Online-Versand Börsenneuling Bike24 profitiert vom Fahrradboom – und kann die Nachfrage kaum bedienen

Der Börsenneuling Bike24 profitiert davon, dass sich immer mehr Menschen ein Fahrrad und entsprechendes Zubehör kaufen.
Foto: Bike24
München Der pandemiebedingte Fahrradboom hält noch an: Der Börsenneuling Bike24 konnte seinen Umsatz im ersten Halbjahr um 44 Prozent auf 127,4 Millionen Euro steigern. „Wir hätten noch stärker wachsen können“, sagte Mitgründer und Vorstandschef Andrés Martin-Birner dem Handelsblatt. Doch die Teileknappheit im Markt bremste die Zuwächse.
Für das erste Quartal hatte Bike24 ein Wachstum von 75 Prozent vermeldet. Im zweiten Quartal legten nun die Erlöse um 26 Prozent zu. Für das Gesamtjahr stellte das Unternehmen ein Plus von 23 bis 30 Prozent in Aussicht.
Die Führung von Bike24 glaubt nicht, dass der aktuelle Boom eine vorübergehende Erscheinung ist. „Die Nachfrage wird auch auf längere Sicht auf einem hohen Niveau bleiben“, sagte Finanzvorstand Timm Armbrust. Die Anzahl der Neukunden sei gestiegen. Damit sei die „installierte Basis“ für das Ersatzteilgeschäft in den kommenden Jahren deutlich gewachsen.
Bike24 war im Juni eher verhalten an der Börse gestartet. Der Ausgabepreis lag mit 15 Euro am unteren Ende der Preisfindungsspanne. „Wir haben das Ziel erreicht, 100 Millionen Euro Wachstumskapital einzusammeln“, sagte CFO Armbrust. Es sei zudem ein positives Signal, dass man stabil über dem Ausgabepreis liege. Nach Vorlage der Quartalszahlen lag die Aktie am Donnerstag nahezu unverändert bei 18 Euro.
Das Dresdener Unternehmen profitiert stark vom Branchenboom. Angesichts von Lockdowns und Reisebeschränkungen entdeckten viele Menschen das Radfahren für sich und kauften sich ein neues Mountainbike, Rennrad oder E-Bike. Andere holten ihr altes Rad aus dem Keller und bestellten sich Ersatzteile.
Der Fahrradmarkt ist ein Milliardenmarkt
Laut Branchenverband ZIV legte der Absatz im vergangenen Jahr in Deutschland um 17 Prozent auf mehr als fünf Millionen verkaufte Fahrräder und E-Bikes zu. Der Umsatz wuchs sogar um mehr als 60 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro. Einschließlich Ersatzteilen und Zubehör setzte die Branche etwa zehn Milliarden Euro um.
In diesem Jahr setzte sich die gute Entwicklung fort. Der Fahrradsektor erfahre „als veritabler und bedeutender Industriesektor immer mehr Beachtung und Gewicht“, sagte der neue ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork.
So wurde die einstige Nische auch für Investoren zunehmend interessant. Riverside war bereits 2015 bei dem Dresdener Unternehmen eingestiegen – und nutzte jetzt die gute Branchenkonjunktur für den Börsengang.
Im Frühjahr hatte nach einem Bietergefecht bereits die belgische Beteiligungsgesellschaft Groupe Bruxelles Lambert (GBL) den deutschen Fahrradhersteller Canyon übernommen, der ebenfalls größtenteils auf den Onlinevertrieb setzt.
Bike24 wurde vor knapp 20 Jahren von CEO Martin-Birner und Lars Witt gegründet und sieht sich als „eine der führenden E-Commerce-Plattformen in Kontinentaleuropa“ für Fahrradfahrer mit einem Fokus auf das Premiumsegment. Der Onlineshop verkauft bislang vor allem Ersatzteile und Zubehör, der Anteil von Kompletträdern wächst aber stark. In den vergangenen drei Jahren wuchs das Unternehmen im Schnitt um jeweils 30 Prozent auf zuletzt knapp 200 Millionen Euro Umsatz.
Konkurrenten von Bike24 sind Hersteller wie Canyon und Rose, die primär auf den E-Commerce setzen, aber auch Onlinehändler wie fahrrad.de, Amazon und Ebay.
Bike24 treibt internationale Expansion voran
Aktuell leidet die gesamte Branche unter der Teileknappheit. Die Lieferketten waren zeitweise durch Corona unterbrochen, gleichzeitig stieg die Nachfrage während der Lockdowns. Daraufhin ist das gesamte System aus der Balance geraten. Teile wie Schalthebel sind über viele Wochen nicht verfügbar, auf ein neues Fahrrad müssen die Kunden oft monatelang waren.
„Dass wir die Herausforderungen so gut meistern konnten, die Lieferengpässe sowie Verzögerungen in der Lieferkette an unsere Branche stellten, verdanken wir einer vorausschauenden Einkaufspolitik, unseren gefestigten Lieferantenbeziehungen und einer starken Teamleistung“, sagte Vorstandschef Martin-Birner.
Von der Teileknappheit konnte Bike24 teilweise auch profitieren. Radfahrer, die bei ihrer Werkstatt ein Teil nicht bekamen, bestellten online.
Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen konnte Bike24 im ersten Halbjahr um 51 Prozent auf 13,1 Millionen Euro steigern. Unter dem Strich stand ein Nettogewinn von 2,8 Millionen Euro, nach einem kleinen Verlust im Vorjahreszeitraum.
Bike24 will nun auch mithilfe des Erlöses aus dem Börsengang die internationale Expansion vorantreiben. Im Mai gründete der Onlinehändler eine Tochtergesellschaft in Spanien. Derzeit wird der Bau eines Logistikzentrums im Raum Barcelona vorbereitet, von dem aus Spanien und andere südeuropäische Länder beliefert werden sollen. Neue Onlineshops sollen auch in Frankreich und Italien eröffnet werden.
Die Märkte in Italien, Frankreich und Spanien seien zwar vom Umsatzvolumen her etwas kleiner, sagte Armbrust. Doch gebe es dort sehr viele leidenschaftliche Rennradler und Mountainbike-Kunden, die die Kernkundschaft von Bike24 seien. Daher sei auch in den Auslandsmärkten mit guter Profitabilität zu rechnen.
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