Oetker-Clan Ein bisschen Frieden

Der heute 72-Jährige leitete fast 30 Jahre die Geschickte des Familienkonzerns.
Düsseldorf, Hamburg Der Familienzwist der Oetkers hat alle Zutaten für eine gute Geschichte: Ein ebenso erfolgreiches wie verschwiegenes Milliarden-Unternehmen, einen verstorbenen Patriarchen, dessen Vermächtnis und seine acht Kinder. Die sind quasi in zwei Gruppen gespalten: Die fünf älteren Kinder aus den ersten beiden Ehen des Patriarchen Rudolf-August Oetker, G5 genannt, und die drei jüngeren Halbgeschwister aus der dritten Ehe (G3).
Seit Monaten ist unklar, wer das Unternehmen künftig führen soll. Die fünf älteren Kinder sind inzwischen alle zu alt. Als Letzter muss der amtierende Chef Richard Oetker zum Ende des Jahres den Posten abgeben, er ist dann 65 Jahre alt. Das ist laut Satzung die Altersgrenze.
Über die Führungsfrage entscheidet der Beirat des Unternehmens, dem der 72-jährige August Oetker vorsitzt. Er war vor seinem Bruder Richard fast 30 Jahre lang Chef von Oetker. August Oetker ist damit quasi der Nachfolger seines 2006 verstorbenen Vaters als Familienpatriarch. Und er favorisiert Finanzchef Albert Christmann als neuen Oetker-Chef. Es wäre der erste fremde Manager an der Spitze der Firmengruppe um den Lebensmittelhersteller, die Lampe-Bank und die Reederei Hamburg-Süd.
Christmann gilt als Vertrauter von August. Die jüngeren Oetkers befürchteten daher, Christmann werde die Interessen der älteren Halbgeschwister bevorzugt behandeln. Eine Lösung für die operative Führung war auch deshalb lange Zeit nicht in Sicht. August Oetker ließ in der jüngsten Beiratssitzung im Juni nicht einmal über die Führungsfrage debattieren.

Der Firmenpatriarch starb 2007.
Doch nun zeichnet sich nach Informationen des Handelsblatts aus Kreisen des Gremiums ein Kompromiss ab. Die jüngeren Geschwister sind demnach bereit, auf ihren Führungsanspruch zu verzichten. Sie akzeptieren den 53-jährigen Christmann als neuen Unternehmenschef. Bedingung: Carl Ferdinand Oetker aus ihrer Reihe der G3 zieht als persönlich haftender Gesellschafter in die Geschäftsführung ein.
Offiziell äußert sich das Unternehmen zum Streit im Beirat nicht. In einer Mail teilte man nur mit: „Wie bei allen Themen wird der Beirat auch in dieser Frage professionell vorgehen. Sobald eine Entscheidung gefallen ist, wird dies bekanntgegeben werden.“
Streit mit Vorgeschichte
Der Streit in der Familie hat eine lange Vorgeschichte: In den vergangenen Jahren war es zwischen August als Vertreter der G5 und seinen drei jüngsten Halbgeschwistern Alfred, Carl Ferdinand und Julia mehrfach zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Es ging um die strategische Ausrichtung des Familienkonzerns, aber auch um die jeweilige Teilhabe der Kinder aus den drei Ehen – und damit um die Macht in der Firmengruppe. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch der Wille des verstorbenen Vaters.
Der habe 2006 bestimmt, dass Alfred das Unternehmen führen soll, im Zweifel zunächst mit Unterstützung seines Halbbruders August, heißt es in Gremienkreisen. Doch nur ein Jahr später kam es zum Streit zwischen den jeweiligen Geschwistergruppen über die Auslegung des letzten Willens von Rudolf-August. Es ging aber auch um strategische Fragen, in denen sich die verschiedenen Geschwistergruppen nicht einig waren. Während die Älteren einen Reedereikonzern formen wollten, strebten die Jüngeren einen Mischkonzern an. Laut Gremienkreisen ging es dabei nicht um eine Blockadehaltung der Jüngeren.
Im vergangenen Jahr gab es dann, nachdem August Oetker Schiedsgerichte bemüht hatte, einen Kompromiss: Alfred Oetker zog als stellvertretender Vorsitzender in den Beirat ein. Dem weltläufigen 49-Jährigen, der sieben Sprachen beherrscht, ist damit aber der Weg in die Geschäftsführung verwehrt – die Kontrolleursfunktion schließt laut Satzung den Posten des operativen Oetker-Chefs aus. Insider sprechen von einem Coup des älteren Halbbruders August. Denn eigentlich hatte Alfred die größten Ambitionen auf den Spitzenposten, schließlich hatte er sich als Niederlande-Chef bereits Meriten erworben.
In Gremienkreisen heißt es, die jüngeren Erben wollten in der operativen Führung weiter einen Vertreter der Familie sehen, der müsse aber nicht an der Spitze stehen. Durch die Altersgrenze von 65 Jahren kommen die älteren Halbgeschwister alle nicht infrage. Da auch Alfred satzungsgemäß nicht an die Spitze darf, läuft so alles auf Carl Ferdinand hinaus, weil auch Schwester Julia bereits abgewinkt hatte.
Doch noch ist offen, ob die ältere Generation Carl Ferdinand akzeptiert. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete in seiner vergangenen Ausgabe, dass die G5 Zweifel an der Eignung von Carl Ferdinand hätten. Er habe es bei der Oetker-Tochter Bankhaus Lampe nicht bis zum persönlich haftenden Gesellschafter geschafft.
Richtig ist, dass der 43-jährige Carl Ferdinand Oetker, der als ähnlich ehrgeizig wie sein Bruder Alfred gilt, den größten Teil seiner Karriere in der Finanzbranche verbracht hat. Nach seinem Studium in den USA begann er zunächst als Berater bei Boston Consulting. Nach Stationen beim Fondshaus Schroders, beim Investmentarm des Versicherers Axa und bei der BHF-Bank wechselte er 2002 zum Bankhaus Lampe. In der zum Oetker-Imperium gehörenden Privatbank arbeitete er sich bis zum Generalbevollmächtigten hoch.
Im vergangenen Jahr kam dann sein überraschender Abgang. In einem Brief an die Mitarbeiter schrieb das Bankhaus damals, Oetker wolle sich künftig „seinen eigenen unternehmerischen Interessen und Aufgaben widmen“. Offenbar hatte er den Ehrgeiz gehabt, in der Bank ganz nach oben zu kommen – doch vergeblich. Aufsichtsratschef des Bankhauses Lampe ist der ehemalige Finanzchef der Oetker-Gruppe, Ernst Schröder, der als enger Vertrauter von August Oetker gilt und auch dessen Trauzeuge war. Doch Ferdinand Oetker hält weitere wichtige Ämter. So ist er stellvertretender Aufsichtsratschef des Pharmaherstellers Stada, Mitglied im Aufsichtsrat des Druckmaschinenherstellers König & Bauer und sitzt in mehreren Beiräten, unter anderem beim Gewürzproduzenten Hela. Selbstständig unternehmerisch tätig ist er bei der Wink Stanzwerkzeuge GmbH, an der er nach dem Abgang bei Lampe seine Anteile als Kommanditist noch aufgestockt hat.
Klar ist: Als Vertreter in der Familie in der Geschäftsführung würde er sich Warmlaufen, wenn einmal ein Nachfolger für Christmann gesucht wird. Das könnte noch Jahre dauern – und bis dahin könnten die Machtverhältnisse im Beirat anders aussehen.
Sowohl Carl Ferdinand als auch Alfred drängen sich nicht in die Öffentlichkeit. Doch vor wenigen Wochen gewährte Alfred einen raren Einblick in seine Ideen, als er auf der Tagung des Modedienstleisters Katag in Bielefeld zu rund 400 Unternehmern sprach. Das Thema: die richtige Mischung zwischen Evolution und Revolution in Familienunternehmen. Zum Beispiel, dass Familienunternehmen große Zukäufe nicht gut bekommen. „Wer den großen Deal machen muss, hat vorher etwas verschlafen“, sagte Oetker. Sein Unternehmen habe nur „verdauliche Happen“ geschluckt, dazu zähle Coppenrath & Wiese.

Grundstein für den Unternehmenserfolg.
Evolution bedeute auch, dass ein Familienunternehmen nicht alle Eier in einen Korb legt. Diese Weisheit ist nicht neu. Bei Oetker sei die Diversifikation nun – in der vierten Generation – auch international gelungen. Der Konzern, der in 40 Ländern erfolgreich Tiefkühlpizza verkauft, lasse sich nicht entmutigen. Auch wenn er in China nicht so vorankomme, weil dort in den Küchen schlicht die Backöfen fehlten.
Zur Internationalisierung zähle auch, dass Management und Familie globaler werden. „Sitzen Sie nicht dem Glauben auf, mit Englisch kommt man so durch“, sagte Alfred Oetker. Er selbst hat sieben Sprachen gelernt und in zehn Ländern gelebt. Seine Frau ist Italienerin, seine Kinder sind in Belgien geboren. Die Familie lebt in den Niederlanden. Das ändere den Blick. Niederländische Chefs brächten ihren Assistentinnen auch mal Kaffee. Eine Prise Revolution brauche auch ein Familienunternehmen, betonte Oetker. Das könne bis zu einem kompletten Haltungswechsel im Unternehmen führen.
Ob auch sein eigenes Unternehmen zu solch einer Revolution fähig ist, muss sich in den kommenden Monaten zeigen.
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