispiele, die er für gelungen hält: Knorr, die größte Lebensmittelmarke von Unilever, will „über eine ausgewogene, vielfältigere Ernährung Klima und Umwelt positiv beeinflussen“, wie er sagt.

Die Marke will den Konsumenten eine vegetarische Ernährung schmackhaft machen. Die Maßnahmen reichten von Kooperationen mit der Organisation WWF bis hin zu Rezepten auf dem eigenen Instagram-Kanal.

Einige Marken werden wohl weichen müssen

Oder Domestos: Die Reinigungsmarke stehe nicht nur für Hygiene in den eigenen vier Wänden, sondern kämpfe auch für saubere Toiletten in Schulen. In Zusammenarbeit mit Unicef trage die Marke dazu bei, hygienische und sichere Toiletten in Gemeinden und Schulen einzurichten – in Entwicklungsländern, aber auch in Deutschland.

Berater Frank Dopheide, Gründer der Purpose-Agentur Human Unlimited, glaubt aber trotzdem, dass Unilever sein Markenreich ausmisten müssen wird: Unilever sei ein „unglaublich konsequenter Konzern“, sagt Dopheide, „ich bin mir nicht sicher, ob alle Marken überleben werden“. Eine Einschätzung, die das Unilever-Management offensichtlich teilt: „Schwerer ist es für Marken wie Duschdas, die bislang nicht so klar positioniert sind“, sagt Dekkers.

Kritiker blicken mit Argwohn auf solche Maßnahmen und mutmaßen Greenwashing – davon spricht man, wenn sich Unternehmen einen grünen Anstrich geben, ohne Taten folgen zu lassen. So geriet der Kosmetikkonzern Beiersdorf vor einigen Monaten in die Kritik, als er eine Purpose-Kampagne für die 100 Jahre alte Marke Nivea startete. Außer einer ordentlichen Spendensumme waren am Ende wenig konkrete Maßnahmen zu erkennen gewesen.

Das reicht nicht für einen nachhaltigen Ansatz: „So etwas ist gefährlich“, kommentiert Berater Dopheide den Beiersdorf-Fall. Den Weg von Unilever hält er dagegen für vielversprechend und nennt den Konzern einen „Vorreiter“.

Auch Analysten loben den neuen Fokus von Unilever auf Nachhaltigkeit und die Generation der Millennials als Zielpublikum. Entsprechend positiv wird die Aktie beurteilt. Studien zufolge entwickeln sich nachhaltige Unternehmen an der Börse besser als solche, die sich keine konkreten Klimaziele setzen.

Das ist es auch, was letztlich zählt: „Am Ende sind wir kein philanthropisches Unternehmen, sondern wir wollen Geschäfte machen“, stellt Unilever-Manager Dekkers klar. Aber eines ist grundlegend anders: „Die frühere Trennung zwischen erfolgreich Wirtschaften und Nachhaltigkeitsziele Verfolgen hat sich aufgelöst, man kann beides nicht mehr voneinander trennen: Nachhaltigkeit treibt unser Geschäft, und unser Geschäft treibt Nachhaltigkeit.“

Mehr: Innovationsranking: Food-Marken sind die Lieblinge der Kunden

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