Megatrend Pflanzenburger Fleischersatz aus dem Land der Steaks: Future Farm aus Brasilien fordert Beyond Meat heraus

Der Gründer will vor allem Fleischesser als Kunden gewinnen – nicht etwa vorrangig Vegetarier oder Veganer.
Salvador Warum ausgerechnet Brasilien? „Warum sollten Sie einer Marke vertrauen, die Fleisch auf Pflanzenbasis herstellt in einem der Länder, die weltweit führend sind bei der Fleischproduktion? Wo die zweitgrößte Rinderherde der Welt einen riesigen Klimafußabdruck hinterlässt und die Umweltzerstörung vorantreibt?“
Das Start-up Future Farm spricht auf seiner Homepage offensiv den Widerspruch zwischen seinen fleischlosen Burgern, Bratwürsten und Hühner-Nuggets und dem Standort an – dem Land des brennenden Amazonas-Regenwalds und der Sojaplantagen.
Für Gründer Marcos Leta sind das genau die Argumente, warum er Future Farm vor zwei Jahren in Brasilien gestartet hat und jetzt nach Europa und in die USA expandiert: „Die größten Einsparungen an Treibhausgasen gelingen, wenn wir möglichst viele Fleischesser von einer pflanzenbasierten Ernährung überzeugen können“, sagt Leta. Brasilien sei dafür ein wichtiger Testmarkt: 93 Prozent der 210 Millionen Brasilianer essen Fleisch. 20 Millionen sogar sehr viel davon.
Diese Menschen will Leta als Kunden gewinnen – nicht etwa Vegetarier oder Veganer. Das seien für ihn Nischenkunden, das Segment zu klein. Er will Fleischesser mit dem guten Geschmack ködern. „Deswegen darf unser Fleisch nicht nach Bohnen schmecken, wie die ersten Fleischersatzprodukte für Vegetarier.“
Bei der größten Supermarkkette des Landes stellt Future Farm nach eigenen Angaben bereits 25 Prozent der Burger im Angebot. Das scheint etwas hoch gegriffen, wie eine nicht repräsentative Stichprobe in einigen Supermärkten im Nordosten Brasiliens zeigt. Doch der inländische Markt ist für Leta nur ein Etappenziel. Der 38-Jährige will dem weltweiten Fleischmarkt Anteile abjagen. Es geht dabei um einem Umsatz von 1,3 Billionen Dollar pro Jahr.
Für Leta, der in der Jugend die Schweizer Schule in Rio de Janeiro besuchte und immer noch etwas Deutsch spricht, ist der Standort Brasilien strategisch wichtig. Denn das Land ist der mit Abstand wichtigste Exporteur von pflanzlichen Proteinen weltweit. Nirgendwo sonst werden Soja und Mais so preisgünstig hergestellt wie in Brasilien. Aber auch Kichererbsen, Kokosfett, Rapsöl oder eben Rote Beete, die er braucht, um den Fleischsaft zu imitieren.
Future Farm forscht zu verschiedenen Fleischsäften
Die Rohstoffe für seine Produkte könne er im Schnitt um ein Drittel günstiger beziehen als die Konkurrenten in den USA – wie etwa Beyond Meat, der börsengeführte Marktführer der Branche. Mit Blick auf den EU-Markt verwende Future Farm nur Produkte, die nicht genmodifiziert sind und bei denen nachweisbar sei, dass sie nicht von gerodeten Regenwaldflächen stammen.
Leta setzt aber auch auf eine eigene Technologie: Er hat bereits früh eigenes Kapital in das US-Unternehmen Good Catch investiert, das Thunfisch auf Pflanzenbasis produziert. Inzwischen entwickelt Letas Team die importierten Maschinen weiter. „Man kann auf Knopfdruck bestimmte Formeln für einen Burger abrufen – aber die sind veraltet“, sagt der ausgebildete Betriebswirt. „Aber wir müssen ständig die Geschmacksnuancen verfeinern und weiterentwickeln.“ Der enge Kontakt zu US-Forschern sei wichtig. Dort sei die Fleischersatz-Technologie weltweit am weitesten vorangeschritten.
Zwei seiner rund 100 Mitarbeiter würden im Moment intensiv zu verschiedenen Fleischsäften forschen. Da gehe es darum, verschiedene Eisengehalte zu studieren. Jedes Fleischstück habe einen eigenen Blutgeschmack. Der ändere sich zudem, je nachdem ob das Stück gebraten, gegrillt oder gesotten wird.
Leta will mit günstigen Preisen angreifen
Wegen der eigenen Entwicklung will Leta seine Produktion in Brasilien konzentrieren und nicht in Europa oder den USA an Dritte auslagern. „Wir wollen unser geistiges Eigentum schützen.“ Zwischen 450 und 600 Tonnen an Gemüse, Ölsaaten und Getreide verarbeitet Future Farm im Monat. Beim großen Konkurrenten Beyond Meat seien es bislang auch nicht viel mehr als 1000 Tonnen.
Gegenüber der Konkurrenz will Leta sich „im erschwinglichen Premiumsegment“ positionieren. Er hält die Preise für fleischlose Burger in den USA oder Europa für zu hoch, um schnell Kunden zu gewinnen. Beyond Burger braucht vermutlich bis 2023, um seine Pflanzenprodukte zum gleichen Preis anbieten zu können wie Fleischburger.
Leta will jetzt schon beim Preis angreifen. In England ist er beim Händler Sainsbury´s im Sortiment. In den Niederlanden, in Deutschland und jetzt den USA hat er ebenfalls Filialen eröffnet.
Auch große Fleischkonzerne drängen in das Segment
Dennoch muss sich Leta beeilen. Beyond Meat ist an der Börse nach zwei Jahren knapp neun Milliarden Dollar wert. Der Konkurrent Impossible Foods, ebenfalls aus den USA, hat 1,5 Milliarden Dollar bei Investoren eingesammelt und wird mit rund vier Milliarden Dollar bewertet.
Bei Leta in Rio de Janeiro sind die Finanzierungen noch bescheidener: Er hat rund 30 Millionen Dollar Kapital von Venture-Capital-Gesellschaften erhalten für die Expansion nach Europa und in die USA. Dabei sind auch brasilianische Start-up-Financiers wie Go4it, BTG oder Monashees.
Im Ausland findet Future Farm zunehmend Beachtung. Letztes Jahr zeichnete die US-Technologie-Zeitschrift „Fast Company“ Future Farm mit dem „2020 World Changing Ideas Award“ aus. „Future Farm ist einer der aufsteigenden Stars des pflanzenbasierten Ökosystems in Lateinamerika“, sagte der Lebensmittelexperte Emmanuel Besserve aus Panama dem Branchendienst Green Queen. „Es ist ein Global Player und hat das nötige Investitionskapital, um sein Wachstum zu finanzieren.“
Fleischkonzerne könnten überflüssig werden
Future Farm sei attraktiv für Investoren, weil es kein reines Foodtech-Start-up sei. Leta: „Wir entwickeln nicht nur, wir können auch ausführen.“ Das hat der Sohn einer italienischen Einwandererfamilie in Rio gelernt, die dort eine Supermarktkette betreibt. Als Kind habe er zwischen den Regalen gespielt.
Später hat er die erste Obstsaftmarke ohne künstliche Konservierungsstoffe in Brasilien gegründet. Das Unternehmen hat er inzwischen an den Bierbrauer Ambev verkauft. „Wir haben gezeigt, wie man ein Vertriebsnetz mit Kühlketten in einem Land von der Größe Brasiliens aufbaut und betreibt.“
Die größte Konkurrenz sind für ihn die Fleischkonzerne, die pflanzliche Fleischersatzprodukte anbieten, weil sie sich den Markt nicht entgehen lassen wollen. Doch das seien meist fantasielose Kreationen ohne Technologieeinsatz. „Ich denke, die Fleischkonzerne haben noch nicht realisiert, dass sie in Zukunft überflüssig werden könnten.“
Doch das scheint sich gerade zu ändern: Anfang dieser Woche verkündete der brasilianische JBS-Konzern, der größte Fleischproduzent weltweit, den Kauf von Vivera, Europas drittgrößtem Unternehmen für pflanzliche Lebensmittel, für den stolzen Preis von 341 Millionen Euro. „Für uns ändert sich nichts“, sagt Leta. „Sie werden weiterhin Kühe töten und lediglich versuchen, das pflanzenbasierte Portfolio ziellos zu vergrößern.“
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