Lieferkonzern Delivery Hero will Umsatz 2021 mehr als verdoppeln – Aktie legt stark zu

Für das laufende Jahr plant der Dax-Konzern weiter mit hohen Investitionen.
Hamburg Niklas Östberg kennt weiterhin nur ein Ziel: Wachstum. Für ihn spiele die Frage, wann sein Konzern Delivery Hero in die schwarzen Zahlen kommt, keine Rolle für die Strategie der kommenden Jahre, machte er am Mittwoch klar. „Ob wir 2022 oder 2023 positiv werden, hängt davon ab, wie viele Gelegenheiten für gute Investitionen sich noch ergeben“, sagte Östberg. Je mehr Investitionschancen er sehe, desto weiter verschiebe sich die Profitabilität in die Zukunft. „Am liebsten wären mir noch viele solcher Gelegenheiten“, stellte er klar.
In der Riege der oft konservativen Dax-Chefs ist Östberg damit eine Ausnahme. Doch den Anlegern gefällt die Strategie: Die Aktie legte am Mittwoch zwischenzeitlich um acht Prozent zu. Der Essenslieferant legte als letzter Dax-Konzern sein Jahresergebnis für 2020 vor – zeitgleich mit den Zahlen für das erste Quartal 2021.
Operativ hat das Unternehmen seit seiner Gründung vor zehn Jahren noch keinen Gewinn erzielt. Stattdessen kämpft es um globale Marktanteile und nutzt dafür auch das Geld aus dem Börsengang und regelmäßigen Kapitalerhöhungen. 1,3 Milliarden Euro Reserve hat der Konzern aktuell in der Kasse.
Das Resultat ist ein hohes Wachstumstempo: Der Umsatz werde auf bis zu 6,6 Milliarden Euro steigen, prognostizierte der Dax-Konzern. Das ist mehr, als Analysten dem Konzern zuvor zugetraut hatten. Im Jahr 2020 lagen die Erlöse noch bei 2,8 Milliarden Euro. Der Umsatzsprung hängt auch mit dem Kauf des südkoreanischen Konkurrenten Woowa für 5,7 Milliarden Euro zusammen.
Bei den Analysten kam die Botschaft gut an. Sie empfehlen die Aktie fast einhellig zum Kauf – trotz der aktuellen Kurssteigerung. Die Beobachter von JP Morgan etwa zeigten sich „beeindruckt“ von den Jahreszielen – und erleichtert: Die Sorge, in Asien würden mit der Neuaufstellung des dortigen Geschäfts noch höhere Investitionen nötig, sei erst einmal ausgeräumt.
Auch die Bloomberg-Analysten zeigten sich erleichtert, dass befürchtete Firmenwert-Abschreibungen in Milliardenhöhe durch die Woowa-Übernahme ausgeblieben sind. „Die unermüdliche Ausrichtung auf Umsatzwachstum kann Größenvorteile und Marktanteile anschieben“, loben sie.
Weiter hohe Investitionen geplant
Für das laufende Jahr plant Delivery Hero weiter mit hohen Investitionen, etwa in den Ausbau der eigenen Fahrerflotte und in die schnelle Lieferung von Supermarktartikeln. Rund 550 Millionen Euro plant Delivery Hero dafür ein.
Das Investitionstempo soll auch dabei helfen, gegen die weiterhin starke globale Konkurrenz anzukommen. Dabei trat Delivery Hero zuletzt vor allem als Konsolidierer auf – mit Zukäufen nicht nur in Südkorea, sondern auch in Lateinamerika.
Vor allem die schnelle Lieferung von Supermarktartikeln ist für Östberg zukunftsträchtig. In den Bereich fließen derzeit weltweit hohe Summen Risikokapital – in Deutschland etwa in die Anbieter Gorillas und Flink, in den USA in Gopuff. Delivery Hero baut das Geschäft vor allem in Asien aus. Dabei wird der Konzern vom reinen Lieferanten zum Einzelhändler – und kann potenziell die Handelsmarge mitnehmen.
Die Ausgaben dafür halten den Konzern dauerhaft in der Verlustzone: 2021 soll konzernweit operativ vor Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) eine negative Marge von 1,5 bis zwei Prozent des Bestellvolumens anfallen. 2020 lag diese Kennzahl bei minus 2,7 Prozent.

Der Delivery-Hero-Chef erhält ein Grundgehalt von 375.000 Euro – und millionenschwere Aktienoptionen.
Östberg betonte, Delivery Hero arbeite mit zunehmender Größe immer effizienter. Viele Geschäftsbereiche seien bereits gewinnträchtig. Ohne die zusätzlichen Investitionen ins Wachstum wäre ein positives Ebitda 2021 fast in Reichweite gewesen, erklärte Östberg. In Nahost ist der Konzern operativ (Ebitda) bereits stabil gewinnträchtig. Das soll auch nach dem Schub für Gastro-Lieferungen durch die Corona-Maßnahmen so bleiben. Die Neukunden blieben loyal, sagte Östberg.
Für den guten Eindruck an der Börse sorgt auch, dass der Konzern seine selbst gesetzten Ziele im Corona-Jahr 2020 weitgehend erreichte, wenn auch nicht glanzvoll. So sollte das Europageschäft operativ auf stark bereinigter Basis (bereinigtes Ebitda) erstmals profitabel werden. Tatsächlich reduzierte der Konzern den Ebitda-Verlust in Europa auf zwei Millionen Euro. Zudem belasteten 2020 Währungseffekte das Finanzergebnis, die Delivery Hero auch etwa bei internen Darlehen trafen.
Unter dem Strich stand 2020 ein Minus von 1,4 Milliarden Euro. Im Vorjahr hatte der Konzern nur deshalb 230 Millionen Euro Gewinn vermeldet, weil er sein Deutschlandgeschäft gewinnbringend verkauft hatte. Das erste Quartal 2021 war nach Unternehmensangaben das neunte Quartal in Folge mit einem Umsatzwachstum von mehr als 100 Prozent. Konkret stieg die Kennzahl um 116 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro.
Gehalt von Konzernchef Östberg steigt deutlich
Der Kurs zahlt sich für Konzernchef Östberg auch persönlich aus: Sein ausgezahltes Gehalt stieg deutlich auf knapp 4,4 Millionen Euro. Als Mitgründer des Konzerns erhält er zudem stattliche Zuflüsse in die langfristige Vergütung von 45 Millionen Euro.
Der nun veröffentlichte Geschäftsbericht zeigt aber auch Risiken auf. So betonen die Abschlussprüfer, der Anteil von immateriellen Werten in der Bilanz, die durch Übernahmen entstanden sind, sei recht hoch. Dieser Wert entsteht durch den Aufpreis für übernommene Unternehmen – etwa für Markenwerte. Mit fast 1,4 Milliarden Euro noch vor der Übernahme von Woowa machten sie 2020 gut 23 Prozent der Bilanzsumme aus. Sollten sich Zukäufe als nicht werthaltig erweisen, drohen hier Abschreibungen.
Die Prüfer verweisen auch darauf, dass die Umsätze in den 50 Ländern, in denen der Konzern aktiv ist, auf unterschiedlichen IT-Systemen verbucht werden. Damit gebe es potenziell das Risiko von Manipulationen. So könnten theoretisch Umsätze ohne Gegenleistung verbucht werden. Stichproben hätten aber keine Auffälligkeiten gezeigt.
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