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Neues Geschäftsmodell Lieferdienste wie Gorillas befeuern den E-Bike-Boom

E-Räder sind unverzichtbar für neue Supermarkt-Apps wie Flink und Gorillas. Mehrere Start-ups wittern lukrative Geschäfte – trotz Lieferproblemen.
17.08.2021 - 13:11 Uhr Kommentieren
Mehrere E-Bike-Start-ups buhlen derzeit um Investoren. Quelle: dpa
E-Bikes der Firma Bond Mobility

Mehrere E-Bike-Start-ups buhlen derzeit um Investoren.

(Foto: dpa)

Hamburg Nicht einmal ein Jahr lang standen sie auf den Straßen von Hamburg und München: Hunderte silberfarbene, bis zu 45 Stundenkilometer schnelle Elektroräder. Die Flotte sollte den E-Rollern von Sharing-Diensten wie Tier und Lime Konkurrenz machen. Doch inzwischen sind alle Räder aus der App des Anbieters Bond Mobility verschwunden.

Der Grund: Der Schweizer Anbieter wechselt das Geschäftsmodell. Künftig verleiht er seine rasanten Räder nicht mehr minutenweise an Privatanwender, sondern für längere Zeit an Lieferdienste.

Damit ist er nicht allein: Der Boom der neuen Supermarkt-Apps wie Gorillas und Flink lockt mehrere Anbieter in das Geschäft mit den E-Bikes, die unerlässlich sind für die Expansion dieser Dienste sind. Die E-Bike-Start-ups buhlen derzeit um Investoren – und versprechen ihnen, effizienter mit dem Geld umzugehen als die Sharing-Anbieter.

Es geht darum, zu beweisen, dass der weitere Ausbau des E-Commerce ohne neue Staus und Luftverschmutzung gelingen kann. Dafür sind die Schnelllieferdienste auf zuverlässige Ausstatter angewiesen. Erst die E-Bikes machen es möglich, das Lieferversprechen von zehn Minuten zu halten. Und nur so halten die Fahrer mehrstündige intensive Schichten durch.

Mehrere junge Radanbieter verfolgen daher ein ähnliches Konzept: Sie haben eigene, robustere Modelle entwickelt, um sie direkt an die Lieferdienste oder an freiberufliche Fahrradkuriere zu verleihen. Zudem übernehmen sie Wartung und Verwaltung der Flotte.

Die Roller sind insbesondere in großen Städten als mobile Alternative gefragt. Quelle: Getty Images
E-Roller von Lime (links) und Tier (r.)

Die Roller sind insbesondere in großen Städten als mobile Alternative gefragt.

(Foto: Getty Images)

Dahinter steht meist ein Lernprozess. Stephan Müller etwa hat bei Bond Mobility Anfang des Jahres den Chefposten übernommen, um den Strategiewechsel umzusetzen. Er kennt die Schwierigkeiten des gescheiterten Sharing-Geschäfts: Trotz einer Finanzierungsrunde von 20 Millionen Dollar konnte sich Bond im Marketing gegen die finanziell noch besser ausgestatteten Roller-Anbieter nicht durchsetzen. Während die Konkurrenz jeweils 2000 Roller auf Hamburgs Straßen stellte, waren es bei Bond nur 600 der deutlich teureren Speed-Räder. Zudem verzeichnete Bond erhebliche Vandalismusschäden.

Daher präsentiert Müller derzeit Investoren sein neues Konzept. In Berlin und bald auch Hamburg stellt er dem türkischen Schnelllieferdienst Getir die eingesammelten Räder zur Verfügung. In Zürich vermietet er direkt an freiberufliche Uber-Eats-Fahrer. Hohe Ausgaben für breite Werbung fallen so nicht mehr an. „Wir sind in fortgeschrittenen Gesprächen mit globalen Partnern“, sagte Müller dem Handelsblatt.

Als Argument dient ihm die vergleichsweise hohe Geschwindigkeit seiner Räder. Die S-Pedelecs sind fast doppelt so schnell wie herkömmliche E-Bikes. Schon im kommenden Jahr will Bond mehrere Zehntausend Räder liefern – sofern Kunden und Investoren mitziehen.

Engpässe in der Produktion

Doch bei den Geräten gibt es Engpässe. In der Pandemie stieg die Nachfrage nach E-Bikes als Alternative zu Bus und Bahn weltweit. Allein in Deutschland wurden 2020 mit 1,95 Millionen Elektrorädern stolze 43 Prozent mehr verkauft als im Vorjahr. Zum Vergleich: Im selben Jahr wurden 3,5 Millionen Neuwagen zugelassen. Daher melden viele Komponentenhersteller wie etwa Shimano lange Lieferzeiten für wichtige Teile wie Bremsen und Schaltungen, aber auch für Rahmen und Gabeln.

Wie Bond sichert sich daher auch der Berliner E-Bike-Vermieter Gethenry aktiv Kapazitäten bei Auftragsfertigern und besorgt Teile direkt. „Wir brauchen Geduld bei der Zusammenarbeit mit Herstellern“, sagt Mitgründer Nikodemus Seilern. Daher sei es schwierig, mit dem Expansionstempo der Lieferdienste mitzuhalten.

Die eigene Auftragsproduktion ermöglicht zudem, die Räder an die hohe Beanspruchung der Lieferdienste anzupassen. So setzen die Anbieter etwa durchstichsichere Reifen ein und verzichten auf verschleißanfällige Teile wie Federgabeln. Schließlich gehört zum Konzept, die Wartung im Leihpaket mit anzubieten. Gethenry baut daher eigene Werkstätten in den Städten auf, in denen seine Kunden aktiv sind.

Auch Seilern hat einen Strategiewechsel hinter sich. Nach der Gründung des Start-ups 2018 statte er zunächst etwa Hotels mit E-Bikes aus. Damals war der Lieferboom noch nicht absehbar. Inzwischen aber zählt er neben Getir auch etwa Lieferando zu seinen Kunden. „Wir schließen langfristige Verträge mit mehreren Abnehmern ab, um nicht von einem einzelnen abhängig zu werden“, sagt Seilern.

Die wachstumsstarken Firmen sind auf eine zuverlässige E-Bike-Flotte angewiesen. Quelle: dpa
Lieferdienst Gorillas

Die wachstumsstarken Firmen sind auf eine zuverlässige E-Bike-Flotte angewiesen.

(Foto: dpa)

Dabei kann Gethenry die Fahrradmodelle individuell anpassen. Nach heftigen Fahrerprotesten in Berlin erprobt das Start-up mit Gorillas Räder mit einer zusätzlichen Stütze für den Rucksack. Die Zusammenarbeit funktioniere gut, bestätigt ein Gorillas-Manager.

Gethenry mit derzeit 30 Mitarbeitern in 17 Städten plant deutliches Wachstum. Aktuell seien mehrere Tausend Räder auf der Straße, kommendes Jahr soll die Zahl fünfstellig werden, sagt Seilern. In Kürze will er in Italien und Frankreich starten, 2022 in weiteren Ländern. Nach einer ersten Anschubfinanzierung sei Gethenry „finanziell sehr gut aufgestellt“, sagt Seiler. Allerdings suchen die Gründer derzeit nach weiteren Geldgebern für die Expansion.

Es gibt ein klares Vorbild für das Geschäftsmodell: Der Vorreiter Zoomo stammt aus Australien und will wohl noch im laufenden Jahr ebenfalls auf dem deutschen Markt starten. Mit seiner Erfahrung und einem Risikokapital von 25,5 Millionen Dollar – das zeigen Daten des Nachrichtenportals „Crunchbase“ – könnte Zoomo in Deutschland rasch Marktanteile gewinnen – zumal das Unternehmen in London bereits großflächig aktiv ist. 2000 Räder sind in Großbritannien auf der Straße, 4000 sollen in den kommenden Wochen hinzukommen.

„Wir haben den Vorteil, dass wir uns schon 2020 hohe Wachstumsziele gesetzt haben“, sagt Europachefin Lisa Conibear. Daher könne das Unternehmen den überraschenden Boom der schnellen Einkaufs-Apps besser nutzen als mancher Konkurrent.

Zeitweilige Lieferschwierigkeiten führt sie allein darauf zurück, dass einige Räder in einem Container auf dem im Suezkanal verunglückten Frachter „Ever Given“ gestanden hätten. Doch das Problem sei gelöst. „Wir legen die Priorität ganz klar auf die Lieferflotten“, sagt sie.

Swapfiets steigt ebenfalls ein

Wie bei Bond entstehen die Räder bislang bei einem Auftragsfertiger in Taiwan. Künftig will Zoomo die Produktion allerdings in Eigenregie regeln. Auch dafür will das Unternehmen in den kommenden Monaten eine weitere Finanzierungsrunde durchführen. „Unser Ziel ist es, ein großer globaler Spieler zu werden“, sagt Conibear. So sei Zoomo inzwischen auch in New York aktiv.

Zudem drängt noch ein weiterer etablierter Akteur in den neuen Markt: Swapfiets. Die Niederländer sind in vielen deutschen Städten mit Leihfahrrädern für Privatkunden deutlich sichtbar – dank der blauen Vorderreifen, dem Markenzeichen des Unternehmens. Inzwischen rüstet Swapfiets auch Fahrradkuriere mit E-Bikes aus, etwa beim Neustart von Delivery Hero in Berlin mit dem Lieferdienst Foodpanda.

Dafür nimmt Swapfiets in Kauf, dass Privatkunden im Sommer mehrere Wochen auf ihre E-Räder warten mussten. Kuriere sollen 15 Euro Aufschlag auf den Monatspreis von 79 Euro zahlen. Swapfiets profitiert beim raschen Aufbau des Geschäftskundenzweigs davon, dass das Geschäft mit den privaten Monatsabos sehr ähnlich strukturiert ist. Swapfiets bietet bereits seit dem Start vor sieben Jahren Wartung mit im Abopreis an und hat dafür zusammen mit dem Radkonzern Pon-Bike besonders stabile Modelle entwickelt.

Umgekehrt droht Swapfiets im Kerngeschäft mit Abos für Endkunden Konkurrenz von den neuen Anbietern. Gethenry überlegt, gebrauchte Räder an Privatleute zu verkaufen. Zoomo hat in Australien bereits ein Abo für Sport-E-Bikes im Angebot. Und auch Bond-Chef Müller denkt bereits laut über ein Abomodell für Pendler nach.

Mehr: Warum immer noch keine Lieferroboter durch die Straßen fahren

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