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Kooperation mit Bildungsministerium Adidas drängt in Chinas Schulen

Nirgendwo wächst Adidas so schnell, nirgendwo erzielt Adidas so hohe Margenwie in China. Den Rivalen Nike haben die Franken dort schon überholt. Nun bekommt der Sportkonzern auch noch höchste politische Unterstützung.
05.07.2017 - 06:14 Uhr Kommentieren
Adidas will Chinas Nachwuchs für seine Produkte begeistern. Quelle: picture alliance / Pan kanjun -
Schüler absolvieren eine Fußball-Übung

Adidas will Chinas Nachwuchs für seine Produkte begeistern.

(Foto: picture alliance / Pan kanjun -)

Herzogenaurach, Peking Das Stadion auf dem Wurfplatz kennen selbst in Berlin wohl nur eingefleischte Fußballfans. Normalerweise kickt hier die zweite Mannschaft von Hertha BSC. An diesem Mittwoch allerdings könnte es der Nebenplatz des Berliner Olympiastadions bis in die Tagesschau schaffen. In dem 5.400 Zuschauer fassenden Rund wollen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Präsident Xi Jinping am Nachmittag gemeinsam ein Fußballspiel anschauen. Ein deutsches und ein chinesisches Jugendteam stehen sich gegenüber.

An der Seite der Spitzenpolitiker: Adidas-Chef Kasper Rorsted. Es hat seinen Grund, dass der Manager mit dabei sein darf. Die Nachwuchskicker nehmen teil am ersten Fußballcamp für chinesische Jugendliche, das Adidas gemeinsam mit dem chinesischen Bildungsministerium und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) organisiert hat. Adidas sponsert den DFB schon seit Jahrzehnten, auch DFB-Präsident und CDU-Mann Reinhard Grindel soll daher auf der Tribüne Platz nehmen.

Angela Merkel weiß genau, dass Sport im Allgemeinen und Fußball im Speziellen inzwischen ganz oben auf der Agenda der chinesischen Führung steht. Es sei eine persönliche Idee von Merkel gewesen, die Jugendpartie zwischen Deutschen und Chinesen in Berlin zu organisieren, heißt es im Kanzleramt.

Für Adidas ist die Partie der U12-Teams ein herausragendes Event. Nicht nur, weil die Bilder von Konzernchef Rorsted aus dem Stadion mit Xi und Merkel eine willkommene Werbung sein dürften. Sondern auch, weil das China-Geschäft für Adidas oberste Priorität hat. Nirgendwo wächst der Dax-Konzern aus dem fränkischen Provinzstädtchen Herzogenaurach so dynamisch: 30 Prozent im vergangenen Jahr. Und nirgendwo erzielt Adidas so hohe Margen wie in der Volksrepublik: 35 Prozent.

Um noch bekannter zu werden und noch schneller zu wachsen, arbeitet der Sportartikelkonzern seit neuestem eng mit dem chinesischen Bildungsministerium zusammen. Die Franken haben sich unter anderem verpflichtet, 50.000 chinesische Sportlehrer auszubilden. Die Pädagogen werden künftig an 20.000 Schulen in China Fußballtraining anbieten. Über diese Schulen sollen 20 Millionen Kinder an den Fußball herangeführt werden, so das Ziel des Ministeriums. „Sport ist für die chinesische Führung ein wichtiges Mittel, damit die Bevölkerung gesünder wird“, sagt Tobias Gröber, Chinakenner und Chef der weltgrößten Sportmesse Ispo in München. Daher kooperiert die Regierung exklusiv mit Adidas.

Die Vereinbarung mit dem Bildungsministerium ist für Adidas kein Geschäft im eigentlichen Sinne, weil es für Adidas keine direkte Gegenleistung gibt. Wenn das Kalkül der Konzernstrategen aufgeht, begeistern sich aber bald Millionen chinesische Nachwuchsspieler für die Marke mit den drei Streifen, weil sie mit Bällen oder Schuhen von Adidas spielen, die der Konzern gestiftet hat. „Es geht uns darum, mit den Kindern in Kontakt zu kommen“, betont Colin Currie, der China-Chef von Adidas.

Die Kooperation ist ein bedeutender Teil der Expansionsstrategie von Adidas in China. Der Konzern hat großes vor im Reich der Mitte: „Es spricht viel für ein kräftiges Wachstum auch in Zukunft“, sagte Currie dem Handelsblatt. Das habe mehrere Gründe: „Wir werden neue Städte erschließen, wir haben Chancen im Onlinevertrieb; zudem hilft uns, dass die Politik die Menschen an den Sport heranführen möchte und dazu in Sportstätten und Trainer investiert.“

Bedenken, mit der Bürokratie einer Diktatur gemeinsame Sache zu machen, habe es bei Adidas nicht gegeben: Die Kooperation mit dem chinesischen Bildungsministerium sei intern völlig unumstritten gewesen, heißt es aus dem Konzern. „Wir arbeiten schließlich nicht mit dem Verteidigungsministerium zusammen“, sagt ein Insider. Kinder zum Sport zu bringen sei in jedem Fall sinnvoll, auch in einer Einparteienherrschaft. Hilfe seitens der deutschen Regierung sei für den Deal nicht nötig gewesen. Die Vereinbarung habe die lokale Adidas-Niederlassung in Schanghai getroffen.

60.000 Fußbälle an Kinder verteilt

Große Berührungsängste gegenüber Institutionen und Staaten, die nicht gerade lupenreine demokratische Standards erfüllen, hatte Adidas ohnehin noch nie. Die Franken sponsern seit Jahrzehnten den korruptionsverseuchten Weltfußballverband Fifa und den ebenfalls nicht über jeden Schmiergeldverdacht erhabenen europäischen Fußballverband Uefa. Darüber hinaus liefen die Sowjetathleten einst ebenso mit den drei Streifen auf wie die Olympioniken aus Kuba. Diktator Fidel Castro ließ sich bis ins hohe Alter in Trainingsanzügen der Deutschen ablichten.

13.000 Lehrer hat Adidas in den vergangenen Monaten bereits zu Fußballtrainern in China ausgebildet und 60.000 Fußbälle unter den Kindern verteilt. Präsident Xi dürfte das mit Wohlwollen betrachten. 15 Mädchen und 14 Jungs aus China hat Adidas in seiner Funktion als DFB-Hauptsponsor diese Woche nach Deutschland gebracht. Der DFB hat wie Adidas im November eine Kooperation mit dem chinesischen Bildungsministerium zur Förderung des Fußballnachwuchses in China vereinbart. Die Kinder wurden aus 70 Teilnehmern eines Trainingslagers in Kunming ausgewählt.

Die Nachwuchsathleten bleiben bis kommenden Dienstag, dann geht es zurück in die Heimat. Von den chinesischen Nachwuchsspielern wird viel erwartet. Staatspräsident Xi gilt als großer Fußballfan und hat sich vorgenommen, die Weltmeisterschaft in sein Land zu holen. Und natürlich soll China lieber früher als später den Weltpokal ergattern. Davon will Adidas kräftig profitieren.

Vergangenes Jahr ist der China-Umsatz von Adidas um knapp 30 Prozent auf rund drei Milliarden Euro in die Höhe geschossen. Die Erlöse in dem Land haben sich seit Beginn des Jahrzehnts verdreifacht. Inzwischen steht China für 16 Prozent vom Umsatz, vor sieben Jahren waren es noch acht Prozent. Damit nicht genug: Die operative Marge lag 2016 bei gut 35 Prozent, fast doppelt so viel wie in Westeuropa. „Die chinesischen Konsumenten sind häufig bereit, höhere Preise zu bezahlen“, meint Ispo-Chef Gröber.

Dazu kommt: Weltweit hinkt Adidas dem Weltmarktführer Nike hinterher. In China liegt Adidas jedoch auf Augenhöhe mit dem Branchenprimus. „Die beiden Marken liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen“, erklärt Sherri He, Sportexpertin der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Im ersten Quartal 2017 erzielten die Deutschen in China einen Umsatz von 990 Millionen Euro und damit sogar etwas mehr als der Rivale von der amerikanischen Westküste. Nike kam im letzten Quartal des Ende Mai abgeschlossenen Geschäftsjahrs auf umgerechnet rund 950 Millionen Euro.

Jetzt zahlt sich aus, dass Adidas in den vergangenen Jahren kräftig investiert hat in dem Land. Alles ging vor neun Jahren in Peking los. Es erschien damals wie ein tollkühnes Unterfangen, als die Marke am 5. Juli 2008, kurz vor Beginn der Olympischen Spiele, im Zentrum der chinesischen Hauptstadt ihr bis dahin größtes Geschäft eröffnete. Denn direkt neben dem Laden mit 3 170 Quadratmeter Ausstellungsfläche hatte sich der Yaxiu-Markt als Pekings beliebtester Fake-Markt etabliert. Original traf Fälschung. Für einen Bruchteil des Geldes boten die Händler Sportschuhe, Hosen und sogar die deutschen Nationaltrikots als nachgemachte Version an.

Neun Jahre später ist das Adidas-Geschäft eine beliebte Anlaufstelle für die kaufkräftige Jugend der Millionenmetropole. Der Yaxiu-Markt wurde von einem Basar für nachgemachte Kleidung in ein Shopping-Zentrum für Luxusgüter umgewandelt. Kopien sind komplett verschwunden. Um das Adidas-Geschäft spannt sich ein Netz von Edelboutiquen und Szene-Restaurants. Vergangenes Jahr eröffnete Mercedes eine große Ausstellungsfläche mit angeschlossenem Café, Restaurant und einer Bar, um junge Kunden für die neuesten Automodelle zu begeistern.

Inzwischen zählt Adidas in China rund 10.000 Geschäfte, bis 2020 sollen noch einmal 2000 dazukommen. „Es ist nach wie vor sehr wichtig, vor Ort mit Läden präsent zu sein“, meint Landeschef Currie. Schließlich verbringen chinesische Familien liebend gerne ihre Freizeit in der Shopping-Mall.

Der Manager hat deshalb 15 verschiedene Store-Konzepte entwickelt. Je nach Lage und Kundschaft setzt Currie mal ganz auf Frauen, mal auf Kinder, auf Outdoor oder auch komplett auf Sportschuhe. Mit eigenen Lifestyle-Läden lässt er sich sogar direkt neben den großen Modefilialisten Zara, Uniqlo oder H&M nieder. Derzeit ist die Marke mit den drei Streifen in 1 200 Städten vertreten. 200 weitere Standorte an neuen Orten sollen in den nächsten Jahren dazukommen.
So viel Risikobereitschaft zahlt sich aus. Das Geschäft in China habe sich hervorragend entwickelt, urteilt Carol Liao, Präsidentin des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) in China. Doch gleichzeitig stünden die großen internationalen Sportausrüster wie Adidas, Nike, Under Armour oder Puma vor einer neuen Herausforderung. „Heimische Hersteller gewinnen Marktanteile“, warnt die Managerin.

Chinesische Konkurrenz holt auf

Vier chinesische Sportmodeunternehmen buhlen um die Gunst der wachsenden Mittelschicht in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Der größte Anbieter unter den chinesischen Herausforderern ist Li Ning. Der Gymnasiast Li Ning hatte die Firma 1990 gegründet und dem Ansehen seiner Marke stark geholfen, als er 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking am Fackellauf teilnehmen durfte. Li Ning wird von drei chinesischen Konkurrenten gefolgt: Anta aus Peking und sowie 361° und Xtep aus der ostchinesischen Provinz Fujian.

Derzeit deutet nichts darauf hin, dass die chinesische Führung die chinesischen Anbieter bevorzugt. Im Gegensatz etwa zur Autoindustrie können sich die westlichen Hersteller frei entfalten. Doch das müsse nicht immer so bleiben, warnt Ispo-Chef Gröber. „Das wird ein Boom-Markt. Die Frage ist nur, welchen Anteil die westlichen Firmen davon bekommen.“ Die Ispo veranstaltet seit Jahren auch in China Sportmessen.

Wandeln müssen sich die westlichen Sportfirmen in jedem Fall. „Die Erwartungen der Käufer ändern sich in China schnell“, weiß Adidas-Manager Currie. Künftig dürfte vor allem das Onlineshopping einen noch höheren Stellenwert einnehmen, unterstreicht Gao Hongbing, Chef von Ali-Research, die Forschungsabteilung des Internetkonzerns Alibaba. Schon heute bieten alle großen Sportartikelhersteller ihre Produkte über Onlinemarktplätze an.

Bei der Partnerschaft mit dem Bildungsministerium geht Adidas mitunter auch ungewöhnliche Wege. Seit 1. Juni läuft im chinesischen Erziehungsfernsehen CETV jeden Tag eine gemeinsame, dreiminütige Sendung. Das Format richtet sich an acht Millionen Jugendliche im ganzen Land. Bei „Daily Football“ vermittelt die Sportmarke viele Tricks und Tipps für angehende Kicker. Vielleicht zeigen die Fernsehmacher in den nächsten Tagen ja auch ein paar Ausschnitte aus der Partie im Stadion auf dem Wurfplatz im fernen Berlin.

Mitarbeit: Thomas Sigmund

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