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Nachhaltigkeitsbericht Aldi durchleuchtet seine Lieferkette

Discounter stehen wegen ihrer niedrigen Preise oft im Verdacht, bei sozialen Standards zu geizen. Die Branchenriesen Aldi Nord und Süd legen nun erstmals Berichte über ihre Nachhaltigkeit vor. Das ist nicht ohne Risiko.
14.07.2016 - 06:23 Uhr
Warenpräsentation statt aufgerissener Umkartons. Quelle: dpa
Modernisierte Aldi-Filiale

Warenpräsentation statt aufgerissener Umkartons.

(Foto: dpa)

Mülheim an der Ruhr Für Christian Meyn gab es irgendwann keine Alternative mehr: „Wer so viel Umsatz macht und so viele Menschen erreicht, der muss Verantwortung übernehmen“, sagt Meyn, Direktor Corporate Responsibility bei Aldi Süd. Deswegen haben die Discount-Brüder Aldi Süd und Aldi Nord erstmals in ihrer Geschichte jeweils einen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt.

„Wir haben jetzt ein Maß an Transparenz, das sich vor zehn Jahren kaum einer vorstellen konnte“, sagt Meyn selbstbewusst. In den 76-seitigen Bericht von Aldi Süd beispielsweise sind Daten zu weit über 1000 Kriterien aus dem internen Nachhaltigkeitsreporting von Regionalgesellschaften aus 18 Ländern eingeflossen. Die Berichte geben einen Einblick in Themen wie soziale Standards in den Lieferketten, Zertifizierung, Recycling oder Steigerung der Energieeffizienz.

Beispiel Textilproduktion: Aldi Süd beschäftigt mittlerweile 14 Mitarbeiter in Hongkong, die Lieferanten besuchen und Fabriken in Asien inspizieren. Im kommenden Jahr soll ein weiteres Büro in Dhaka in Bangladesch eingerichtet werden. Von jedem verkauften Kleidungsstück aus Bangladesch weiß Aldi genau, aus welcher Fabrik es stammt und unter welchen Bedingungen es produziert wurde. In 20 Fabriken in Bangladesch hat das Unternehmen bereits Projekte gestartet, bei denen unter Einbeziehung der Arbeiter die Bedingungen am Arbeitsplatz verbessert werden sollen. „Wenn wir zeigen, dass wir das können, dann gibt es auch für andere Händler keine Ausrede mehr“, sagt Meyn.

In der Tat legen immer mehr Handelsunternehmen Berichte zur Corporate Social Responsibility (CSR) vor, also zur Unternehmensverantwortung. Gerade Discounter, die wegen ihrer niedrigen Preise schnell in den Verdacht geraten, bei den sozialen Standards zu geizen, wollen auf diese Weise demonstrieren, was sie für Umwelt und Menschenrechte tun. So hat der Textildiscounter Kik, der nicht zuletzt durch die Brandkatastrophe in einer Fabrik in Pakistan massiv in die Kritik geraten ist, gerade schon seinen dritten Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt. Der britische Billigmodeanbieter Primark beschäftigt sogar einen eigenen Ethik-Chef.

„Seit einigen Jahren sehen wir deutliche Schritte zu mehr Transparenz und zu mehr Bewusstsein, es gibt eine zunehmende qualitative Aufwertung und Verbreitung der CSR-Berichterstattung“, beobachtet Birgit Spießhofer, CSR-Expertin bei der Kanzlei Dentons und Vorsitzende des Ausschusses CSR und Compliance des Deutschen Anwaltvereins. „Sie wird immer mehr zum Marktstandard.“

Ab 2017 gilt in der EU die Verpflichtung zu einem CSR-Bericht für bestimmte Großunternehmen, die Bundesregierung setzt diese Richtlinie gerade in ein nationales Gesetz um. Das Problem dabei: Der Kreis der erfassten Firmen ist relativ klein, es handelt sich um kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und mehr als 40 Milliarden Euro Umsatz. Damit fallen die meisten familiengeführten Handelskonzerne wie beispielsweise Aldi nicht darunter.

Auch gibt der Gesetzgeber keine einheitlichen Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung vor. Das Ziel, vergleichbare Berichte zu gewährleisten, sei damit nicht erreichbar, sagt Spießhofer. „Es gibt so viele mögliche Rahmenwerke, die die Unternehmen verwenden können, dass Äpfel mit Birnen und Kirschen verglichen werden“, gibt die CSR-Expertin zu bedenken. Deswegen werde eine Rechtsunsicherheit bei den Unternehmen bleiben.

Aldi berichtet nach den Leitlinien der Global Reporting Initiative (GRI G4), die auch der Händler Rewe für seinen Nachhaltigkeitsbericht zugrunde legt. Kik verwendet den davon abgeleiteten Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Aldi-Experte Meyn sieht den Spielraum, den der Gesetzgeber lässt, eher positiv: „Nachhaltigkeit entsteht nicht, wenn man einen vorgegebenen Kriterienkatalog abarbeitet.“ Selbst innerhalb von Aldi würden in den Ländern zum Teil unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt.

Wie weit sich das Bekenntnis zu sozialen Standards für die Firmen positiv aufs Geschäft auswirkt, ist ohnehin fraglich. Zwar gaben in einer Umfrage des Marktforschers Nielsen 52 Prozent der Deutschen an, sie seien bereit, mehr Geld für Produkte von Firmen auszugeben, die sich für Gesellschaft und Umwelt engagieren. Doch bei der Frage, was ihre Kaufentscheidung beeinflusst, lagen soziales Engagement und Umweltfreundlichkeit des Unternehmens abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Ganz vorne: Qualität und Preis.

Dazu kommt: Für Firmen bergen Nachhaltigkeitsberichte auch ein gewisses Risiko. „Sie müssen sicher sein, dass alles stimmt“, so CSR-Expertin Spießhofer, „sonst drohen ihnen Reputationsschäden und im schlimmsten Fall Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs.“ Das ist auch Aldi bewusst. Deswegen hat der Discounter Zahlen aus dem Nachhaltigkeitsbericht von einem Wirtschaftsprüfer überprüfen lassen – obwohl das selbst im künftigen CSR-Gesetz nicht vorgeschrieben wird.

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