Produktfälschungen „Project Zero“: Amazon geht jetzt auch in Europa massiv gegen Plagiate vor

Das Unternehmen bietet seine Schuhe nicht mehr auf der Amazon-Plattform an.
Düsseldorf Der Angriff kam direkt und mit voller Härte. In einem Brief an Händler warf der US-Chef der Sandalenmarke Birkenstock der Plattform Amazon vor, das Unternehmen tue nicht genug gegen Produktfälschungen. „Wir können für Birkenstock-Produkte auf Amazon weder die Echtheit bestätigen noch die Qualität überprüfen“, schrieb David Kahan. „Sie sind vielleicht gefälscht, vielleicht gestohlen, vielleicht unter sehr fragwürdigen Umständen hergestellt worden.“
Die Konsequenz: Birkenstock zog sich erst in den USA von der Amazon-Plattform zurück, kurz danach auch in Europa. Auch wenn Amazon betont, dass mehr als 99,9 Prozent der auf seiner Plattform gehandelten Waren keine Plagiate sind, tut ein solcher Vorwurf weh. Immer wieder werden Klagen laut, dass die großen Onlinemarktplätze ein beliebter Umschlagplatz für gefälschte Produkte sind. Und das kratzt auch an Amazons Image.
Jüngst gab der E-Commerce-Riese sogar selbst zu, dass das Unternehmen mit gefälschten Waren auf seiner Plattform zu kämpfen hat. In einer Mitteilung an die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC Anfang des Jahres hat der Konzern erstmals eingeräumt, dass er trotz aller internen Kontrollen nicht in der Lage sei, Betrug und Plagiate auf der Plattform vollständig zu unterbinden.
Doch damit soll nun Schluss sein. Wie Amazon-Vicepresident Dharmesh Mehta im Gespräch mit dem Handelsblatt ankündigte, wird der Konzern an diesem Montag sein ehrgeiziges „Project Zero“ auch in Europa starten: Durch verschiedene technische Maßnahmen und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz will Amazon zusammen mit den Markenherstellern die Zahl der Fälschungen auf seiner Plattform auf null reduzieren.
„Kunden erwarten, dass sie sicher sein können, auf unserer Website authentische Produkte zu kaufen. Das ist entscheidend für das Kundenvertrauen“, sagt Mehta, der bei Amazon den Bereich Partner-Beziehungen und Kundenvertrauen verantwortet. „Wir wissen, dass wir in diesem Punkt noch nicht perfekt sind, aber wir arbeiten hart daran, dass wir die Zahl der Fälschungen auf null bringen.“
Die Aufgabe ist herausfordernd, überschwemmen doch gefälschte Markenprodukte geradezu den Markt – und das nicht nur auf den Onlineplattformen. Nach einer Studie der Handelsorganisation OECD und des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) werden weltweit gefälschte Waren im Wert von mindestens 460 Milliarden Euro gehandelt, rund ein Viertel davon in der EU. Damit macht der Anteil gefälschter Produkte am gesamten Welthandel bereits 3,3 Prozent aus.
Fälschungen kosten viele Arbeitsplätze
Mehr als die Hälfte dieser Plagiate kommt der Studie zufolge aus China, gefolgt von Hongkong, der Türkei und Singapur. Doch auch Deutschland wird als Standort für Fälscher immer beliebter und liegt bereits auf Platz fünf. Am häufigsten gefälscht werden Schuhe und Bekleidung. Legt man aber den Wert der gefälschten Güter zugrunde, richten die Betrüger in der Uhrenbranche den größten Schaden an.
Genaue Zahlen, wie viel Umsatz Unternehmen in Deutschland entgeht, gibt es nicht. In einer Studie auf einer Basis von Unternehmensbefragungen hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln jedoch jüngst hochgerechnet, dass der volkswirtschaftliche Schaden in Deutschland bei 54,5 Milliarden Euro liegen dürfte.
Nach Berechnungen der Forscher sind dadurch rund 500.000 Arbeitsplätze bei deutschen Unternehmen weggefallen. Entsprechend hoch ist der öffentliche Druck, dass auch die Onlinemarktplätze hart gegen die Betrüger vorgehen. Vor einem halben Jahr hat Amazon deshalb sein „Project Zero“ in den USA gestartet.
Mittlerweile haben sich mehr als 3000 Markenhersteller für das Programm registriert. Das System basiert auf drei Säulen: Zum einen sucht Amazon mit eigens programmierten Algorithmen und mithilfe von Künstlicher Intelligenz seine Plattform ständig nach Fälschungen ab.
Außerdem bekommen die teilnehmenden Markenhersteller die Möglichkeit, selbst Angebote von der Seite zu löschen, wenn sie Fälschungen entdeckt haben. Zum dritten können die Hersteller alle ihre Produkte mit speziellen Codes versehen, mit denen die Echtheit überprüft werden kann.
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