Lufthansa im Silicon Valley Schlafmaske mit Sonnenaufgang

Die Lufthansa will Kunden mit neuem digitalen Service locken.
Sunnyvale Die Sonne brennt hart auf den Asphalt. Ausgestorben liegt der Parkplatz da, vor dem cremefarbenen Fertigbau. Keiner der im Valley üblichen Teslas, nicht mal ein Bus kommt vorbei. Über Sunnyvale hängt die Ödnis des Wochenendes.
„Bitte nicht den Kaffee, der ist von gestern.“ Die Stimme von Amir Amidi, Managing Partner beim Accelerator Plug and Play, einem Finanz - und Förderprogramm für Start-ups, hallt drinnen durch die leeren Bürowaben. „Sonst ist bei uns natürlich mehr los.“
Der Amerikaner ist Chef der Reise- und Tourismussparte im Start-up-Programm mit Hauptquartier Sunnyvale. Er hat nach eigenen Angaben den Urlaub mit den Schwiegereltern verschoben, um an diesem Samstag die Reisegruppe aus Deutschland begrüßen zu können.
Für die Delegation der Lufthansa ist der Besuch bei Plug and Play eine von vielen Stationen auf der ersten offiziellen Reise der Kranich-Linie an die US-Westküste, wo das Traditionsunternehmen den neuen Direktflug Frankfurt - San José präsentiert und junge Gründer kennenlernen will.
Der Austausch mit der US-Westküste werde die Zukunft der Airline entscheiden, ist Sebastian Herzog überzeugt, Chefstratege des neu geschaffenen „Innovation Hub“ der Lufthansa. „Alle Start-ups, die gerade erfolgreich sind, wie Airbnb oder Uber, wurden nicht von Leuten aus der klassischen Reise-Industrie gegründet.“
Es geht ein Ruck durch die Lufthansa
Der 90 Jahre alte Konzern muss den Fokus erweitern. Das geht bislang noch eher gemächlich vor sich, so wie bei einem Accelerator, am Wochenende. Doch das soll sich ändern. Bei seinem Dienstantritt 2014 verordnete der neue Lufthansa-Chef Carsten Spohr der Lufthansa ein Digitalisierungsprogramm, Innovationen sind ein zentraler Punkt seines Programms namens „7 zu 1“.
Die Vorgabe habe sehr geholfen, sagt Torsten Wingenter, seit November 2015 Director of Innovations bei Lufthansa. „Nachdem von oben die Ansage kam, dass Innovation für uns wichtig ist, mussten wir das nicht mehr erklären. Da geht gerade ein Ruck durchs Unternehmen.“

„Da geht gerade ein Ruck durchs Unternehmen“, sagt Torsten Wingenter, seit November 2015 Director of Innovations bei Lufthansa. Digitalisierung und Innovationen sind zentrale Punkte des Programms „7 zu 1“, das von Airline-Chef Carsten Spohr verordnet wurde. An Bord präsentiert er die Technologie, die Konferenzen während des Fluges ermöglicht.
In der Tat gibt es inzwischen fünf erste Kooperationen mit Start-ups, darunter das Wohnportal Airbnb, der Fahrdienst Blacklane oder die Firma Skyproam, die mobile Hotspots für Reisende verkauft. Doch inhaltlich kratzt das alles eher noch an der Oberfläche.
Vor allem bei den Themen Big Data und Künstlicher Intelligenz, dem künftigen Gold der deutschen Industrie, das für die Auswertung der Fluggast-Vorlieben genutzt und zur Verbesserung des Services eingesetzt werden oder gar der Vorhersage von Reisetrends und der Personalisierung von Angeboten dienen könnte, steht die Lufthansa noch in den Startlöchern.
Konzernchef Spohr hatte jede Menge andere Sorgen, die Belegschaft streikte dutzendfach, dann stürzte eine Maschine der Tochtergesellschaft Germanwings ab. Und die Margen der Lufthansa im reinen Fluggeschäft geraten durch Billigflieger unter Druck. Spohr will die höheren Preise durch besseren Service rechtfertigen, der vor allem aus dem digitalen Bereich kommen soll.
„In der Vergangenheit haben wir uns immer auf das Flugzeug konzentriert“, erklärt Digital-Experte Wingenter die neue Strategie. „Mittlerweile merken wir, wir müssen die komplette Reisekette verstehen, weil das das Erlebnis ist, das der Kunde hat. Wir werden nicht die Airline sein, die immer den besten Preis hat, aber wir müssen die Airline mit dem besten Gesamterlebnis werden.“
Wie das konkret aussieht, konnten die Passagiere des Jungfernflugs von Frankfurt nach San José schon einmal testen. Vor Abflug wurden ihnen Tablets und Virtual-Reality-Brillen in die Hand gedrückt. Während des Flugs Richtung Kalifornien streamte das Samsung Galaxy Tabs S2 live eine Art Mini-Konferenz, die im vorderen Bereich der Kabine abgehalten wurde – gedacht ist die Technologie zum Beispiel für Geschäftskunden.
„Es gibt Events rund um den Globus, mit einer hohen Dichte von Menschen, die sich für ein bestimmtes Thema interessieren“, so Wingenter. „Wir sehen das als eine Art Kick-off-Flight, Druckbetankung, als Vorbereitung auf die Konferenz oder aber auch als Möglichkeit für Unternehmen, die klassische Pressekonferenz und Produktpräsentation schon an Bord zu machen, um Zeit zu gewinnen.“
Ein ähnliches Produkt testet die Lufthansa am New Yorker Flughafen. Dort zeigt sie Passagieren der Economy-Klasse am Gate mit VR-Brillen eine 360-Grad-Virtual Reality-Ansicht der Premium Economy Class, um kurz vor Abflug Upgrades zu verkaufen. Die Tests dauern noch an, sagt Wingenter, bisherige Ergebnisse seien jedoch vielversprechend. „Das ist so gut gelaufen, dass wir jetzt darüber nachdenken, das auch an deutschen Flughäfen einzuführen.“

Die Lufthansa zeigt Passagieren der Economy-Klasse am Gate mit VR-Brillen eine 360-Grad-Virtual Reality-Ansicht des Businessangebots, um kurz vor Abflug Upgrades zu verkaufen. Erste Tests dazu laufen am New Yorker JFK-Flughafen.
Mit dem Start-up Neuron aus San Francisco testet er den Einsatz einer smarten Schlafmaske an Bord, die mithilfe von Sensoren auf der Haut die Gehirnaktivität des Passagiers misst und ihm via App Schlummerzeiten empfiehlt, mit denen sich etwa der Jetlag überlisten lässt. Geweckt wird der Gast mithilfe integrierter LED-Zellen direkt vor seinen Augen, die einen Sonnenaufgang simulieren.
Nach Samsung wolle die Lufthansa auch die Partnerschaften mit weiteren Tech-Größen ausloten, sagt Wingenter. „Mit Amazon tauschen wir uns gerade darüber aus, ob und wie wir Sprachassistent Alexa künftig beim Buchen eines Fluges einsetzen können. Mit Facebook arbeiten wir an einer Programmierschnittstelle für den Messenger. Wir denken auch über den Einsatz von Chatbots nach.“
Der Kunde sei heute einfach an einen gewissen Service gewöhnt, bereits beim Buchen, erklärt David Doyle, Director Personalized Passenger Experience bei Lufthansa. „Spotify, Uber und Amazon haben neue Standards gesetzt. Der Kunde erwartet, dass ein Unternehmen seine Vorlieben und seinen Geschmack erkennt und entsprechende Vorschläge macht.“

Eine Delegation der Lufthansa macht bei ihrer ersten offiziellen Reise der Kranich-Linie an die US-Westküste mehrere Stationen. Das Traditionsunternehmen präsentiert den neuen Direktflug Frankfurt - San José, außerdem will es dort junge Gründer kennenlernen.
In Reisefragen erhält die Lufthansa Konkurrenz von Valley-Riesen wie Google, der mit „Google Flights“ eine eigene Plattform zum Buchen von Flügen aufgesetzt hat. Der Suchmaschinenanbieter will den Nutzer noch vor Reiseportalen wie Expedia oder Trip Advisor abfangen, um seine wertvollen Daten abzuschöpfen. Fluganbietern wie der Lufthansa selbst entgehen diese Informationen. „Für uns wird es dadurch schwieriger herauszufinden, was der Fluggast braucht. Da ist viel, was wir nicht mitbekommen“, klagt Doyle.