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Luftfahrt Lufthansa holt sich neue prominente Aufsichtsräte – und will sich so neu aufstellen

Chefkontrolleur Kley holt Digitalwissen ins Kontrollgremium. Die Botschaft: Die Zeit komplexer Strukturen ist vorbei – erst recht nach Corona.
24.04.2020 - 15:18 Uhr 1 Kommentar
Stillstand auf dem Rollfeld: Lufthansa fliegt kaum noch und verliert täglich viele Millionen Euro an Liquidität. Quelle: Reuters
Geparkte Lufthansa-Jets am Flughafen Frankfurt

Stillstand auf dem Rollfeld: Lufthansa fliegt kaum noch und verliert täglich viele Millionen Euro an Liquidität.

(Foto: Reuters)

Frankfurt Wenn die Aktionäre der nach Umsatz größten europäischen Fluggesellschaft am 5. Mai zur Hauptversammlung zusammenkommen, ist das eine besondere „Jahresversammlung“. Sie wird wegen der Kontaktbeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie virtuell stattfinden. Die Vorträge werden gestreamt, Aktionäre können ihre Fragen vorab einreichen und nach einer entsprechenden Registrierung digital abstimmen.

Spontane Fragen können nicht gestellt werden. So hat es der Gesetzgeber in einem eilig verabschiedeten Gesetz festgelegt, damit die Aktionärstreffen trotz Corona stattfinden können. Für die Anteilseigener dürfte es eine schwierige Situation sein, gibt es doch gerade dieses Mal so viel zu besprechen – nicht nur wegen der heftigen Folgen des Coronavirus für die Luftfahrt. Die Tagesordnung enthält auch jenseits der Pandemie interessante Themen.

Etwa die Neubesetzung eines großen Teils des Aufsichtsrats. Mit Ex-Adidas-Chef Herbert Hainer, der Thyssen-Chefin Martina Merz, Michael Nilles, Chief Digital und Information Officer bei Henkel, und dem früheren Verkehrsminister Matthias Wissmann haben gleich vier Mitglieder ihren Ausstieg aus dem Kontrollgremium angekündigt. Es ist ein schwerer Verlust für Lufthansa. Immerhin: Stephan Sturm, Chef der Fresenius Management SE, dessen Vertrag ebenfalls ausläuft, will noch mal verlängern und bleibt der Airline erhalten.

Die andere gute Nachricht. Die Nachfolger können in puncto Prominenz mindestens mit den scheidenden Mitgliedern mithalten. Zur Wahl stellen sich den Aktionären der frühere IBM-Top-Manager Erich Clementi, Ex-Airbus-Chef Thomas Enders, Harald Krüger, bis vor kurzem Chef von BMW, und Axa-Vorständin Astrid Stange. „Das Kontrollgremium dürfte damit zu den am prominentesten besetzen Aufsichtsräten im Dax gehören, wenn die Aktionäre der Wahl zustimmen“, sagt eine Führungskraft von Lufthansa.

Finanzressort wird aufgeteilt

Es sei vor allem dem guten Netzwerk von Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley zu verdanken, dass das Kontrollgremium der Airline-Gruppe so professionell nachbesetzt werden könne, so der Manager. Gerade mit Blick auf die wohl größte Krise in der Luftfahrt und auch bei Lufthansa seien das geballte Wissen und die Erfahrungen im Aufsichtsrat wichtig.

Doch neben dem alles dominierenden Thema Corona gibt es hinter den geplanten Aufsichtsratsberufungen noch eine andere Agenda: die Stärkung der Digitalkompetenz im Kontrollgremium. Schon der scheidende Aufsichtsrat Nilles hat hier als ausgemachter Experte für die digitale Transformation von Unternehmen gewirkt. Mit Clementi und Stange wird er nun im Prinzip gleich doppelt ersetzt.

Natürlich hat die Lufthansa-Führung in der aktuellen Coronakrise zunächst andere Themen als die IT des Unternehmens. Das Unternehmen muss die Krise bewältigen und dafür sorgen, dass der Liquiditätsabfluss nicht zu groß ist.

Wie sehr es an dieser Stelle brennt, haben die vorläufigen Zahlen des ersten Quartals gezeigt, die der Konzern am vergangenen Donnerstag publizierte. So stieg der bereinigte Betriebsverlust (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) – in den reiseschwachen ersten drei Monaten schreiben viele Fluggesellschaften traditionell rote Zahlen – von 336 Millionen Euro auf satte 1,2 Milliarden Euro.

Für das zweite Quartal erwartet das Management einen noch höheren Verlust, da nicht absehbar sei, wann der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden könne. Alles das geht zu Lasten der Liquidität. Weil die Airline-Gruppe nur einen minimalen Rumpfflugplan anbietet, fehlen große Teile der Einnahmen.

Gleichzeitig laufen die Fixkosten zum Teil weiter, auch wenn der Konzern rund zwei Drittel der rund 135.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt hat. Stündlich würde eine Million Euro an Liquidität abfließen, hat CEO Carsten Spohr kürzlich in einer internen Botschaft an die Mitarbeiter vorgerechnet.

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Aktuell liegt die Liquidität nach Angaben des Konzerns bei 4,4 Milliarden Euro, werde in den kommenden Wochen aber deutlich sinken. „Der Konzern rechnet nicht damit, den entstehenden Kapitalbedarf mit weiteren Mittelaufnahmen am Markt decken zu können“, wird in der Ad-hoc-Mitteilung eindringlich gewarnt.

Seit längerem wird mit den Regierungen in den Ländern der Airlines – also Deutschland, der Schweiz, Belgien sowie Österreich – über die Möglichkeit von Staatshilfen verhandelt. Das diskutierte Volumen: neun bis zehn Milliarden Euro. Auch der mögliche Einstieg von Staaten bei den Fluggesellschaften, etwa als stille Beteilung, wird dabei erörtert. Schon in den nächsten Tagen könne ein Rettungspaket stehen, ist in Verhandlungskreisen zu hören.

In dieser brisanten Situation ist erst einmal geballte Finanzkompetenz gefragt, das weiß Kley. Deshalb wurde der Posten des CFO vorerst nicht neu besetzt, sondern die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt. Finanzchef Ulrik Svensson hatte vor kurzem sein Mandat aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt.

Im Vorstand übernimmt Spohr zusammen mit seinen Kollegen Thorsten Dirks, Christina Foerster und Michael Niggemann die Aufgaben von Svensson. Bei den sensiblen Verhandlungen mit den Regierungen ist sowieso Spohr gefragt. Die vier werden zudem von einem Team erfahrener Finanzexperten auf Executive-Ebene unterstützt. „Wir sind überzeugt davon, dass diese Teamlösung die richtige Struktur ist, um zügig die notwendigen Weichenstellungen zur Bewältigung der Krise vorzunehmen“, so Kley.

Lufthansa muss schlanker werden

Doch klar ist auch: Bei der Besetzung des Aufsichtsrats muss Kley über die Coronakrise hinausschauen. Und da ist und bleibt die digitale Transformation eine der wichtigsten und sicher größten Herausforderungen für den Konzern, daran ändert das Coronavirus nichts. Die Krise dürfte den Druck, hier voranzukommen, sogar eher noch erhöht haben.

Lufthansa wird nach dem Ende der Pandemie kleiner sein als bisher. Das hat Konzernchef Spohr mehrfach deutlich gemacht. Eine kleinere Lufthansa muss aber insgesamt schlanker aufgestellt sein. Der Konzern kämpft seit Jahren mit seiner hohen Komplexität, die rasche Entscheidungen behindert und zuweilen die Umsetzung guter und neuer Ideen erschwert.

Die neuen Aufsichtsratsmitglieder dürften sehr genaue Vorstellungen darüber haben, wie das Management den Konzern vereinfachen kann. Clementi etwa war bei IBM unter anderem für deren gesamtes Geschäft in Nordamerika und Europa zuständig. Der 61-jährige gebürtige Italiener, der den Aufsichtsrat des Energiekonzerns Eon führt, kennt sich bestens mit dem digitalen Geschäft und der Digitalisierung von Kundenprozessen sowie Cybersecurity aus.

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Besonders wichtig dabei: Clementi weiß, wie man Unternehmen digital ertüchtigt und dabei die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht aus den Augen verliert. Das ist insbesondere bei Lufthansa ein großes Thema, wo es viele starke Gewerkschaften gibt, die auch bei strategischen Überlegungen traditionell mitreden.

Auch Astrid Stange kombiniert tiefes IT-Wissen mit Erfahrungen im Personalwesen. Die 54-Jährige ist seit 2017 im Axa-Konzern Chief Operating Officer. Die Managerin habe bisher einen „Superjob“ gemacht, beschreiben Wegbegleiter in der Konzernzentrale in Paris das bisherige Schaffen der Managerin. Sie habe die gesamte IT der Versicherungsgruppe umgestellt, sei sehr stark beim Thema Innovationen und bereite alle Teile des Konzerns auf den digitalen Wandel vor.

Schon in ihrer vorherigen Funktion bei Axa in Deutschland glänzte sie mit diesen Fähigkeiten, weshalb sie der deutsche Axa-CEO Thomas Buberl nach Paris in die Zentrale holte. In Deutschland bewies sie darüber hinaus noch bei einem anderen Thema viel Geschick: die Integration und Konsolidierung unterschiedlichster Unternehmensteile. Die deutsche Axa ist ein Zusammenschluss vieler einstmals bekannter Namen wie etwa Colonia, Nordstern, DBV-Winterthur oder Roland Rechtsschutz.

Kernmarke zählt zum Premiummarkt

Ähnliches gilt für Lufthansa. Durch Übernahmen gibt es in der Gruppe zahlreiche Airline-Marken mit teils sehr unterschiedlicher Ausrichtung. Die Kernmarke Lufthansa zielt zusammen mit der Schweizer Swiss auf den Premiummarkt. Auch die österreichische AUA bietet überwiegend Premiumverkehre an, hat aber gleichzeitig mit dem Heimatflughafen Wien einen Standort, der extrem durch Billigrivalen wie Ryanair, Easyjet oder Wizz Air geprägt ist.

Die belgische Brussels wiederum ist ein bekannte Anbieter von Afrikaverkehren, muss aber wie AUA in Brüssel mit starker Billigkonkurrenz leben. Eurowings dagegen ist auf den Billigmarkt und dort den Europaverkehr konzentriert.

Das Problem: Die Durchlässigkeit zwischen all diesen Marken ist trotz aller Bemühungen nach wie vor mangelhaft. Das spüren die Passagiere, die zum Beispiel nicht so ohne weiteres von einer Konzern-Gesellschaft auf eine andere umbuchen können.

Ein entsprechendes Projekt, mit der die IT aller Airline-Marken konsolidiert werden sollte, hängt mittlerweile deutlich im Zeitplan. Es geht aber auch um die IT im Hintergrund, von der der Fluggast zunächst wenig mitbekommt. Wie fast alle Airlines auf der Welt arbeitet Lufthansa noch stark mit sogenannter Legacy-IT, also älteren Systemen, die nicht moderner Standardsoftware entsprechen. Das macht etwa die Anbindung neuer digitaler Services oder Ideen schwer. Eine Erneuerung der IT kommt aber einer Operation am offenen Herzen gleich, denn der gesamte Flugbetrieb hängt an funktionierenden digitalen Prozessen.

Die Zusammensetzung des neuen Aufsichtsrats, der nach der Hauptversammlung am 5. Mai zu seiner ersten konstituierenden Sitzung zusammenkommen wird, ist deshalb auch ein klares Signal an das Management der Airline, bei der Vereinfachung des Konzerns nicht nachzulassen – auch nicht in Coronazeiten.

„Die vorgenannten Vorschläge des Aufsichtsrats stützen sich auf die Empfehlung des Nominierungsausschusses, berücksichtigen die vom Aufsichtsrat für seine Zusammensetzung beschlossenen Ziele und streben die Ausfüllung des vom Aufsichtsrat erarbeiteten Kompetenzprofils für das Gesamtgremium an“, heißt es etwas kryptisch formuliert in der Tagesordnung zur Hauptversammlung.

Anders ausgedrückt: Die Nachfolger werden den Aktionären ganz gezielt wegen ihrer speziellen Kenntnisse vorgeschlagen und nicht, weil sie Top-Managerinnen oder Top-Manager sind.

Mehr: Ryanair-Chef O'Leary kritisiert Staatshilfen

Mitarbeit: Thomas Hanke, Christian Schnell

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1 Kommentar zu "Luftfahrt: Lufthansa holt sich neue prominente Aufsichtsräte – und will sich so neu aufstellen"

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  • Die Welt wird nach CORONA ein ganz andere sein: viel weniger Luftverkehr, aber auch viel weniger Bahn und ÖPNV. Die Menschen werden jetzt dazu erzogen, alles zu meiden, was mit zu engem menschlichen Kontakt einhergeht. Der Individualverkehr wird stark zulegen. Lieber sitze ich stundenlang in meinem Auto im Stau als dass ich mich in die öffentlichen Viehtransporter (Coronaschleudern !) zwängen lasse. Natürlich mit RICHTIGEM Motor an Bord, die lächerlichen Elektrokisten werden sich - wie vor 100 Jahren schon einmal - nicht durchsetzen.

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