Mobilitätskongress ITS in Hamburg Per Drohne, Magnetbahn oder Hyperloop: Was macht den Lkw überflüssig?

Bögl zeigt in Hamburg Wagen, die exakt so lang sind wie ein Zwölf-Meter-Standardcontainer. Sie können einzeln automatisiert zum jeweiligen Ziel fahren und so Wartezeiten vermeiden.
Hamburg Das große Projekt des Hamburger Hafenbetreibers HHLA ist auf Modellbahngröße geschrumpft: Der Containerbahnhof für die Röhrenbahn Hyperloop existiert nur als Modell und als Computergrafik. Der ursprünglich geplante Bau eines Prototyps in realer Größe ist einem Corona-Sparpaket zum Opfer gefallen. HHLA-Chefin Angela Titzrath musste ihr Renommierprojekt für den Mobilitätskongress ITS zusammenschrumpfen.
Dabei sind innovative Lösungen für den Güterverkehr überfällig. Nicht nur in Großbritannien fehlen aktuell Lkw-Fahrer, sondern in ganz Europa. Zudem verstopfen Lastwagen und Lieferfahrzeuge die Straßen. In Hamburg beschäftigt sich der jährlich in wechselnden Städten stattfindende ITS-Kongress so stark mit Logistik wie noch nie. Schließlich sind in kaum einer anderen Stadt Hafenlogistik und Innenstadtverkehr so eng verbunden.
Anders als der Hyperloop haben es zwei andere neuartige Transportmittel in Realgröße auf den Kongress geschafft. Das süddeutsche Start-up Volocopter ließ seine Cargo-Drohne erstmals vor Publikum einige Meter in den Himmel steigen. Und das Oberpfälzer Bauunternehmen Bögl zeigt die Containervariante seiner Magnetschwebebahn mitten im Hafen. Alle drei Konzepte haben etwas gemeinsam: Eine von Ingenieuren fast fertig entwickelte Technologie sucht eine sinnvolle kommerzielle Anwendung.
Bei Bögl wird das vor allem in der Genese des Projekts deutlich. Das 1929 gegründete Bauunternehmen war bereits bei der Entwicklung des Fahrwegs für die schnelle Magnetschwebebahn Transrapid dabei. Die nun entwickelte Bahn TSB baut auf den damaligen Erkenntnissen auf – und soll aus den Fehlern lernen. So setzt Bögl nicht darauf, die Technik für Höchstgeschwindigkeiten aufwendig und teuer auszureizen, sondern verspricht lediglich eine Geschwindigkeit von 150 Stundenkilometern. Damit sollen die Kosten im Rahmen bleiben. Allerdings verliert die Technologie dadurch auch ihr großes Alleinstellungsmerkmal: die Geschwindigkeit.
Einzelne Container fahren automatisiert
Firmenchef Stefan Bögl will mit anderen Vorteilen punkten: So sei der Fahrweg schlanker als bei herkömmlichen Schienenfahrzeugen, die Fahrt deutlich leiser – und Bögl liefere das komplette System bis hin zur automatischen Steuerung aus einer Hand. Besondere Vorteile hätte das bei Containern. Bögl zeigt in Hamburg Wagen, die exakt so lang sind wie ein Zwölf-Meter-Standardcontainer. Sie können – anders als ein Zug der traditionsreichen Hafenbahn – einzeln automatisiert zum jeweiligen Ziel fahren und so Wartezeiten vermeiden.
Bögls Magnetbahn würde damit die Funktion der Lkw im Hafen übernehmen und die Container etwa zu einem großen Bahn-Umschlagplatz transportieren. Der Bauunternehmer verspricht, sein System sei bei 30 bis 40 Millionen Euro je Kilometer preislich konkurrenzfähig mit klassischen Bahnen. Was ihm noch fehlt, ist ein erster Projektpartner.
„Wir nutzen die Messe, um das Thema bekannt zu machen“, sagt Bögl. Der Zuspruch bei Hafenbetreibern sei groß. „Wir sind zuversichtlich, dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren ein erstes Projekt realisieren können“, sagt er. Finanziert habe sein Unternehmen die Entwicklung selbst – mit der vergleichsweise niedrigen Summe von 50 Millionen Euro.
„Wir haben sehr darauf geachtet, dass wir sorgsam mit dem Geld umgehen – weil es ja unser eigenes ist“, sagt Bögl. So nutze das System Standardkomponenten etwa aus S-Bahnen. Das finanzielle Risiko sei überschaubar: Bereits die Lizenzierung der Technik für die Personenbeförderung an den chinesischen Partner Xinzhu für den Markt in der Volksrepublik spiele die Entwicklungskosten wieder ein. Lediglich 60 Mitarbeiter seien mit dem Projekt, das auch den Bau der Fahrzeuge umfasst, beschäftigt.
Viel Geld für Drohnen
Wie überschaubar das Budget ist, zeigt der Kontrast zu Volocopter. Das Start-up hat laut „Crunchbase“ fast 370 Millionen Euro Risikokapital eingesammelt – unter anderem bei DB Schenker. Der Prototyp seines elektrisch betriebenen Flugtaxis ist bereits öfter vor Publikum gestartet, die leicht modifizierte Cargo-Drohne ohne Pilot flog in Hamburg zum ersten Mal unter Beobachtung.
Volocopter-Chef Florian Reuter hatte Glück: Weder regnete es, noch blies der Wind an der Elbe stärker als 20 Knoten. Daher durfte die Drohne mit einer Sondergenehmigung zu ihrem dreiminütigen Auftritt abheben, an Bord eine Europapalette. Frühestens Ende 2022, so hofft Reuter, könnte es erste kommerzielle Flüge geben.
Doch wie Bögl muss auch Reuter zunächst potenzielle Kunden davon überzeugen, dass die Technologie überhaupt einen Bedarf trifft. Schließlich hebt die Drohe mit ihrem zehn Meter großen Kreis aus Minipropellern gerade einmal 200 Kilogramm an – viel weniger als ein Hubschrauber. „Wir mussten erst einmal Use Cases finden, in denen das Sinn macht“, sagt Schenker-Innovationschef Erik Wirsing. Auf der Messe vermarktet Volocopter seine Drohne für Spezialfälle: etwa für Flüge zu Bohrinseln, auf Bergspitzen oder zu Schiffen. Hoffnung gibt den Geldgebern die ferne Aussicht auf breite Nutzung etwa für die Logistik im E-Commerce in Metropolen. Dann könnten, so die Hoffnung, die Drohnen Auslieferlager in den Stadtteilen bestücken und so Lkw-Fahrten ersetzen. Voraussetzung: Der Betrieb muss sich für Unternehmen wie Amazon rechnen. Ausgemacht ist das nicht.
Abschwellender Hype um den Hyperloop
Am weitesten entfernt vom kommerziellen Einsatz ist noch immer der Hyperloop. Zugleich nimmt der mediale Hype um die von Tesla-Chef Elon Musk erträumten Transportkapseln in luftleeren Röhren ab. Das dürfte HHLA-Chefin Titzrath die Schrumpfung ihres Bahnhofs erleichtert haben. Kritiker lästerten schon bei der Vorstellung der Idee vor drei Jahren: Es ergebe wenig Sinn, Container mit Schallgeschwindigkeit durch eine Röhre zu jagen, wenn diese zuvor gemächlich per Schiff Tausende Kilometer zurückgelegt hätten.
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