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Luftfahrtkonzern Frankreich will mehr Kontrolle über Airbus

Frankreichs Staatspräsident drängt, Airbus wieder stärker unter politische Kontrolle zu bringen. Doch Berlin ist deutlich zurückhaltender als Paris. Korruptionsvorwürfe gegen Airbus sind ein Trumpf für Emmanuel Macron.
01.11.2017 - 18:15 Uhr 1 Kommentar
Die Korruptionsvorwürfe belasten den Konzern. Quelle: picture alliance / ZB/euroluftbi
Airbus-Produktion in Finkenwerder

Die Korruptionsvorwürfe belasten den Konzern.

(Foto: picture alliance / ZB/euroluftbi)

Paris „Wir müssen uns auf Turbulenzen vorbereiten“, schrieb Tom Enders Anfang Oktober an die rund 130.000 Mitarbeiter. Wie stürmisch es wird, war ihm da vielleicht noch nicht klar: Nach den Untersuchungen der britischen Antikorruptionsbehörde Serious Fraud Office (SFO) und des französischen Parquet National Financier (PNF) könnten nun auch noch die US-Behörden ermitteln. Der Anlass: Airbus hat zugegeben, gegen die US-Vorschriften für militärische Beschaffungen (ITAR) verstoßen zu haben.

Die Furcht davor, dass Airbus ähnlich wie Siemens, Alstom und VW unter Aufsicht der amerikanischen Justiz geraten könnte, vielleicht gar den Zugang zum amerikanischen Markt verliert, liefert dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron Argumente, den Einfluss auf das Top-Management wieder zu intensivieren. Seit einiger Zeit drängt er die deutsche Kanzlerin, die politische Kontrolle des Unternehmens zu verstärken. So könnten Vertreter der jeweiligen Regierungen wieder Sitze im Verwaltungsrat erhalten. Für die Unternehmensführung käme das einer Rückkehr in eine eher düstere Vergangenheit gleich.

In Berlin wird der Vorschlag verhalten aufgenommen. Ob durch die Entsendung von Regierungsvertretern die Lage von Airbus besser wird, erschließe sich nicht, heißt es in Berliner Regierungskreisen. Ein Blick auf Unternehmen wie die Bahn zeige, dass Politiker nicht zwangsläufig bessere Manager seien. Es wäre schon viel getan, wenn die Kommunikation zwischen Vertretern des Boards und den Regierungen besser würde. Zudem müsste in Deutschland erst eine künftige Regierung eine gemeinsame Linie dazu finden.

Technisch und wirtschaftlich ist Airbus eine europäische Erfolgsgeschichte. Doch wie der aktuelle Versuch der französischen Regierung, „die Zügel anzuziehen“ - so ein Macron-Vertrauter - zeigt, gleicht der Weg zu einer modernen Unternehmensführung einem Hürdenlauf. Zwei Seelen schlagen in der Brust der Gründerstaaten: Sie wollen einen europäischen Champion, der erfolgreich als Privatunternehmen am Markt agiert. Aber immer wieder meinen die Regierungen, sie könnten es doch besser als das unabhängige Management.

Paris wendet sich nicht direkt gegen den Deutschen Konzernchef Tom Enders, sondern eher gegen den Vorsitzenden des Verwaltungsrats, den Franzosen Denis Ranque. Die Regierung hat offenbar den Eindruck, dass Ranque mit der Kontrolle Enders überfordert ist. Zudem scheint Ranque an einer Intrige des COO Fabrice Brégier beteiligt, die darauf zielt, Enders zu destabilisieren. Brégier, so wird berichtet, würde wohl gerne selbst Chef werden. Die von Enders spät, aber nun energisch betriebene Selbstreinigung des Konzerns von korrupten Praktiken sieht mancher in Paris als unsinnig, gar selbstmörderisch an.

Doch hinter dem Vorstoß aus dem Elysée steckt noch etwas anders: Die Überzeugung, dass man sich vor ein paar Jahren hat über den Tisch ziehen lassen. 2013 verzichteten die Regierungen in Paris und Berlin darauf, Airbus zu steuern und gaben sogar ihre Posten im Verwaltungsrat auf. Dem Unternehmen hat diese Unabhängigkeit zumindest betriebswirtschaftlich gut getan: Die Zahl der Neubestellungen und der Auslieferungen schoss in die Höhe. Der Aktienkurs hat sich seither vervierfacht.

Die 2013 beschlossene Führungsstruktur hatte übrigens niemand anders als Macron selbst verhandelt: Damals amtierte er als Wirtschaftsberater von Präsident François Hollande. Doch die aktuelle Krise um Korruptionsvorwürfe einerseits, das ständige Sticheln eines Teils der Pariser Elite gegen das unabhängige Management andererseits, lassen ihn nicht kalt. Kein Tag vergeht, ohne dass eine französische Zeitung darüber jammert, dass Frankreich den Einfluss auf Airbus, „die Blüte unserer Industrie“ verloren habe, Enders ein Autokrat sei oder der Deutsche den Amerikanern die Tür öffne. Und Chefsyndikus John Harrison sehen führende Franzosen als „den Amerikaner“, der im Auftrag dunkler US-Mächte Airbus unterminiere. Dabei ist der Mann Engländer mit deutscher Mutter und hat den größten Teil seiner Karriere bei Airbus absolviert.

Das Hineinregieren der Staaten hat eine lange Geschichte. Durch Kapitalbeteiligungen, Subventionen und politischen Druck haben sie versucht, Airbus zu steuern. Dabei stand am Anfang eine klare europäische Vision: „Das wichtigste Ziel unserer Industriepolitik ist, dass unsere europäische Flagge nicht völlig vom Himmel verschwindet und wir nicht auf den Bau von Sportflugzeugen beschränkt werden“, sagte der frühere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß im Jahr 1977.

Der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende der schon 1970 gegründeten zivilen Airbus-Gesellschaft verstand besser als viele andere, dass die Europäer, wenn überhaupt, den Amerikanern nur gemeinsam Paroli bieten könnten. Im Juli 2000 legten Frankreich, Spanien und Deutschland den größten Teil ihrer Geschäfte in der zivilen und militärischen Luft- und Raumfahrt und Verteidigungselektronik zusammen: die zu Daimler gehörende Dasa, die französische Matra-Aérospatiale (Lagadère) und die spanische Casa gründeten EADS. Deutschland und Frankreich hielten je 30 Prozent, die spanische Industrieholding Sepi 5,5 Prozent der Anteile. Für saubere Praktiken sorgten die Staatsbeteiligungen nicht: Die heute untersuchten Fälle möglicher Korruption spielten sich ab, als die Regierungen starken Einfluss ausübten.

Auf allen Positionen wurde auf ein deutsch-französisches Gleichgewicht geachtet. Das Joint Venture wurde dennoch von Machtkämpfen zerrissen, allerdings innerhalb der französischen Führungsriege. „Es war immer ein Mittel im persönlichen Machtkampf, sich in die nationale Fahne zu hüllen, um ein nationales Interesse vorzugaukeln“, sagt ein früherer französischer Airbus-Topmanager. EADS bekam eine Doppelspitze, seit 2005 mit Tom Enders und dem Franzosen Noël Forgeard.

Im Juli 2007 einigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Nicolas Sarkozy, zur „Verbesserung der Führungseffizienz und Realisierung der besten Governance-Praktiken“ auf die Doppelstruktur zu verzichten. Jean-Louis Gallois, ein früherer Bahnchef, wurde 2007 zum alleinigen CEO ernannt. Enders wurde sein Stellvertreter und führte Airbus Zivilflugzeuge. Dafür wurde der Deutsche Rüdiger Grube Vorsitzender des Verwaltungsrats.

Verabredet wurde auch, Enders solle auf Gallois folgen. Das geschah 2012. Was den beiden Regierungen anfangs nicht richtig klar war: Der Deutsche wollte EADS/Airbus zu einem normalens Industrieunternehmen machen, frei von politischer Bevormundung. Doch schon im ersten Jahr holte er sich eine blutige Nase: Deutschland verweigerte den von Enders und seinem französischen Strategiechef Marwan Lahoud betriebenen Zusammenschluss mit der britischen BAE Systems. Europa hätte einen einheitlichen Rüstungskonzern bekommen – doch Berlin legte 2012 sein Veto ein. Enders und Lahoud reagierten wie gute Judo-Kämpfer: Den Schwung ihrer Gegner nutzten sie zur Gegenattacke. Lagardère und Daimler wollten ihre Anteile loswerden. Es drohten eine hohe deutsche und eine größere französische Beteiligung. Enders verlangte von den Staaten, nicht etwa aufzustocken, sondern ihre Beteiligung dauerhaft zu reduzieren und dies schriftlich festzulegen.

Im März 2013 erreichten Enders und Lahoud ihren größten Erfolg: Airbus wurde von einem deutsch-französischen Joint Venture zu einem unabhängigen Unternehmen. Daimler verkaufte seine Aktien an eine Beteiligungsgesellschaft, die von der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau und Instituten aus Bremen und Bayern geführt wird. Der deutsche und der französische Staat reduzierten ihren Aktienbesitz auf je elf Prozent. Der wichtigste Punkt betraf den Verwaltungsrat: Die Staaten gaben ihre Sitze auf. Je zwei Mitglieder werden zwar im Einvernehmen mit der deutschen und französischen Regierung ernannt, aber auf Vorschlag von Airbus. Die Verwaltungsräte sind den Regierungen nicht rechenschaftspflichtig.

Diese unabhängige Unternehmensführung steht nun auf dem Spiel. „Airbus braucht eine andere Governance“, beschwören französische Regierungskreise. Aber die Staaten können nicht so einfach durchgreifen. Im Verwaltungsrat fehlen ihnen die Stimmen dazu. Ob sie auf einer Hauptversammlung die Mehrheit bekämen, ein neues Board zu installieren, ist ungewiss. Die freien Aktionäre, immerhin rund 75 Prozent des Kapitals, wünschen sich nichts weniger als eine Airbus an der Leine der Hauptstädte. Und kaufen können die Staaten die Aktienmehrheit nicht mehr: Dafür ist der Champion dank seiner kommerziellen Erfolge mit einer Marktkapitalisierung von über 67 Milliarden Euro zu wertvoll.

Schon der Versuch, Airbus wieder unter staatliche Obhut zu stellen, könnte üble Folgen haben. Das Management, mit dem Hochfahren der Flugzeugproduktion, der Fusion mit der Flugzeugsparte von Bombardier, der Entwicklung einer europäischen Drohne und der Aufarbeitung des Korruptionsskandals bis zum Anschlag ausgelastet, müsste den Abwehrkampf aufnehmen. Viele Aktionäre fühlten sich abgeschreckt, der Kurs könnte leiden.

Das aktuelle Board ist keineswegs untätig. Es ist geprägt von hoch professionellen Mitgliedern, deren Mandat teilweise bis 2020 läuft. Der aus dem Rüstungsunternehmen Thales stammende Ranque ist mittlerweile umstritten, doch die anderen Mitglieder nicht. Sie verfolgen die Korruptionsermittlungen aus nächster Nähe - und bereiten einen Generationenwechsel im Management vor. In den kommenden Wochen tritt der langjährige Verkaufschef John Leahy ab. Sein ganzer Bereich wird neu organisiert werden, um blütenreine Verkaufspraktiken zu sichern.

Perspektivisch wird eine große Zahl der Vorstandsmitglieder ausscheiden: Man rechnet nicht mehr damit, dass Enders nach 2019 ein weiteres Mandat als Chef anstrebt, selbst wenn er sich so lange halten sollte. Sein Vize Bréger „gilt als belastet“, heißt es in Unternehmenskreisen. Auch weitere Mitglieder des Vorstands müssen möglicherweise gehen. Sollten die Regierungen bei der Neubesetzung mitreden wollen, sollte also das Vertrauen der Regierung mehr zählen als Professionalität, würde das Airbus mehr schaden als nützen.

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1 Kommentar zu "Luftfahrtkonzern: Frankreich will mehr Kontrolle über Airbus"

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  • "In Berlin wird der Vorschlag verhalten aufgenommen. Ob durch die Entsendung von Regierungsvertretern die Lage von Airbus besser wird, erschließe sich nicht, heißt es in Berliner Regierungskreisen. Ein Blick auf Unternehmen wie die Bahn zeige, dass Politiker nicht zwangsläufig bessere Manager seien." Man erinnere sich an Otto Wiesheu, er überfährt besoffen Menschen und wird dann Chef bei der Bahn - dort hat er auch nichts gerissen. ES IST WICHTIG DIE POLITIK VON AIRBUS FERN ZU HALTEN - AUCH AUS ANDEREN GRÜNDEN:
    "Die heute untersuchten Fälle möglicher Korruption spielten sich ab, als die Regierungen starken Einfluss ausübten." AIRBUS HAT SELBST AUF DIE THEMEN HINGEWIESEN, DAMIT DIESE UNTERSUCHT WERDEN - ZU DIESEM ZEITPUNKT WAR AIRBUS UNABHÄNGIG VON DER POLITIK
    ALLERDINGS MUSS MAN ABER AUCH MAL DIE POLITK LOBEN: " Deutschland verweigerte den .... Zusammenschluss mit der britischen BAE Systems" DAMALS WÄRE AIRBUS FÜR NEN APPEL UND N EI NACH ENGLAND GEGANGEN!!! UND DANN AUCH NOCH DIE BREXIT - THEMATIK!!!

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