Luftfahrt Easyjet wappnet sich für eine neunmonatige Betriebspause – Aktie legt kräftig zu

Im Zuge der Coronakrise hat die Airline seit Ende März die komplette Flotte stillgelegt.
Frankfurt, London Die Coronakrise hat die Airline-Branche hart getroffen, die Gesellschaften kämpfen ums Überleben. Auch der Billigflieger Easyjet stellt sich auf eine lange Durststrecke ein.
„Keiner weiß, wann es wieder weitergeht“, sagte Airline-Chef Johan Lundgren am Donnerstag in einer Telefonkonferenz. Easyjet habe deswegen mehrere Szenarien mit einem Stillstand der Flotte durchgespielt – mit einem Maximum von bis zu neun Monaten.
Selbst für diesen Fall sieht sich die britische Airline aber gewappnet, nachdem sie verschiedene Maßnahmen ergriff, etwa Einsparungen durch die Einführung von Kurzarbeit. Außerdem wurden mit Airbus vereinbarte Auslieferungstermine für 24 Flugzeuge in den kommenden Jahren neu ausgehandelt – wohl nicht ganz freiwillig, sondern auf Druck des Firmengründers Stelios Haji-Ioannou, dessen Familie noch 34 Prozent der Firmenanteile hält.
Der Milliardär hatte vor einigen Wochen öffentlich gefordert, dass Easyjet die Airbus-Order storniere und mit der Abberufung von Verwaltungsratsmitgliedern gedroht, sollten seine Forderungen nicht erfüllt werden. Das sei „nicht hilfreich“ gewesen, sagte Easyjet-Chef Lundgren.
Die Kritik habe nur von den tatsächlichen Herausforderungen abgelenkt, man musste schließlich weitreichende Schritte ergreifen. Diese hätten dazu geführt, „dass Easyjet gut positioniert ist, um eine längere Stilllegung der Flotte zu überstehen“, meint Lundgren.
Bei Anlegern kam die Nachricht gut an: Die Papiere von Easyjet legten am Donnerstagmorgen neun Prozent zu und waren damit Spitzenreiter an der Londoner Börse. Bei dem streitbaren Firmengründer weniger: Er meldete sich schon wenige Stunden nach der aktuellen Presseerklärung wieder zu Wort.
Er halte an seiner Meinung fest, dass bei Easyjet „Schurken“ am Werk seien, teilte Haji-Ioannou mit, weil nicht alle Bestellungen bei Airbus rückgängig gemacht worden seien. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung will er nach wie vor zwei Mitglieder des Verwaltungsrates abwählen lassen – und dazu noch Firmenchef Lundgren und Verwaltungsratschef John Barton.
Jeder Versuch, eine Flotte von mehr als 250 Flugzeugen – derzeit sind es 337 – in Betrieb zu bringen, müsse zwangsläufig dazu führen, dass 2021 „ein Haufen Geld verbrannt wird“, meint er.
Der Bedarf an Mitteln für das operative Geschäft – gemessen an der so genannten Cashburn-Rate, also den Mitteln, die im operativen Geschäft verbrannt werden – sei um ein Drittel auf 35 Millionen Pfund pro Woche gesunken, erklärte Konzernchef Lundgren. Insgesamt verfügt die Airline nun über Barmittel in Höhe von etwa 3,3 Milliarden Pfund.
Experten teilen Lundgrens Einschätzung: „Die Widerstandskraft“ von Easyjet sei gestiegen, urteilt Branchenanalyst Daniel Röska von Bernstein.
Der Branchenverband IATA hatte vor wenigen Tagen gewarnt, dass Airlines vor einer „katastrophalen“ Situation stünden: „Wir haben noch nie zuvor einen derart drastischen Einbruch erlebt“, sagte Verbandschef Alexandre de Juniac. Aktuellen Hochrechnungen zufolge rechne man mit einem Rückgang des Umsatzes im Passagierverkehr in diesem Jahr um 314 Milliarden Dollar oder von 55 Prozent: „In anderen Worten ausgedrückt: die Hälfte unseres Ertrags ist weg.“
Krise beendet harten Konkurrenzkampf
Die Lage sei dramatischer als noch vor einigen Wochen gedacht. Allein im zweiten Quartal könnten die Fluggesellschaften durch die Stilllegung ihrer Flotten 61 Milliarden Dollar Cash verbrennen. „Ohne Hilfsmaßnahmen werden viele Airlines das nicht überleben“, warnte de Juniac.
Auch Easyjet-Chef Lundgren betont die Dramatik der Lage: „Es geht um das Überleben der Branche„, erklärte er. Dass Easyjet doch noch Staatshilfe in Anspruch nehmen müsse, wollte Lundgren nicht ausschließen. „Wir schauen uns alle Optionen an“. Easyjet hatte Ende März im Zuge der Coronakrise seine komplette Flotte, bestehend aus 330 Flugzeugen, stillgelegt.
In den sechs Monaten bis dahin hatte die Airline einen Umsatz von 2,38 Milliarden Pfund erzielt, 1,6 Prozent mehr als im Jahr davor. Das Ergebnis vor Steuern dürfte bei minus 185 Millionen bis 205 Millionen Pfund liegen, teile Easyjet mit. Das sei immerhin ein besseres Ergebnis als im Vorjahr, als der Verlust 275 Millionen Pfund betragen habe. Würden man aber die Kosten für zu hohe Absicherungen auf den Ölpreis und Währungsschwankungen einberechnen, dürfte das Minus in der Bandbreite von 360 Millionen bis 380 Millionen Pfund liegen.
Für das laufende Geschäftsjahr will Lundgren keine Prognose abgeben, dafür herrsche zu viel Unsicherheit. Er rechnet damit, dass die derzeit geltenden Einschränkungen schrittweise aufgehoben werden: erst Inlandsflüge, dann auch wieder internationale Flüge.
Die Gesellschaften, die diese Krise durchstehen, werden wohl besser dastehen als zuvor. Schließlich hatte sich die Branche seit Jahren einen harten Konkurrenzkampf geliefert, der durch die Krise beendet wurde.
„Europas größte Airlines sind unserer Meinung nach in guter Verfassung um zu überleben und langfristig zu profitieren“, sagt Branchenanalyst Röska. Vor allem Ryanair stünde gut da, meint der Experte, aber auch IAG – die Muttergesellschaft von British Airways und Iberia – sowie Easyjet könnten in der Lage sein, selbstständig durch die Krise zu kommen.
Dramatische Lage bei Norwegian
Kleinere Fluggesellschaften bekommen durch die Coronakrise dagegen große Schwierigkeiten. So wird in Portugal derzeit intensiv über eine komplette Verstaatlichung von TAP nachgedacht.
„TAP hat eine grundlegende Bedeutung“, sagte Premierminister António Costas kürzlich. Er könne nicht ausschließen, dass es eines Tages notwendig sei, „die TAP oder ein anderes Unternehmen von dieser Bedeutung zu verstaatlichen“. Man könne und wolle es nicht riskieren, sie zu verlieren.
TAP gehört bereits zur Hälfte dem Staat, der Investor David Neeleman besitzt 45 Prozent, die Mitarbeiter fünf Prozent. Neeleman will sich aber schon länger von seinen Anteilen trennen. Vor dem Ausbruch der Krise war unter anderem Lufthansa als Interessent für TAP genannt worden.
Dramatisch ist die Lage auch bei Norwegian: Die Airline hat ihre Gläubiger zu einer Versammlung am 30. April geladen, wo diese einem Tausch ihrer Verbindlichkeiten in Eigenkapital zustimmen sollen. Tun sie das nicht, ist eine Staatsgarantie in Gefahr – und die Airline, die schon seit Jahren als gefährdet gilt, droht endgültig zu kollabieren.
Ryanair hingegen zählt zu den Airlines mit den besten Aussichten, die Krise zu überstehen. Der irische Billigflieger dürfte Unternehmensprognosen zufolge im Ende März abgeschlossenen Geschäftsjahr einen Gewinn zwischen 950 Millionen Euro und einer Milliarde Euro erzielt haben. Für das dann nun laufende Geschäftsjahr will aber auch Ryanair keine Prognose abgeben.
Gleichwohl teilte das irische Unternehmen mit, über Cashreserven in Höhe von 3,8 Milliarden Euro zu verfügen. Ryanair hatte ebenfalls Sparmaßnahmen eingeführt und dabei alle Gehälter für April und Mai um 50 Prozent gekürzt, auch das von Firmenchef Michael O´Leary.
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