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Luftfahrt Flugaufsicht befeuert Debatte über Cockpits mit nur einem Piloten

Computersysteme übernehmen einen großen Teil der Arbeit im Flugzeug. Doch können sie auch Menschen ersetzen? Im Frachtbereich wird bereits getestet.
02.03.2021 - 03:59 Uhr Kommentieren
Was in der Fracht schon getestet wird, dürfte im Passagierverkehr noch lange auf sich warten lassen: ein Flug mit nur einem Piloten oder einer Pilotin. Quelle: Bloomberg
Der Platz des Copiloten bleibt frei

Was in der Fracht schon getestet wird, dürfte im Passagierverkehr noch lange auf sich warten lassen: ein Flug mit nur einem Piloten oder einer Pilotin.

(Foto: Bloomberg)

Frankfurt Die europäische Luftfahrtaufsicht EASA befeuert eine seit Jahren emotional geführte Debatte. Bei einer Veranstaltung des Luftfahrtpresseclubs (LPC) hat sich EASA-Chef Patrick Ky dafür ausgesprochen, die Regeln für die Doppelbesetzung im Cockpit bald zu lockern.

Ky schlug vor, dass ein Pilot oder eine Pilotin während des sogenannten Reiseflugs eine längere Ruhepause einlegen könnte. Es seien „Flugphasen vorstellbar, in denen nicht unbedingt zwei Piloten im Cockpit erforderlich seien“. Langfristig hält es Ky auch für möglich, den gesamten Flug mit nur einem Flugzeugführer oder einer Flugzeugführerin zu absolvieren.

Der Vorstoß mitten in der schwersten Krise der Luftfahrt, in der Piloten und Pilotinnen eh um ihre Jobs bangen, alarmiert die Gewerkschaften. Die Vereinigung Cockpit (VC) lehnt das Vorhaben ab. Bei den aktuell verfügbaren technischen Möglichkeiten würde dies das hohe Sicherheitsniveau in der Luftfahrt gefährden, erklärt VC-Vorstandsmitglied Björn Reimer.

Im Frachtbereich wird das „Single Pilot Cockpit“ bereits getestet. So startete vor einigen Tagen in den USA eine ATR 42 des Logistikkonzerns Fedex, bei der nur ein Flugzeugführer und jede Menge Software an Bord waren. Mit dem Pilotversuch, über den das Fachportal „The Air Current“ berichtete, wollen Fedex und das Luftfahrtunternehmen Sikorsky untersuchen, was technisch machbar ist.

Bis allerdings auch bei Passagierflugzeugen nur noch ein Mensch im Cockpit sitzen wird, dürfte es noch einige Jahre dauern. Das wohl größte Problem hier ist die Akzeptanz der Fluggäste.

Verlockende Aussicht, Pilotengehälter zu drücken

Doch das Fedex-Projekt und die Aussagen des EASA-Chefs zeigen: Aus der schon seit vielen Jahren diskutierten Vision soll irgendwann Realität werden. Fluggesellschaften stehen unter einem enormen Kostendruck. Treibstoffpreise und Gebühren können sie kaum beeinflussen, es bleiben die Personalkosten. Und vielen Airline-Managern sind die teilweise immer noch sehr komfortablen Tarifverträge der Flugzeugführer ein Dorn im Auge.

Die Luftfahrtkonzerne Airbus und Boeing arbeiten seit Längerem am „Ein-Mann- oder Eine-Frau-Cockpit“. Airbus stellte im Mai 2019 ein entsprechendes Konzept vor. Software und Künstliche Intelligenz sollen das zweite Crewmitglied weitgehend ersetzen.

Die Systeme sollen eines Tages in der Lage sein, die Anweisungen der Fluglotsen in Text zu übersetzen. Gleichzeitig sollen spezielle Kameras die Beschilderung der Rollwege erkennen können. Auch will Airbus die aus dem autonomen Fahren bekannte Lasertechnologie Lidar benutzen. In Verbindung mit Infrarotkameras soll es möglich sein, auch an Flughäfen automatisiert zu landen, die kein entsprechendes ILS-System haben.

Die technischen Herausforderungen sind allerdings gewaltig. Voraussetzung für eine Reduzierung auf nur noch einen Piloten oder eine Pilotin ist eine absolut stabile Kommunikationsverbindung zum Boden. Dort muss immer jemand sein, der im Notfall eingreifen kann.

Nicht zuletzt der Erfahrung der beiden Piloten ist es zu verdanken, dass der Jet wieder sicher am Flughafen Denver landen konnte. Quelle: dpa
Brennendes Triebwerk eines Jets von United Airlines

Nicht zuletzt der Erfahrung der beiden Piloten ist es zu verdanken, dass der Jet wieder sicher am Flughafen Denver landen konnte.

(Foto: dpa)

Die bisherige Technologie – im Wesentlichen eine Datalink-Infrastruktur – kann das noch nicht leisten. Hinzu kommt die Gefahr, dass Hacker oder Terroristen die Kommunikation angreifen. Die Flugzeughersteller verweisen indessen darauf, dass 90 Prozent der Flugzeugunglücke laut Statistik auf menschliches Versagen zurückgehen. Deshalb sei mehr IT im Cockpit wichtig.

Dagegen wehren sich die Pilotenvertretungen auch gar nicht. Doch sie weisen darauf hin, dass der Computer den Menschen letztlich nicht ersetzen könne.

Piloten greifen häufiger ein als vermutet

Tatsächlich zeigen Vorfälle wie das Beinahe-Unglück einer Boeing 777 von United Airways vor einigen Tagen, wie wichtig eine gut geschulte Crew in Doppelbesetzung ist. Kurz nach dem Start von Flug UA328 in Denver wurde eines der Triebwerke zerstört. Schwere Teile fielen in Vorgärten, Passagiere filmten den brennenden Motor. Die ganze Maschine vibrierte deutlich.

Für die Fluggäste muss es ein Schock gewesen sein. Die Piloten riefen „Mayday“ – den Notfall – aus. Doch routiniert arbeiteten sie die Checkliste ab und steuerten den Jet sicher zurück nach Denver.

Gleichzeitig zeigt das Desaster der Boeing 737 Max, dass der Softwareeinsatz im Flugzeug wohlüberlegt und sehr gut getestet sein will. Zwei Flugzeuge dieses beliebten Musters stürzten innerhalb weniger Monate ab, weil die Software, die das Flugzeug vor einem Strömungsabriss schützen sollte, den Jet viel zu aggressiv zu Boden drückte.

Die Aufzeichnungen aus Flugschreibern und Stimmenrekordern zeigen, unter welchem Stress die Flugzeugführer standen und verzweifelt versuchten, das Flugzeug noch abzufangen. Der eine steuerte gegen die Systeme, der andere suchte hektisch in der Checkliste nach richtigen Anweisungen. Doch gegen das System, von dem sie nicht einmal wussten, hatten sie keine Chance.

Außenstehende unterschätzen, wie die Arbeit von Piloten im Cockpit aussieht. Sie lesen, dass weite Strecken mit dem Autopiloten geflogen werden, die Piloten würden sich langweilen und quatschen. Gerade die viel beflogenen „Autobahnen“ am Himmel dürfen in der Tat nur mit dem Autopiloten abgeflogen werden – aus Sicherheitsgründen. Die Flugzeugführer sind in der Phase dazu da, die Systeme zu überwachen und falls notwendig Dinge anzupassen.

Dieses Anpassen geschieht weitaus häufiger, als viele annehmen. Und nicht jeder wichtige Eingriff eines Piloten muss sofort den Behörden gemeldet werden. Gleichzeitig sind in vielen dieser Fälle beide Piloten mitsamt ihrer ganzen Erfahrung gefragt.

Man versuche die Situation gemeinsam zu lösen, beschrieb Janis Schmitt, Pilot und Sprecher der VC, in einem Interview mit dem Handelsblatt kurz nach dem zweiten Absturz einer 737 Max das Vorgehen: „Es geschieht nichts, was nur einer sieht. Denn wir Menschen neigen dazu, nur Dinge zu sehen, die wir sehen wollen. Das kann im Cockpit fatale Folgen haben.“ Die Systeme seien wichtig, so Schmitt: „Aber ein Computer kämpft weniger um sein Leben als ein Mensch. Und das kann im Zweifel entscheidend sein.“

Mehr: Wie Wasserstoff das emissionsfreie Fliegen möglich machen soll

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