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Luftfahrt Das Flugjahr 2022 wird ruppig: Fluggäste brauchen vorerst weiterhin viel Geduld

Der Chef von Wisag Aviation befürchtet Personalengpässe bei der Abfertigung – und fordert teurere Ticketpreise. Auch die Lotsen warnen vor Problemen.
03.01.2022 - 12:42 Uhr Kommentieren
Im Herbst bekamen viele Fluggäste die personellen Engpässe beim Boden- und Sicherheitspersonal bereits zu spüren. Das dürfte sich im Sommer 2022 wiederholen. Quelle: imago images/Bo van Wyk
Lange Schlange am Flughafen Hannover

Im Herbst bekamen viele Fluggäste die personellen Engpässe beim Boden- und Sicherheitspersonal bereits zu spüren. Das dürfte sich im Sommer 2022 wiederholen.

(Foto: imago images/Bo van Wyk)

Frankfurt Im kommenden Sommer soll es in der Luftfahrt wieder richtig losgehen. Fluggesellschaften wie Lufthansa oder Condor und auch der Reisekonzern Tui erwarten Buchungszahlen, die nahezu das Vorkrisenniveau 2019 erreichen.

Doch die Rückkehr zur Normalität dürfte für viele Fluggäste zur harten Geduldsprobe werden. Fehlendes Personal etwa bei der Abfertigung der Flugzeuge oder bei den Sicherheitskontrollen droht die Flugpläne aus dem Takt zu bringen. „Die Branche hat den Personalengpass bereits in diesem Sommer gespürt. Er wird uns weiter begleiten, auch 2022. Das ist eine sehr große Herausforderung“, sagte Michael C. Wisser, der CEO der Wisag Aviation Service Holding dem Handelsblatt.

Wisag ist einer der großen Bodenverkehrsdienstleister. Das Familienunternehmen übernimmt nicht nur das Be- und Entladen oder die Reinigung der Flugzeuge. Es stellt auch Personal etwa für das Einchecken der Passagiere. Wie überall in der stark fragmentierten Prozesskette der Luftfahrt gilt: Hakt es hier, kommt es im gesamten System zu Verzögerungen.

Das bekamen die Passagiere schon im vergangenen Sommer und Herbst zu spüren. Ob in Berlin, Düsseldorf oder Hamburg – fast an allen Flughäfen bildeten sich immer wieder lange Schlangen vor dem Check-in oder den Sicherheitskontrollen. Oder die Fluggäste mussten stundenlang auf ihr Gepäck warten. Auch die Airlines sorgten für Frust bei den Kunden, weil wie etwa bei Lufthansa die Callcenter kaum oder nur schwer zu erreichen waren.

Zuletzt schien sich die Situation zwar wieder etwas zu entspannen. Lufthansa hofft, dass zusätzliches Personal den Engpass in den Callcentern in den kommenden Monaten abmildern wird. Stephan Erler, der Deutschlandchef von Easyjet, hatte wiederum vor einigen Tagen berichtet, dass sich die Situation etwa am Berliner Flughafen BER beruhigt habe.

Viele Beschäftigte haben der Branche den Rücken gekehrt

Doch das ist nur deshalb gelungen, weil Dienstleister, Airlines und Airports kurzfristig alle verfügbaren Kräfte aktiviert haben. Das Kernproblem bleibt bestehen: Es fehlt allerorts an Personal. Bodenverkehrsdienste seien schon immer ein sehr volatiles Geschäft mit saisonal befristeten Arbeitsverhältnissen gewesen, sagt Wisser von Wisag: „Die sind in der Krise alle ausgelaufen. Das Personal ist weg und wird auch nicht wiederkommen.“ Die Beschäftigten haben inzwischen zum Teil andere Jobs gefunden, etwa im Einzelhandel.

Es sei schwer, neues Personal zu finden, sagt der Unternehmer: „Vielen wurde vor Augen geführt, dass der Traum vom ewigen Wachstum in der Luftfahrt geplatzt ist. Hinzu kommt ein leer gefegter Arbeitsmarkt, mit dem auch die Gastronomen und die Hotellerie zu kämpfen haben.“

Engpässe drohen zudem in der Flugsicherung. So warnte die Lotsengewerkschaft Tuem – sie vertritt die Fluglotsen von Eurocontrol – vor einigen Tagen vor heftigen Verspätungen wie 2018. Damals hatten ein überraschend starker Anstieg der Flugbewegungen und personell unterbesetzte Flugsicherungen für teils chaotische Situationen gesorgt. Sogar die Politik schaltete sich ein und rief alle Luftfahrtunternehmen an einen Tisch, um die großen Probleme zu lösen.

Eine ähnliche Situation droht nach Aussagen von Tuem-Chef Stefan Pille nun im Sommer 2022. Die Personalplanungen der Flugsicherungen würden nicht zu den Verkehrsplanungen der Airlines und Reiseveranstalter passen, mahnte Pille eindringlich. Die Airlines und auch Eurocontrol selbst würden mit einer Rückkehr auf das Normalniveau bereits Anfang 2023 rechnen, in den Personalplanungen sei das aber erst ab Mitte 2024 vorgesehen. „Die Folge wären massive Verspätungen zur Hauptreisezeit, gestrandete Reisende in ganz Europa und ein Abwürgen der dringend benötigten wirtschaftlichen Erholung“, warnte Pille.

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Ein weiteres Problem: Die Flüge konzentrieren sich im Tagesverlauf stark auf einige wenige Spitzenzeiten. In den übrigen Zeiten gibt es etwa für die Mitarbeiter am Boden nichts zu tun, ihre Bezahlung läuft aber weiter. Für viele der durch die Pandemie angeschlagenen Dienstleister ist das ein ernstes Problem. Anbieter wie Wisag konnten die fehlenden Erlöse durch andere Sparten kompensieren. Wisag ist zum Beispiel auch im Gebäudemanagement tätig und bietet Industrie-Services an. Andere – vor allem die eigentümergeführten Unternehmen, die ausschließlich bei den Bodenverkehrsdiensten tätig sind – haben kaum noch finanziellen Puffer. Zumal die Dienstleister anders als Airlines und Airports keine Hilfe vom Staat bekamen.

Es habe schon immer Peaks bei der Arbeitslast gegeben, sagt Wisser von Wisag: „In der Pandemie sind diese Peaks aber deutlich spitzer geworden. Das ist ein Problem, denn nur für drei Stunden kommt kein Arbeitnehmer zum Flughafen.“ Aktuell helfe die Kurzarbeit bei diesem Problem. Wenn dieses Instrument aber Anfang 2022 auslaufe, werde das wirtschaftlich deutlich schwieriger für die Bodenverkehrsdienste.

Zum Teil könnten Mitarbeiter auf Teilzeitbasis zurückgeholt werden, die bei einer Airline etwa an Bord oder am Check-in gearbeitet haben und in den Ruhestand gegangen sind, schlägt Wisser vor. Das gehe aber nicht auf dem Vorfeld der Rampe, wo die Arbeit körperlich sehr anstrengend ist.

Wisag-Chef: Fliegen muss teurer werden

Deshalb sieht der Unternehmer keine andere Möglichkeit, als die Gebührenstruktur grundsätzlich zu ändern. „Ich glaube, wir werden um ein zeitgebundenes Pricing nicht herumkommen. Ein Flugzeug abzufertigen wird dann zum Beispiel um 8:30 Uhr doppelt so teuer sein wie um zehn Uhr.“ Das werde sicher zu intensiven Diskussionen mit den Airlines führen. „Aber irgendjemand muss die durch derartige Peaks verursachten Produktivitätsverluste bezahlen. Und das ist nun mal derjenige, der diese auch verursacht.“

Gleichzeitig setzt Wisser darauf, dass sich der harte Preiswettbewerb etwas entspannt. „Ich bin der festen Überzeugung, dass man mit Bodenverkehrsdiensten Geld verdienen kann“, sagt er. Er habe die Hoffnung, dass die Krise allen vor Augen geführt hat, dass es nicht sinnvoll ist, nur zu Grenzkosten um einen Auftrag zu kämpfen. „Ich bin zuversichtlich, dass bei Ausschreibungen künftig anbieterseitig stärker die Vernunft regiert.“

Zugleich richtet er einen grundsätzlichen Appell an die gesamte Branche: „Fliegen muss teurer werden. Und der erste Impuls muss hier von den Airlines kommen.“ Eingriffe des Gesetzgebers hält der Unternehmer dagegen für unnötig: „Wir brauchen keine neue Regulatorik. Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis dafür, dass Fliegen einen Wert hat, der auch monetarisiert werden muss.“ Es gebe nun mal eine Kostenstruktur, und die müsse durch Erlöse gedeckt werden.

Mehr: Die Luftfahrt steht vor einer Welle der Konsolidierung

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