Quartalszahlen Amazon verfehlt trotz Zuwachs die Umsatzerwartungen – Aktie fällt

Der US-Onlinehändler hat die Erwartungen der Analysten enttäuscht.
San Fransisco Der weltgrößte Onlinehandels- und Cloud-Computing-Konzern war am Donnerstag nicht in der Lage, die Erwartungen der Anleger und Analysten zu erfüllen. Amazons Prognose für das 3. Quartal 2021 sorgte für regelrechte Ernüchterung. Von Fact Set befragte Wall-Street-Analysten setzten im Schnitt auf einen Umsatz von über 118 Milliarden Dollar im laufenden Quartal, Amazon selbst hofft jetzt nur noch auf einen Umsatz zwischen 106 und 112 Milliarden, die Mitte davon wären gut 109 Milliarden.
Im abgelaufenen Quartal konnte Amazon seinen Umsatz um 27 Prozent auf 113 Milliarden Dollar steigern. Doch auch das lag unter den Erwartungen und der Wachstumsquote im Vorjahresquartal. Der Nettogewinn von 7,8 Milliarden Dollar lag wieder über den Erwartungen und über Vorjahr mit 5,24 Milliarden.
Im Laufe der Woche legten mit Facebook, Alphabet, Microsoft und Apple die großen Techkonzerne der USA ihre Quartalszahlen vor. Obwohl alle Unternehmen für das abgelaufene Quartal Ergebnisse vorlegten, die in normalen Zeiten als außergewöhnlich gut gegolten hätten, waren es vor allem die Ausblicke auf die nahe Zukunft, die den Optimismus bremsten. So warnt Facebook vor einer „signifikanten“ Abschwächung des Ergebniswachstums.
Die Wall Street deutet Amazons Prognose so, dass der Konzern nicht an neue Einschränkungen im Zuge der Covid-19-Pandemie glaubt. Durch die aktuellen Lockerungen gehen viele Kunden wieder im stationären Handel einkaufen, statt Waren online zu bestellen. Brian Olsavsky bestätigte die Vermutungen in einem Analystencall: „Seit dem 15 Mai, „den Prime-Day“ herausgerechnet, ist die Wachstumsrate im Vorjahresvergleich in den mittleren Zehner-Prozentbereich gefallen. Unsere Prognose für das dritte Quartal von zehn bis 16 Prozent reflektiert diesen Trend.“ Er wolle über das laufende Quartal hinaus keine Vorhersage wagen, aber „dieses Muster von schwierigen Jahr-zu-Jahr-Vergleichen wird für die nächsten Quartale anhalten“.
Die Amazon-Aktie brach nachbörslich um bis zu sechs Prozent ein, andere E-Commerce-Akiten wie Etsy, Shopify oder Ebay folgten, wenngleich nicht so stark – ebenso die Versender UPS und Fedex. Amazons eigene Einzelhandelsgeschäfte, einschließlich der Handelsgruppe Whole Foods, konnten zehn Prozent auf 4,2 Milliarden Dollar zulegen, was jedoch eine Schwäche im Onlinehandel nicht ausgleichen kann.
Für den frischgebackenen Amazon-CEO Andy Jassy ist all das keine angenehme Situation. Der scheidende CEO Jeff Bezos hinterlässt Jassy eine Reihe von Problemen mit den Regulierern: Der Kauf des MGM-Filmstudios befindet sich noch immer in der Prüfung. Das Handelsministerium FTC untersucht Vorwürfe, Amazon habe Verkaufsdaten von Drittanbietern genutzt, um besonders gefragte Produkte unter eigener Marke zu produzieren.
Und nicht zuletzt muss Jassy sich nun mit Lina Khan als neue FTC-Chefin auseinandersetzen. Sie ist bekannt als Kritikerin der Marktmacht, die die Techkonzerne innehaben. Besonders Amazon hat die Juristin in ihrer Universitätskarriere gründlich und kritisch durchleuchtet.
Cloudsparte AWS mit starkem Wachstum
Nur verhalten optimistisch kamen die Zahlen der Cloud-Sparte AWS an. Amazons Gelddruckmaschine steuert fast 60 Prozent des operativen Konzerngewinns von insgesamt 7,7 Milliarden Dollar bei. Lag im Jahr zuvor das AWS-Wachstum nur bei 27 Prozent, waren es im Quartal bis Ende Juni 2021 39 Prozent. Wettbewerber Microsoft und Google konnten im Cloud-Geschäft jedoch Wachstumsraten von über 50 Prozent plus verbuchen. Zwar ist AWS weiter einsamer Marktführer, jedoch holen die Konkurrenten auf.
„Wenn das Amazon-Geschäft insgesamt schwächelt, da der normale Einzelhandel wieder offen ist, und viele Konsumenten das klassische Einkaufserlebnis wünschen“, fasst Analyst Holger Müller von Constellation Research zusammen, „kommt AWS zur Rettung, als könnte es die ökonomischen Prinzipien widerlegen, dass die Wachstumsraten eines Marktführers langsam, aber sicher absinken. Aber die nächsten Quartale werden erst zeigen müssen, ob das ein zweiter Rückenwind für AWS wird, oder nur eine kurze Windböe war.“
Andy Halliwell, Senior Director Retail beim Beratungshaus Publicis Sapient, sieht in dem Zahlenausweis noch keine Alarmsignale: „AWS trug maßgeblich wieder zu den Erfolgszahlen bei, da das Umsatzwachstum erneut beschleunigen konnte. Auch die Geschäftseinheit Media & Advertising bietet enormes Potenzial durch die Möglichkeit, Anzeigen auf Suchergebnisseiten im gesamten Amazon-Ökosystem zu verkaufen. Dies ist bereits heute ein Ein-Milliarden-Dollar-Geschäft. Das Prime-Video-Geschäft hat im vergangenen Jahr Stärke bewiesen. Die Streamingzahlen legten schon im ersten Quartal um über 70 Prozent zu. Das Kindle- und Echo-Geschäft läuft gut in China, dem sonst schwächsten Markt von Amazon“, weist er auf Wachstumspotenziale hin.
Amazons Werbeaktivitäten finden sich im Bereich „Sonstiges“ der Bilanz, der insgesamt um 83 Prozent auf 7,92 Milliarden Dollar angezogen ist. Die bullischen Vorhersagen für Onlinewerbung werden durch massive Wachstumsraten bei Facebook und Google untermauert.
Zu einem durchschlagenden Erfolg hat sich Amazon Prime entwickelt, der Liefer- und Unterhaltungsservice zum Pauschalpreis. Mittlerweile sind laut Amazon über 200 Millionen Kunden weltweit Prime-Mitglieder. Diese Mitglieder kaufen regelmäßiger und auch mehr als ungebundene Kunden. Ein bedeutender Vorteil ist der integrierte Video-Streamingservice „Prime Video“, eine direkte Konkurrenz zu Angeboten wie Disney Plus oder Netflix. Umso kritischer ist das schwebende Genehmigungsverfahren für die Übernahme des James-Bond-Produzenten MGM mit seiner großen Filmbibliothek zu bewerten. Diesen Deal abzuschließen wird Andy Jassys erste große Bewährungsprobe.
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