Lufthansa Cargo-Chef Gerber: „Jetzt liefern wir von Tür zu Tür“
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Lufthansa Cargo-Chef Gerber„Jetzt liefern wir von Tür zu Tür“
Lufthansa Cargo könnte früher als geplant wieder in die Gewinnzone kommen. Vorstandschef Peter Gerber erklärt im Interview die Gründe, spricht über Sorgen des Transportunternehmens im US-Geschäft und drastische Sparpläne.
Die Grenzen in der Logistikkette verschwinden – das Transportunternehmen bietet nun Lieferungen von Haustür zu Haustür an.
FrankfurtPer Mausklick die Fracht von Tür zu Tür: In das neu entdeckte Geschäftsmodell, das Transportleistungen nach dem Vorbild von Ebay vermittelt, fließen seit Monaten weltweit Milliarden. Während klassische Speditionen um ihr traditionelles Transportvermittlungsgeschäft bangen, sortiert sich die Branche neu. DHL startete im Februar den Online-Frachtbroker „Saloodo“, fast gleichzeitig beteiligte sich DB Schenker an der Konkurrenzplattform „Uship“, Taxivermittler Uber ging mit „Uber Freight“ an den Start. Dass auch Transporteure den Tür-zu-Tür-Service beherrschen, will nun Lufthansa-Cargo-Chef Peter Gerber beweisen, der an diesem Morgen gut gelaunt in seinem Büro in unmittelbarer Nähe zum Tor 21 des Frankfurter Flughafens sitzt.
Herr Gerber, Lufthansa Cargo versucht sich mit einem neuen Angebot. Die Onlineplattform myAirCargo erlaubt es erstmals Privatkunden, Fracht bei Ihnen aufzugeben. Weshalb? Wir wenden uns gezielt an die Lufthansa-Passagiere, sie fragen durchaus danach. Und wir lernen bei dem Projekt. Bisher haben uns die Spediteure in die Lieferkette integriert. Jetzt lernen wir, wie man selbst so eine Lieferkette integriert.
Das müssen Sie erklären. Wir sind bislang ausschließlich im Geschäft Airport zu Airport tätig. Alles, was davor und danach kommt, ist nicht Teil unseres Geschäfts. Bei myAirCargo liefern wir von Tür zu Tür. Wir sind jetzt diejenigen, die die Partner für die komplette Lieferkette suchen und integrieren. Das ist wichtig.
Warum? Weil die Grenzen in der Logistikkette zunehmend verschwimmen. Ein Beispiel: Amazon war viele Jahre der klassische Shipper, also der Auftraggeber, der Waren versendet und sich dafür die entsprechenden Partner sucht. Mittlerweile baut das Unternehmen eine umfassende eigene Logistik auf. Wollen wir weiter unsere Dienstleistungen erfolgreich anbieten, müssen wir wissen, wie der gesamte Prozess funktioniert, wie wir uns auch mit anderen Partnern in der Lieferkette vernetzen, mit denen wir bisher wenig zu tun hatten.
Peter Gerber
Der Lufthansa-Cargo-Chef will das Wachstum des Unternehmens beschleunigen.
Der Schachexperte, der früher in der Bundesliga spielte, verfügt über viel Geduld. Das half ihm etwa als Personalchef der Lufthansa-Passagiersparte bei den Tarifverhandlungen. Begleiter beschreiben seinen Führungsstil als ruhig und besonnen, aber durchsetzungsstark.
Der gebürtige Gießener stieg 1992 bei der Lufthansa ein. Unter anderem war er für die erste Reform der Altersversorgung und das „Miles & More“-Programm zuständig. Es folgten weitere Führungsaufgaben. Nun ist der 53-Jährige erstmals Airline-Chef – bei LH Cargo.
Lufthansa Cargo zählt mit einem Umsatz von gut zwei Milliarden Euro (2016) zu den kleinsten Sparten im Lufthansa-Konzern. Die Tochter transportiert vor allem teure Produkte – in eigenen Frachtern und in den Bäuchen von Passagierflugzeugen.
Wie ist die Resonanz? Wir reden hier bisher über ein sehr kleines Geschäft. Wir hatten offen gestanden damit gerechnet, dass die Buchungszahlen etwas schneller steigen werden. Aber das Produkt ist noch ganz neu, muss erst richtig bekannt werden. Das machen wir gerade. Klar ist aber, dass es niemals ein großes Massengeschäft werden wird.
Was haben die Lufthansa-Kunden denn bisher mit Ihnen verschickt? Was uns wirklich überrascht hat, sind Umzüge, die gut gehen. Der Student, der aus Singapur nach Harvard umsiedelt, macht das mit uns. Ansonsten sind es Antiquitäten oder das sperrige Mitbringsel aus dem Urlaub, etwa der Buddha aus Thailand.
Warum sollen die Lufthansa-Kunden dafür die teure Luftfracht wählen? Weil es erstens gar nicht so teuer ist, wie viele glauben. Beim Buddha sind Sie mit 1000 Euro dabei, der dürfte damit immer noch deutlich günstiger sein, als wenn Sie ihn zu Hause kaufen. Dann ist es das Vertrauen in die Marke Lufthansa. Man weiß, dass die Ware gut und sicher ankommt. Und schließlich bieten wir eine einfache Form der Buchung, geeignet auch für spontane Anfragen.
Hilft Ihnen das Projekt auch dabei, mehr über die Möglichkeiten der Digitalisierung zu lernen? Ja. Wir stellen zum Beispiel fest, dass der Buchungsprozess noch zu kompliziert ist. Wir müssen hier so gut werden wie Amazon. Wir bekommen durch myAirCargo übrigens auch mehr Aufmerksamkeit bei den Start-ups. Wir werden wahrgenommen, das hilft uns, bei den Themen Digitalisierung und Innovation.
Was ist bei myAirCargo noch zu kompliziert? Der Prozess an sich ist schon kompliziert. Der Kunde soll zum Beispiel sofort erfahren, was an Zollabgaben auf ihn zukommt. Das muss integriert werden. Aber wir arbeiten an einer Vereinfachung. Der Vorstand hat festgelegt, dass dies Priorität hat vor der Ausweitung des Angebots über Europa und Nordamerika hinaus.
Ist das nicht viel Aufwand für so eine Nische? Nein. Denn das hilft uns auch bei der Digitalisierung im Kerngeschäft. Die Menschen sind es mittlerweile gewohnt, dass die Dinge auf dem Endgerät einfach bedient werden können. Auch in unserem Tagesgeschäft müssen wir hier besser werden.
Wo zum Beispiel? Wir arbeiten noch viel mit Papierdokumenten. Die Frage ist, wie wir diese Vielzahl an Informationen so einfach und komprimiert digitalisiert bekommen, dass zum Beispiel der Handlingagent am Flugzeug seine Prozesse intuitiv und ohne Qualitätsverlust per Handheld steuern kann.
Ich dachte, man arbeite in der Luftfracht längst papierlos? Das war der Plan, aber wir sind in der Branche erst bei etwa 50 Prozent. Wir hoffen, im kommenden Jahr mehr als 60 Prozent der Prozesse papierlos steuern zu können. Aber wir arbeiten im Kerngeschäft mit vielen Partnern zusammen. Nicht jeder von denen geht die Digitalisierung mit der gleichen Geschwindigkeit an. Viele fürchten auch eine zu starke Transparenz und fragen, was sie finanziell davon haben.
Können Sie es sich denn leisten, mitten in einer tiefen Restrukturierung so eine Nische voranzutreiben? Es stimmt, wir stemmen hier gerade eine einschneidende Restrukturierung, die ohne Zweifel eine der weitreichendsten der letzten 25 Jahre darstellt. Aber gerade deshalb ist myAirCargo wichtig. Wir geben damit ein Signal, dass wir trotz aller Maßnahmen nicht die Zukunftsfähigkeit verlieren. Wir können so etwas, wir haben dafür die besten Leute und die meiste Erfahrung.
Viel Lob für die Mannschaft. Sind die Maßnahmen so einschneidend? Wir wollen jährlich 80 Millionen Euro einsparen, gut ein Jahr zuvor sahen die Planungen noch 40 Millionen Kostenersparnis vor. Aber wir reden hier nicht von Maßnahmen, die von oben bestimmt und mit der Gießkanne verteilt werden. Wir hatten die Mitarbeiter um konkret realisierbare Szenarien für Einsparungen von zehn, 20 und 30 Prozent gebeten. Herausgekommen sind Ideen über 80 Millionen Euro. 2017 ist das kritische Jahr der Umsetzung, dann zeigt sich, ob wir das auch schaffen werden.
Was sind das für Maßnahmen? Wir haben im Vertrieb eine ganze Führungsebene herausgenommen und so einen engeren Kontakt zu dem Kunden hergestellt. Dann hat vieles mit der Digitalisierung zu tun. Das Dritte ist die Reduzierung des sogenannten Overheads. Insgesamt werden bis zu 800 Stellen wegfallen.
Gehört auch die Flottenerneuerung zum Umbau? Sie wollen ja komplett von den älteren MD-11 auf die Boeing 777 umstellen. Ja, aber wir gehen da flexibel vor. Solange die Treibstoffpreise niedrig bleiben, ist es durchaus vertretbar, weiter mit den MD 11 zu fliegen, die ja noch nicht abgeschrieben sind. Wir arbeiten an der Flottenmodernisierung, ich kann Ihnen aber noch nicht sagen, bis wann diese abgeschlossen sein wird.
Wie läuft das Geschäft? Nach einem schwierigen Gesamtjahr 2016 mit einem operativen Verlust von 50 Millionen Euro geht es seit dem vierten Quartal 2016 wieder aufwärts. Im ersten Quartal 2017 konnten wir einen operativen Gewinn in Höhe von 33 Millionen Euro ausweisen. Für das Gesamtjahr rechnen wir nun mit einer Erholung gegenüber dem Vorjahr.
Dürfen wir das Wort Erholung mit Gewinn gleichsetzen? Wir gingen davon aus, dass wir auch im laufenden Jahre noch rote Zahlen schreiben würden und dass 2019 wieder ein Jahr mit einem Gewinn in der gewohnten Höhe sein würde. Allerdings hat dieses Jahr sehr ermutigend begonnen.
Ist der Preisdruck Vergangenheit? Die Preise haben sich im vierten Quartal etwas erholt, aber sie stehen weiterhin unter einem enormen Druck. Der Verfall der Durchschnittspreise im Jahr 2016 war wirklich heftig. Wie sich die Preise im laufenden Jahr entwickeln werden – ich wage da keine Prognose.
Auch Emirates und Etihad spüren den Druck. Merken Sie, dass diese Wettbewerber etwas zurückhaltender beim Aufbau neuer Frachtkapazitäten werden? Wir sehen, dass Emirates und Etihad im vergangenen Jahr im Frachtbereich kaum noch gewachsen sind. Der Einzige, der unvermindert weiter expandiert, ist Qatar Airways. Auch bei Turkish spüren wir Zurückhaltung. Aber man darf aus dieser temporären Entwicklung auch nicht zu viel ableiten.
Was macht Ihr Joint Venture mit DHL, Aerologic? Dort optimieren Sie bekanntlich die Auslastung der Flieger, indem Sie DHL Express hauptsächlich in der Woche nutzen, Lufthansa Cargo am Wochenende. Das ist weiterhin eine Erfolgsgeschichte. Die Partnerschaft mit DHL funktioniert uneingeschränkt. Wir sprechen mit der Post-Tochter über die Zukunft von Aerologic. Wir möchten dort gemeinsam wachsen.
Sie haben enge Partnerschaften mit ANA und Cathay Pacific und seit kurzem auch mit United Airlines. Was bringen solche bilateralen Abkommen überhaupt? Solche Partnerschaften haben viele Vorteile. Im Rahmen eines Joint Ventures bündeln wir unsere Kräfte, um unser bestehendes Netz ausbauen und so mehr Kunden bedienen zu können. Unsere Kunden profitieren von mehr Auswahlmöglichkeiten, mehr Zielen, mehr Frequenzen und mehr Konnektivität zu schnellen und zuverlässigen Verbindungen über ein breiteres Netz. Sie erleben auch einen einfacheren One-Shop-Buchungsprozess mit unserer gemeinsamen Technologie und mit bequemeren Frachtabnahmeprozessen.
Haben Sie Sorge, dass das Geschäft mit Nordamerika angesichts der politischen Spannungen einbricht? Der wachsende Nationalismus beschäftigt uns sehr intensiv. Das Problem: Wir wissen noch gar nicht, was genau kommen wird.
Noch spüren Sie also nichts? Nein, das Geschäft mit Nordamerika ist Anfang des Jahres sehr gut angelaufen.
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