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Onlinehandel So wird Tiktok zum Amazon der nächsten Generation

In China setzt die Tiktok-Schwester Douyin schon Milliarden im E-Commerce um. Jetzt will das Unternehmen auch in Deutschland die großen Onlinehändler angreifen.
10.09.2021 - 14:25 Uhr Kommentieren
Über Kurzvideos und Livestreams hat der deutsche Mittelständler beim 818-Festival 30.000 zusätzliche Shampoo-Flaschen verkauft.
Influencer bewerben Alpecin auf Douyin

Über Kurzvideos und Livestreams hat der deutsche Mittelständler beim 818-Festival 30.000 zusätzliche Shampoo-Flaschen verkauft.

Düsseldorf Die Verkaufsshow ist rasant inszeniert. Fünf Minuten lang redet Yanjiu wie ein Wasserfall, die junge Influencerin mit den blondierten Haaren hält immer wieder das Gesichtspuder der Marke Essence ins Bild und zeigt auf ihrer bereits makellosen Haut, wie man es anwendet.

Währenddessen kommentieren und fragen die Zuschauer des Livestreams etwas über die Chatfunktion. Und das Wichtigste: Unten auf dem Bildschirm ist ein Verkaufsbutton, der direkt zum Shop des deutschen Essence-Herstellers Cosnova leitet. Im Sekundentakt treffen dort die Kauforders ein.

Willkommen in der schönen neuen Shopping-Welt in China. Während deutsche Kunden noch die Produktbilder und Beschreibungen bei Amazon durchscrollen, läuft im fernen Osten ein immer größerer Teil des Onlinehandels über Video.

Und diese neue Form des E-Commerce entwickelt gerade eine unglaubliche Wucht. Ganz vorn dabei: Die Videoplattform Douyin, die chinesische Schwester des auch in Deutschland so beliebten Tiktok. Im vergangenen Jahr hat Douyin bereits einen E-Commerce-Umsatz von umgerechnet 65 Milliarden Euro über seine Plattform abgewickelt.

Und das Wachstum ist rasant: Gerade erst hat Douyin das digitale Shopping-Event „818 Trendy Goods Festival“ abgeschlossen und dabei innerhalb von 18 Tagen umgerechnet 4,2 Milliarden Euro umgesetzt. Das ist das Vierfache des Vorjahres.

Alpecin verkauft 30.000 Flaschen über Videostream auf Douyin

Davon profitieren auch schon deutsche Markenhersteller. So hat der Alpecin-Hersteller Dr. Wolff Group während des Festivals über Videostreams auf Douyin mehr als 30.000 Flaschen seines Coffein-Shampoos zusätzlich verkauft. Das Asien-Team des deutschen Mittelständlers arbeitete dabei mit 34 Influencern zusammen und verzeichnete vier Millionen Aufrufe von Streams und Kurzvideos.

Auch der Kosmetikhersteller Cosnova war überwältigt von der Resonanz auf die Livestreams. „Die Präsenz auf Douyin ist eine tolle Möglichkeit, noch tiefer in die Social-Commerce-Welt und das Livestreaming einzutauchen“, berichtet Elisa Boldt, die bei Cosnova für das Chinageschäft zuständig ist. „Mit den bisherigen Ergebnissen und Erfahrungswerten sind wir mehr als zufrieden und sind gespannt darauf, wie sich das Business weiterhin entwickeln wird.“

Von vielen gerade in Europa wird Tiktok, oder eben die chinesische Version Douyin, belächelt als triviales Unterhaltungsmedium für gelangweilte Jugendliche. Doch die Muttergesellschaft Bytedance baut die Plattformen gerade zu Verkaufsmaschinen um und macht sie damit zum zukünftig schärfsten Konkurrenten von Amazon – auch in Europa und den USA.

„Bytedance baut hier in China ein riesiges Know-how auf und wenn sie es schaffen, nur die Hälfte davon nach Europa zu übertragen, ist das eine riesige Herausforderung für Konkurrenten wie Instagram oder Amazon“, sagt E-Commerce-Experte Damian Maib, der mit seinem Unternehmen Genuine German deutsche Unternehmen beim Aufbau eines eigenen Onlinehandels in China unterstützt.

„Ich gehe davon aus, dass Tiktok auch in Deutschland schnell an E-Commerce-Kanäle angebunden wird“, sagt Maib und prognostiziert: „Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis es auch in Deutschland eigene Shops auf Tiktok gibt, denn damit verdient das Unternehmen ja in China bereits viel Geld.“

Der Angriff auf Amazon läuft schon

Die Vorbereitungen für den Angriff auf Amazon laufen bereits. Als ersten wichtigen Schritt hat Tiktok jetzt auch in Deutschland eine Livevideofunktion eingeführt. Damit können die Creators, wie die Ersteller der Inhalte intern genannt werden, Livevideos planen, verwalten und bewerben.

Zuschauer können sich registrieren und werden daran erinnert, wenn das Event live geht. Und das kommt bereits gut an: So hatte das Spendenkonzert „All Hands on Deck“ im Mai dieses Jahres, initiiert von Musiker und Werber Fynn Kliemann, mehr als 1,25 Millionen Zuschauer.

Diese Livefunktion ist eine wichtige Voraussetzung für Verkaufsshows. Die andere ist die Anbindung an Webshops. In Europa, wo Tiktok rund 100 Millionen aktive Nutzer pro Monat zählt, könnte das die vor Kurzem installierte Kooperation mit der Plattform Shopify bringen, einem der Marktführer bei E-Commerce-Software.

Noch ist Tiktok als Marketingtool bei Shopify integriert. Händler können Inhalte direkt aus Shopify bei Tiktok hochladen, Kampagnen erstellen und Daten austauschen. Doch Ende des Monats will Tiktok neue Features vorstellen – und da könnte die Shoppingfunktion schon dabei sein.

Das deutsche Start-up Oatsome war eines der ersten Unternehmen, das die Integration in einer Betaversion getestet hat. Philipp Reif, Co-Gründer und Geschäftsführer des Anbieters von Smoothie Bowls, ist zufrieden mit dem Test: „Wir haben neue Strategien getestet und neue Kanäle wie Tiktok bespielt, was dazu geführt hat, dass unsere Produkte in unserem Shopify-Shop fast ausverkauft waren.“ 93 Prozent der Kundinnen, die über Tiktok kamen, seien Neukundinnen gewesen.

Volvic-Tee nach Tiktok-Video ausverkauft

Welche Verkaufspower Tiktok entwickeln kann, hat auch Volvic schon erlebt. Eine Influencerin hatte ein Rezept für ein pinkfarbenes Getränk aus Himbeeren, Sirup, einem Kokosnussdrink von Alpro und dem Biotee Hibiskus von Volvic in einem Video hochgeladen. Beiträge dazu unter dem Hashtag #pinkdrink erhielten weltweit mehr als 250 Millionen Aufrufe.

Das Ergebnis: „Volvic Bio Tee Hibiskus war in der Folge teilweise sogar ausverkauft“, berichtet Antoine Hours, Marketing Director von Volvic Deutschland. Einige Getränkehändler hätten schlagartig bis zu 150 Prozent mehr davon bestellt.

In China verbessert Douyin sein E-Commerce-Ökosystem schrittweise, indem es seinen eigenen Zahlungsdienst und Flagship-Stores einführte. „Der Flagship-Store ist speziell für Marken gedacht, die ihre eigenen Artikel verkaufen, und erfordert die Vorlage von Markendokumenten, um die Echtheit der Produkte zu gewährleisten“, erklärt Elena Gatti, Chinaexpertin der E-Commerce-Beratung Azoya.

Mehr als 220 Marken hätten bereits ihren eigenen Flagship-Store eingerichtet, wobei die L'Oréal-Gruppe innerhalb einer Woche einen Umsatz über die Plattform von 3,4 Millionen US-Dollar verzeichnet habe. „In dem Maße, in dem Douyin an Glaubwürdigkeit im E-Commerce gewinnt und seine Ressourcen ausbaut, werden noch mehr Marken die Chance erkennen“, ist sich Gatti sicher.

Harter Preiskampf beim Live-Shopping

Die wohl größte Schwierigkeit ist das hohe Tempo der Verkaufsshows, sollen die Kundinnen doch zu Spontankäufen verleitet werden, ohne lange nachzudenken. Und: Bei aller Euphorie sollten westliche Marken auch nicht übersehen, dass der Preiskampf gerade beim Live-Shopping in China extrem hart ist. Wegen der vielen Spontankäufe funktionieren eher niedrigpreisige Produkte, die aber häufig ohnehin eine niedrige Gewinnmarge haben.

„Wir schaffen es, mit den Livestreams trotz der niedrigen Preise profitabel zu sein“, betont Damian Maib von Genuin German. „Man muss aber sehr genau gucken, ob man mit seinen Produkten trotz Provisionen und Versandkosten noch eine ausreichende Marge macht“, warnt er, „das muss man mit spitzem Bleistift rechnen.“

Mehr: So können deutsche Händler beim Milliardengeschäft am Singles“ Day“ mitverdienen

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