Lufthansa Spohr fordert Runderneuerung bei Alitalia

Mit der starken Rolle der Gewerkschaften und dem Einfluss der Politik gilt das italienische Unternehmen als kaum sanierungsfähig.
Frankfurt, Mailand Die Lufthansa tritt bei den Gesprächen über die Übernahme eines Großteils der insolventen Alitalia auf die Bremse. „Alitalia müsste vor einem Kauf durch die Lufthansa gründlich restrukturiert werden“, schrieb Vorstandschef Carsten Spohr am Donnerstag in einem Brief an den italienischen Industrieminister Carlo Calenda. Das Schreiben liegt Reuters in Auszügen vor.
Darin heißt es, die Airline müsse sowohl von der Personal- als auch von der Flottenstärke her kleiner und fokussierter werden. Die Lufthansa dürfte damit nicht als Kandidatin für jene exklusiven Verhandlungen infrage kommen, die die unter staatlicher Verwaltung stehende Alitalia demnächst beginnen will. Denn eine Sanierung könnte nach Einschätzung von Branchenkennern rund anderthalb Jahre dauern.
Der Verkehrsminister des Landes hatte Anfang Dezember angekündigt, die Airline noch vor den Parlamentswahlen am 4. März in neue Hände geben zu wollen. Alitalia ging im Frühjahr 2017 in die Insolvenz, nachdem sich die Mitarbeiter gegen einen von Gewerkschaften und Management ausgehandelten Rettungsplan gestellt hatten.
Seither steht das Unternehmen unter staatlicher Verwaltung, die Regierung in Rom stützt es mit einem Überbrückungskredit von 900 Millionen Euro. Interessiert an der schon lange kriselnden nationalen Fluggesellschaft Italiens sind auch der britische Billigflieger Easyjet und der Finanzinvestor Cerberus. Alitalia und das Industrieministerium gaben keinen Kommentar zum Schreiben des Lufthansa-Chefs ab.
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Nach Vorstellung der Lufthansa müssten für eine „New Alitalia“ Verbindungen, Standorte und die Tarifverträge der Beschäftigten einer Rosskur unterzogen werden. Auch gebe es kein Interesse an den Bodendiensten, hieß es bei der Lufthansa. Italien ist nach den USA ihr zweitwichtigster Auslandsmarkt, den sie mit den Töchtern Air Dolomiti, Eurowings, Austrian und Swiss bedient.
In dem Schreiben bietet Spohr den Kommissaren, die im Auftrag des Staates derzeit die Airline managen, beratende Unterstützung bei einer Sanierung an. Es müssten sehr viele Hausaufgaben erledigt werden, bevor die Lufthansa in die Phase eines Kaufs einsteigen könne. Die Frankfurter haben den Alitalia-Kommissaren ein detailliertes Sanierungskonzept vorgelegt, wollten aber nach den Worten Spohrs keine „führende Rolle“ bei der Schrumpfkur spielen.
Nach früheren Informationen von Insidern und laut Medienberichten war der Dax-Konzern an 90 bis 100 Flugzeugen der gut 120 Maschinen großen Alitalia-Flotte interessiert und bereit, dafür 250 bis 300 Millionen Euro zu bezahlen. Die Airline hat 9200 Festangestellte und weitere 1600 Beschäftigte, die vorübergehend freigestellt sind. Nach Zeitungsberichten war bisher ein Abbau auf 6000 bis 7000 Beschäftigte die Rede.
Auch Luftfahrtexperten bewerten es als Risiko, die Alitalia im jetzigen Zustand zu übernehmen. Mit der starken Rolle der Gewerkschaften und dem Einfluss der Politik sei das Unternehmen kaum sanierungsfähig, erklärte Gerd Pontius vom Hamburger Beratungsunternehmen Prologis. „Alitalia hat so viele Baustellen und gleichzeitig wenig Spielraum für den notwendigen radikalen Umbau – das Risiko, sich auf eine Alitalia-Übernahme einzulassen, ist kaum kalkulierbar“, sagte er Reuters.
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