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Montana Wie ein unbekannter Flugzeugzulieferer ein europäisches Schwergewicht formen will

Der Konzern will den Konsolidierungsdruck der Branche nutzen, um ein Gegengewicht zu den US-Anbietern aufzubauen. Doch das Vorhaben ist kompliziert.
20.04.2021 - 13:01 Uhr Kommentieren
Airbus will den Zusammenbau kompletter Flugzeugteile behalten, gleichzeitig aber die Zulieferkette bei den Einzelteilen verschlanken. Quelle: picture alliance/dpa
Montage bei Premium Aerotec in Nordenham

Airbus will den Zusammenbau kompletter Flugzeugteile behalten, gleichzeitig aber die Zulieferkette bei den Einzelteilen verschlanken.

(Foto: picture alliance/dpa)

Frankfurt Das Gespräch mit Topmanagern von Montana Aerospace zeigt schnell: Beim Flugzeugzulieferer mit Sitz in der Schweiz und Österreich ist klar definiert, wohin die Reise geht. „Unser Ziel ist es, ein führender Anbieter im Bereich Aerostructure zu werden, und zwar mit unserer Build-and-buy-Strategie“, sagt Michael Pistauer, der Finanzchef des Unternehmens. Und CEO Markus Nolte ergänzt: „Wir wollen bei der Konsolidierung eine aktive Rolle spielen.“

Das Unternehmen ist damit Teil eines europäischen Zuliefermarktes, der stark fragmentiert ist. Zumindest noch. Allein der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) zählt in Deutschland 2300 Zulieferer mit 111.500 Beschäftigten und einem Umsatz von 40 Milliarden Euro.

Viele Betriebe sind mittelständisch geprägt. In der Branche wächst die Sorge, dass viele davon nicht die notwendigen Mittel haben, um das Wiederhochfahren der Flugzeugfertigung nach der langen Pandemie stemmen zu können. „Oftmals bekommen die Unternehmen Schwierigkeiten beim Wiederanlauf“, warnte Arndt Schoenemann, Mitglied im BDLI-Präsidium, vor einigen Wochen: „Dafür müssen die Firmen investieren, sie brauchen Material, das wird der Lackmustest.“

Montana Aerospace ist in der Branche sehr bekannt, der breiten Öffentlichkeit hingegen kaum. Das Unternehmen mit Wurzeln in der Aluminiumverarbeitung hat in den zurückliegenden Jahren mehrere Firmen aufgekauft und baut mittlerweile auch größere Elemente für Flugzeuge von Airbus und anderen Herstellern.

Ein Beispiel ist das sogenannte Floor Grid, ein Gitternetz, aus dem der Boden zwischen Kabine und Frachtraum wird. Solche Bauteile gehören zu den sogenannten Aerostrukturen eines Flugzeugs.

Klimaneutrales Fliegen wird für Zulieferer eine Herausforderung

Und gerade im Markt für die sogenannten Aerostrukturen fehlt ein großer europäischer Anbieter. Montana Aerospace setzte laut Pistauer im Vorkrisenjahr 2019 knapp unter 800 Millionen Euro um, im Krisenjahr 2020 waren es 614 Millionen Euro.

Die Gruppe beschäftigt rund 4700 Mitarbeiter, etwa in Deutschland, in der Schweiz sowie in Werken in den USA, Rumänien und Vietnam. Spirit Aero Systems, einst hervorgegangen aus einer Boeing-Tochter, erzielte im Vorkrisenjahr 2019 dagegen einen Umsatz von 7,8 Milliarden Dollar. Das Unternehmen ist der weltweit größte Topzulieferer im Bereich Aerostrukturen.

Experten wie Michael Santo von der auf die Luftfahrtindustrie spezialisierten Beratung H&Z können der Idee, im Zuge der Konsolidierung einen starken neuen Anbieter zu formen, deshalb einiges abgewinnen. „Wir haben große Topzulieferer in den USA, gerade im Bereich Aerostructure. Hier in Europa ein entsprechendes Gegengewicht aufzubauen, ist strategisch sehr sinnvoll“, sagt er, „nicht nur wegen der Herausforderungen etwa beim Thema Klimaschutz und nachhaltiges Fliegen.“ Auch die Wettbewerbslandschaft auf der Herstellerseite verändere sich, werde mit Anbietern wie Comac immer globaler.

Doch auf das Management von Montana Aerospace warten einige Hürden, will es weiter zukaufen. So müssen Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften überzeugt werden. Die sehen durchaus die Herausforderungen, vor denen die Branche etwa beim nachhaltigen Fliegen steht. „Bislang sehen wir aber keinen, der bereit ist, eine geeignete Plattform zu bieten, um eine solche Herausforderung nachhaltig zu gestalten“, heißt es dort.

Montana Aerospace fertige bisher nicht die ganz großen Teile, das sei ein Manko. Auch wird von Arbeitnehmerseite auf die Werke in Rumänien oder Vietnam hingewiesen. Das oberste Ziel müsse sein, die Arbeitsplätze und das Know-how in Deutschland zu halten.

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Zudem ist eine Konsolidierung im Zuliefergeschäft ohne die Zustimmung der Politik kaum realisierbar. Die Luftfahrt gilt als systemrelevant, auch weil dabei das Thema Verteidigung eine Rolle spielt. Montana Aerospace gehört zudem zum Reich des österreichischen Unternehmers Michael Tojner.

Der hat bei Varta zwar bewiesen, dass er in der Lage ist, Unternehmen wieder auf einen starken Wachstumskurs zu führen. Doch gleichzeitig wird gegen Tojner in Österreich wegen Abgabenbetrugs im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften ermittelt. Tojner bestreitet die Vorwürfe vehement, auch ist bisher nichts bewiesen. Doch das macht Verhandlungen mit der Politik nicht einfacher.

So soll Tojner vor einiger Zeit bei der Bundesregierung vorgesprochen haben, um über eine engere Verbindung von Montana und der Airbus-Tochter Premium Aerotec (PAG) zu sprechen. Wie zu hören war, stieß er dabei auf eine gewisse Zurückhaltung. Offiziell werden diese Informationen nicht bestätigt.

Flugzeugbauer wünschen sich einfacheres Zulieferer-Netzwerk

Tatsächlich könnte der Airbus-Ableger bei der Realisierung der Pläne von Montana eine gewisse Rolle spielen. Vor vielen Jahren hatte der europäische Flugzeugbauer seine Aktivitäten im Bereich Aerostrukturen in die beiden Ableger Stelia und PAG ausgegliedert. Damals war die Idee, diese Töchter irgendwann abzuspalten und stärker für andere Kunden zu öffnen.

Doch die Einschätzung in der Airbus-Zentrale in Toulouse hat sich geändert. Die künftigen Flugzeuge sähen komplett anders aus, hätten andere Antriebe, andere Flugzeugrümpfe, analysierte Airbus-Chef Guillaume Faury Mitte Februar bei der Bilanzpressekonferenz. „Aerostructure gewinnt an Bedeutung für die Entwicklung und die digitale Fertigung. Deshalb sind wir zu der Erkenntnis gekommen, dass Aerostructure im Unternehmen bleiben muss.“

Zugleich machte Faury aber klar, dass das komplexe System aus zahllosen Zulieferern einfacher werden müsse. Das Ökosystem bei Airbus sei historisch bedingt sehr komplex, er sehe hier noch viel Potenzial für Optimierungen.

Seitdem wird in der Branche spekuliert, dass PAG aufgeteilt werden könnte – in den Zusammenbau von Komponenten (Assembly), der bei Airbus bleibt, und die vorgelagerte Fertigung von Einzelteilen, die eventuell ausgegliedert werden könnte. Bisher gibt es von Airbus dazu aber keine Informationen.

Börsengang von Montana Aerospace ist nicht ausgeschlossen

Die Einzelteilfertigung würde strategisch gut zu den Kernkompetenzen von Montana rund um das Thema Materialien für den Flugzeugbau passen. Premium Aerotec sei ein wichtiger Kunde für Montana, sagt CEO Nolte.

Wenn Airbus Überlegungen anstelle, bei der PAG etwas zu verändern, werde das Management vermutlich auch mit den Partnern darüber sprechen. „Wenn man uns anspricht, werden wir das Gesprächsangebot annehmen. Wir sind bereit, an Lösungen mitzuarbeiten, die für beide Seiten Sinn machen.“

Bei Montana weiß man, dass das Thema sensibel ist – was sowohl die Politik als auch die Arbeitnehmerseite betrifft. Allerdings verweist man darauf, wie stark man sich im Bereich Luftfahrt engagiert. Allein in den zurückliegenden vier Jahren habe das Unternehmen rund 470 Millionen Euro investiert, sagt CEO Nolte. Montana sei eine der wenigen Firmen, die auch im Krisenjahr 2020 stark investiert hätten. Das wisse man auch bei den Flugzeugherstellern.

„Es gibt im Markt eine gewaltige Veränderung. Die Hersteller schauen sich gerade genau an, welche Zulieferer ‚mission critical‘ sind“, so Nolte. Es gehe darum, die Zulieferkette zu konsolidieren, die Transportwege zu reduzieren, also ‚local-to-local‘ zu fertigen und somit die Emissionen in der Fertigung zu reduzieren. „Wir werden von den Herstellern verstärkt auf Möglichkeiten angesprochen, uns hieran zu beteiligen.“

Die Beschaffung des nötigen Kapitals, um eine solche Konsolidierung zu finanzieren, ist in den Augen von Finanzchef Pistauer auch kein Problem. Man habe mit Schuldscheinen ein gutes Instrument.

Zu dem von Tojner kürzlich angedeuteten möglichen Börsengang von Montana Aerospace hält sich der CFO bedeckt: „Es gibt viele Möglichkeiten, den Kapitalmarkt zu nutzen, um die Umsetzung unserer Strategie zu finanzieren. Dazu gehört nicht nur das Instrument eines Börsengangs“, so Pistauer.

Mehr: Dominoeffekt in der Luftfahrt: Zulieferer kämpfen mit drei Problemen

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