Nachhaltiges Fliegen Lufthansa und Partner starten erste Produktionsanlage für nachhaltiges Kerosin

Die erste industrielle Fertigung für synthetisches Kerosin wurde nun im Emsland eingeweiht.
Frankfurt Deutschland prescht bei der industriellen Fertigung von synthetisch hergestelltem Flugbenzin vor. In Werlte im Emsland wurde am Montag die erste Produktionsanlage für das nachhaltige Kerosin eingeweiht. „Niemand will den Traum vom Fliegen aufgeben. Deshalb brauchen wir Alternativen zum herkömmlichen Kerosin“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Das Projekt zeige: Die Technologie sei verfügbar.
Die Daten der Anlage belegen allerdings: Der Weg zum flächendeckenden Einsatz des sogenannten SAF ist noch weit. Die neue Fabrik in Werlte wird eine Tonne des E-Fuel pro Tag herstellen. Die Jahresproduktion beläuft sich also auf rund 360 Tonnen. Zum Vergleich: Wenn die Airlines in Deutschland ab 2026 wie von der Bundesregierung festgelegt 0,5 Prozent SAF beimischen müssen, sind 50.000 Tonnen pro Jahr notwendig.
Dennoch ist das neue Werk in Werlte in den Augen der Luftfahrtbranche ein enorm wichtiger erster Schritt. Sie hofft, dass mit den hier gesammelten Erfahrungen bald weitaus größere Fabriken entstehen werden. „Diese Anlage ermöglicht eine ganz andere Skalierung“, zeigte sich Dorothea von Boxberg, die Chefin von Lufthansa Cargo, zuversichtlich. SAF sei eine Möglichkeit, heute und jetzt schon nachhaltig zu fliegen.
Die Fertigung in Werlte, die von der Non-Profit-Organisation Atmosfair zusammen mit Partnern wie Siemens, Lufthansa und dem Energieversorger EWE errichtet wurde, nutzt die sogenannte Power-to-Liquid-Technologie. Dabei wird aus den beiden Bestandteilen CO2 und Wasserstoff in mehreren Verfahrensschritten E-Fuel hergestellt.
Das CO2 wird zum einen bei der Vergärung von Biomasse gewonnen und zum anderen direkt aus der Luft entnommen. „Wir wollen das CO2 nicht von der Kohleindustrie oder der Stahlindustrie haben. Denn dann geht die Rechnung mit der Dekarbonisierung nicht auf“, machte Dietrich Brockhagen von Atmosfair deutlich.
Wasserstoff wird mit Windenergie hergestellt
Der Wasserstoff wird wiederum vor Ort produziert – mit grünem Strom. Der stammt von lokalen Windrädern, die im kommenden Jahr aus der EEG-Förderung fallen werden. So stelle man sicher, dass der Strombedarf nicht zulasten der Energiewende gehe, so Brockhagen. Der synthetische Treibstoff gibt später nur das CO2 ab, das vorher der Natur entnommen wurde.
Die zunehmend strengeren Vorgaben beim Klimaschutz bereiten der Luftfahrtbranche mächtige Kopfschmerzen. Anders als in der Autoindustrie gibt es bislang noch wenig Alternativen zum Verbrenner. Es werden zwar elektrisch betriebene Flugzeuge entwickelt, doch zunächst nur im Kleinformat. Der kommerzielle Einsatz solcher Flugzeuge ist noch einige Jahre entfernt. Noch länger wird die Entwicklung von Wasserstoff-Flugzeugen dauern.
Deshalb setzen Airlines weltweit stark auf das synthetische Kerosin. Es kann nicht nur in den bestehenden Turbinen genutzt werden, auch die Lagerung und der Transport erfordern keine neuen Technologien. Damit ist SAF der schnellste Weg, Fliegen klimaneutral zu machen. Lufthansa ist nach eigenen Angaben heute schon der größte Abnehmer von SAF in Europa.
Das Problem: Noch gibt es viel zu wenig E-Fuel. Noch dazu ist der nachhaltige Treibstoff teuer. Atmosfair will sein in Werlte produziertes Kerosin zwar zum Herstellungspreis vermarkten. Doch mit rund fünf Euro je Liter liegt der immer noch deutlich über den rund 1,85 Euro, die derzeit für herkömmliches Kerosin aufgerufen werden. Um E-Fuel billiger zu machen, sind größere Anlagen als die in Werlte notwendig. Diese ist laut Brockhagen auch gar nicht auf eine jahrzehntelange Fertigung auslegt.
Kunden angeblich bereit, mehr für das Ticket zu bezahlen
Die Luftfahrt treibt aber noch eine andere Sorge um. Die von der EU-Kommission geplante Quote für SAF könnte die europäischen Airlines benachteiligen. Sie müssten das teurere E-Kerosin für die gesamte Langstrecke beimischen. Bei einem Flug über ein nicht-europäisches Drehkreuz würde die Quote aber nur für den Flug bis zum Umsteige-Airport fällig.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat das kürzlich mit dieser Rechnung verdeutlicht: Ein Flug von Madrid nach Tokio würde den Passagier bei einer SAF-Quote von fünf Prozent über das Drehkreuz Frankfurt rund 30 Euro mehr kosten, bei einem Flug eines Konkurrenten über Istanbul aber nur acht Euro. In den Augen von Spohr wäre das bei den geringen Margen in der Luftfahrt eine deutliche Wettbewerbsverzerrung.
Doch Brockhagen von Atmosfair ist davon überzeugt, dass auf Dauer viele Kunden teurere Tickets in Kauf nehmen würden, um Fliegen klimaneutral zu machen. Das gilt zumindest für die Atmosfair-Kunden. Eine Umfrage unter ihnen habe gezeigt: „Man ist bereit, 80 bis 100 Euro mehr zu zahlen für einen Flug etwa nach Teneriffa.“
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