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Rechtsanwalt im Interview Absage von Events wegen Corona: „Keine Haftung bei höherer Gewalt“

Untersagen Behörden Veranstaltungen wegen Corona-Gefahr, bleibt jeder auf seinen Kosten sitzen. Etliche Messebauer könnte das existenziell bedrohen.
01.03.2020 - 12:50 Uhr 1 Kommentar
Immer mehr Messen werden wegen Corona abgesagt. Quelle: Reuters
Werbung für die ITB-Messe in Berlin

Immer mehr Messen werden wegen Corona abgesagt.

(Foto: Reuters)

Düsseldorf Aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus drängen immer mehr Aussteller die Veranstalter zur Absage. Die zögern jedoch, weil sie nur bei behördlicher Untersagung aus der Haftung entlassen werden. Rechtsanwalt Martin Glöckner von der Kanzlei Glöckner Keller Rechtsanwälte in Nürnberg erklärt, wer wann Schadenersatz zu zahlen hat. Der Experte für Veranstaltungsrecht, der auch Justiziar des Fachverbands Messen und Ausstellungen (Fama) ist, appelliert, dass alle Seiten Zugeständnisse machen sollten.

Herr Glöckner, immer mehr Messen und Events werden infolge des Coronavirus verschoben. Wer haftet für die entstandenen Kosten?
„Höhere Gewalt“ lautet das Zauberwort, das über die Haftung entscheidet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies ein externes Ereignis, das keinen betrieblichen Zusammenhang aufweist und auch nicht durch äußerste Sorgfalt abwendbar ist.

Muss die Bundesregierung dafür den Gesundheitsnotstand ausrufen?
Nicht unbedingt. Der Krisenstab der Bundesregierung hat nun empfohlen, bei Großevents die vom Robert-Koch-Institut erarbeiteten Prinzipien unmittelbar anzuwenden. Entscheiden müssen in jedem Einzelfall jedoch weiterhin die Behörden vor Ort. Genehmigt das zuständige Gesundheitsamt ein Event wegen Corona-Gefahr nicht, muss der Veranstalter diesen Anordnungen Folge leisten. Dann ist der Grund für die Absage oder Verlegung höhere Gewalt.
Darauf hoffen offenbar viele Veranstalter, damit sie raus der Haftung sind.
Rein rechtlich müssen sie bei einer Verlegung infolge höherer Gewalt ihren Kunden nichts erstatten – weder Standgebühr noch Ticketkosten. In der Regel bemühen sich Veranstalter daher gegenwärtig um einen neuen Termin. Dann bieten sie ihre vertragliche Leistung auch weiterhin an, nur eben später.

Was ist, wenn der Ersatztermin einem Aussteller nicht passt?
Sofern höhere Gewalt vorliegt und der Aussteller den neuen Termin nicht wahrnehmen kann, bekommt er allerhöchstens einen Teil seiner Standgebühren zurück. Der Veranstalter wäre ja bereit gewesen, den Vertrag zu erfüllen. Aussteller müssen dann in den sauren Apfel beißen.

Martin Glöckner arbeitet bei der Kanzlei Glöckner Keller Rechtsanwälte in Nürnberg. Der Experte für Veranstaltungsrecht ist Justiziar des Fachverbands Messen und Ausstellungen (Fama). Quelle: Kanzlei Glöckner Keller
Rechtsanwalt Martin Glöckner

Martin Glöckner arbeitet bei der Kanzlei Glöckner Keller Rechtsanwälte in Nürnberg. Der Experte für Veranstaltungsrecht ist Justiziar des Fachverbands Messen und Ausstellungen (Fama).

(Foto: Kanzlei Glöckner Keller)

Veranstalter wollen wichtige Aussteller sicher nicht vergraulen. Können die Großen also mit Kulanz rechnen?
Wie ich die Messewirtschaft kenne, wird nicht mit zweierlei Maß gemessen. Man hat den Blick auf die ganze Branche. Wer kleine Aussteller schlechter behandelt als die großen, bekommt später dafür die Quittung.

Aussteller haben selbst Standbauer, Logistiker und Hotels bestellt. Die wollen auch Geld sehen. Was passiert da im Falle höherer Gewalt?
Untersagen die Behörden die Durchführung einer Messe, kann sich auch der Aussteller auf höhere Gewalt berufen. Dann muss auch er seine Dienstleister nicht oder zumindest nicht voll bezahlen. Eine Ausnahme bildet hier die Vergütung für bereits vom Dienstleister erbrachte Leistungen, die für den Aussteller auch zukünftig noch werthaltig sind. Die Messebauer und Dienstleister sind aber oft die letzten in der Kette und bleiben meist auf ihren Kosten sitzen. Das kann etliche auch existenziell betreffen.

Was ist, wenn eine Messe ohne behördliche Anordnung abgesagt wurde?
Dann muss der Veranstalter dem Aussteller möglicherweise Schadenersatz zahlen. Denn der ist weiterhin an seinen Vertrag mit dem Messebauer und anderen Dienstleistern gebunden. Ohne vorherige und entsprechende behördliche Anordnung kann man sich schwerlich auf höhere Gewalt berufen. Zudem wäre der Austeller ja bereit und in der Lage gewesen, seinen Teil des Vertrages mit dem Veranstalter zu erfüllen.

Werden Aussteller versuchen ihre Kosten beim Veranstalter einzuklagen?
Es wird sicher einige Klagen geben. Aber es ist ein Geben und Nehmen. Für den Aussteller ist es wichtig, bei einer wichtigen Messe oder gar Weltleitmesse auch in Zukunft adäquat präsentiert zu sein. Veranstalter wollen hingegen ihre Aussteller nicht vergraulen. Beide Seiten werden Zugeständnisse machen müssen.

Warum hat der Krisenstab kein bundesweites Verbot für Großevents ausgesprochen wie in der Schweiz, wo alle Veranstaltungen ab 1000 Teilnehmern vorerst abgesagt sind?
Das wäre hierzulande ein zu weiter Eingriff in die Grundrechte. Auch verbietet es das föderalistische System, dass sich der Bund in Angelegenheiten der Länder einmischt. Der internationale Reise- und Flugverkehr von und nach Deutschland funktioniert zudem ja noch und die Grenzen sind weiterhin offen. Ein generelles Verbot von Messen oder Großevents durch den Bund müsste meines Erachtens mit solch drakonischen Maßnahmen Hand in Hand gehen. Und diese wären nur durch schwerwiegende Gefahren für die Gesundheit der gesamten Bevölkerung gerechtfertigt.

Herr Glöckner, vielen Dank für das Gespräch.

Mehr: Corona-Angst: Immer mehr Großevents werden verschoben.

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1 Kommentar zu "Rechtsanwalt im Interview: Absage von Events wegen Corona: „Keine Haftung bei höherer Gewalt“"

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  • Guten Morgen, im konkreten Falle der abgesagten ITB Berlin ist nicht wirklich transparent wer für die Kosten aufkommt. Lt. Webseite, Presse hat sich die Messe entschieden aufgrund der Auflagen der Stadt Berlin/ Bezirksamt Charlottenburg die Messe abzusagen somit ist der Veranstalter haftbar oder sehe ich das falsch?
    Fakt ist, wer erst um 1830 am Freitag eine Stornierung ausruft, denkt natürlich an die Gesundheit der Teilnehmer und Besucher, macht sich aber keine Gedanken und Kommuniziert transparent wie das alles übers Wochenende und in diesem Falle abgewickelt werden soll.

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