Reisebranche Hohes Impftempo befeuert Tourismus-Boom in den USA

Weil immer mehr Menschen in den USA geimpft werden, ist das Interesse an Reisen im Sommer bereits jetzt enorm.
New York In den USA hat Erich Sixt derzeit ein Luxusproblem: „An der Ostküste werden die Autos fast schon knapp“, berichtete der Chef des gleichnamigen Autovermieters jüngst von der Lage in den Vereinigten Staaten. Er spricht von einem „hoffnungsvollen Zeichen“. Sixt hat aktuell 65 Mietauto-Stationen in den USA, will das Angebot aber zügig auf 100 aufstocken. Wahrscheinlich wird er die Preise bis zum Sommer erhöhen.
Was für die Europäer im Lockdown-Blues wie eine Nachricht aus einer anderen Welt klingt, könnte auf der anderen Seite des Atlantiks schon bald Realität sein: Weil das Impfen so schnell voranschreitet, rechnen Beobachter im Sommer mit einem wahren Tourismus-Boom in den USA.
Mehr als zwei Millionen Menschen werden in den USA täglich geimpft. US-Präsident Joe Biden will die Staffelung nach Impfgruppen aufheben und Impfstoffe bis spätestens 1. Mai für alle Erwachsenen in den USA freigeben lassen, kündigte er in seiner ersten großen Fernsehansprache an die Nation an. Biden stellte seinen Landsleuten zudem in Aussicht, am Nationalfeiertag am 4. Juli wieder in kleinen Gruppen feiern zu können.
In Kombination mit der starken Durchseuchung – schätzungsweise 30 Prozent der Amerikaner sind bereits mit dem Coronavirus infiziert gewesen – nähern sich die Vereinigten Staaten damit zum Sommer der Herdenimmunität. Und so wächst auch die Lust aufs Reisen.
Der Unterhaltungskonzern Disney berichtet, dass seine gerade erst wieder geöffneten Freizeit- und Themenparks Disneyworld und die Hollywood-Studios in Florida für die kommenden Wochen bereits komplett ausgebucht sind. United Airlines hat 25 neue Flugzeuge bestellt. Delta hat kürzlich seinen 1700 freigestellten Piloten mitgeteilt, dass sie bis Oktober wieder alle aktiv fliegen sollen. Die Kreuzfahrtgesellschaften haben ihre Plätze für den Sommer schon verkauft.
Viele Buchungen von Senioren
„Es ist, als wäre Ende Januar, Anfang Februar ein Schalter umgelegt worden“, sagte Tom Reeg, der CEO der Kasino-Kette Caesars Entertainment, vor Kurzem gegenüber Analysten.
Der CEO des Kreuzfahrt-Giganten Royal Caribbean, Richard Fain, ist überrascht von den vielen Buchungen der Senioren: „Wir haben wirklich gedacht, dass die alten Leute vorsichtiger wären. Tatsache ist, dass sie auch endlich rauswollen“, sagte Fain jüngst anlässlich der Präsentation der Quartalszahlen. Er hätte auch vor allem Buchungen von langjährigen Kunden erwartet. Tatsächlich aber kämen die meisten Buchungen von Menschen, die zum ersten Mal an Bord eines Kreuzfahrtschiffes gehen wollen.

Royal Caribbean hat angekündigt, sein neuestes Schiff „Odyssey of the Seas“ im Mai in Israel nur mit geimpften Passagieren und Mitarbeitern ablegen zu lassen.
„Es wird der Sommer der nachgeholten Reisen“, ist Henry Harteveldt, Luftfahrt- und Tourismus-Berater und Präsident von Atmosphere Research, überzeugt. „In unseren Gesprächen mit Managern der Airlines und Hotels hören wir immer wieder, dass die Buchungen zum Sommer steigen“, berichtet er.
Wie stark mit dem Impftempo auch das Vertrauen der US-Bürger ins Reisen gestiegen ist, zeigt eine Umfrage von Deloitte vom Februar: Danach gaben 46 Prozent der befragten Amerikaner an, dass sie sich in einem Hotel wieder sicher fühlen würden. 34 Prozent sagten das auch über Flugzeuge. Das sind die höchsten Zahlen seit April 2020. Unter den Geimpften waren es sogar doppelt so viele. Wer das Vakzin schon erhalten hat, kann es offenbar gar nicht mehr abwarten zu reisen: 53 Prozent der Befragten gaben an, dass sie bereits in den kommenden vier Wochen mehr Geld für Reisen ausgeben werden.
„Die Menschen können es kaum abwarten, wieder in den Urlaub zu fahren oder ins Casino zu gehen“, ist auch der Aktien-Stratege der Citibank, Tobias Levkovich, überzeugt. „Und sie sitzen auf viel Geld, das sie ausgeben können“, sagt er. Nach Berechnungen von Goldman Sachs werden die Amerikaner bis zum Sommer 2,4 Billionen Dollar wegen der Pandemie gespart haben, das für Ausgaben bereitsteht.
Angesichts der guten Aussichten haben die Aktienkurse von Reiseportalen wie Expedia und Booking.com zuletzt neue Höchststände erreicht.
Auch die Aktienkurse der Fluggesellschaften wie United, Delta oder American Airlines haben sich seit ihren Tiefstständen im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Das Gleiche gilt für Hotelketten wie Marriott und Hilton.
Schwerpunkt liegt auf Inlandsreisen
Eins scheint dabei aber klar: Diesen Sommer werden die Amerikaner hauptsächlich im eigenen Land bleiben. Schließlich ist noch unklar, wann welche Länder ihre Grenzen wieder öffnen.
„Die Amerikaner werden innerhalb der USA reisen oder nach Mexiko, Costa Rica oder in die Karibik fliegen, wo sie jetzt schon hindürfen“, glaubt Berater Harteveldt. Er beobachtet, dass derzeit die Hotelbuchungen schneller anziehen als die Flugbuchungen. „Hotelbuchungen kann man oft kostenfrei stornieren. Flüge nicht immer“, erklärt er das Phänomen. Außerdem buchten die Amerikaner derzeit entweder extrem kurzfristig für die nächsten zwei Wochen oder gleich für den Sommer.
Harteveldt ist davon überzeugt, dass die Senioren über 65 Jahren den Anfang machen werden. Auch Florian Dehne von der Unternehmensberatung Oliver Wyman rechnet damit, dass die Älteren als Erste reisen: „Sie sind geimpft, haben das Geld und die Zeit“, sagt er.
Es gibt erste Anzeichen dafür, dass die Preise zum Sommer steigen werden. Nicht nur Sixt könnte die Preise für seine Mietautos erhöhen. Auch die Kreuzfahrten werden schon jetzt langsam teurer. Glenn Fogel, der CEO des Online-Buchungsportals Booking.com, riet diese Woche den Kunden, lieber schnell noch zu den niedrigen Preisen zu buchen, bevor sie im Sommer steigen. „Ich sehe die Preise an einigen Orten hochgehen, und wir werden sicher zum Sommer hin höhere Preise für Flugtickets sehen“, sagte Fogel.
Bei den Unterkünften ging der Trend im vergangenen Quartal weiterhin eindeutig in Richtung Ferienwohnungen, wo man sich keine Gemeinschaftsräume mit anderen teilen muss. Expedia-CEO Peter Kern sagte anlässlich der jüngsten Quartalszahlen, dass das Ferienwohnungs-Portal Vrbo das einzige Segment war, in dem das Reiseportal wachsen konnte, zu dem auch Hotels.com, Orbitz und Travelocity gehören.

Der Autovermieter will wegen der hohen Nachfrage sein Angebot in den USA deutlich ausbauen.
Auch die Hotelkette Marriott hat deshalb zuletzt vor allem das auf längere Aufenthalte spezialisierte Segment mit Marken wie Element Hotels, Residence Inn by Marriott and Towneplace Suites by Marriot ausgebaut.
Nur Geimpfte dürfen an Bord
In der Kreuzfahrt-Branche zeichnet sich der Trend ab, nur Geimpfte an Bord zu lassen. Royal Caribbean hat bereits angekündigt, sein neuestes Schiff „Odyssey of the Seas“ im Mai in Israel nur mit geimpften Passagieren und Mitarbeitern ablegen zu lassen.
Das könnte auch für Hotels eine Idee sein, meint der Atmosphere-Berater Harteveldt: „Hotels könnten darüber nachdenken, zum Beispiel ganze Etagen nur für Geimpfte anzubieten“, schlägt er vor – weist aber auch darauf hin, dass dies als Diskriminierung angesehen werden könnte. Vor allem von Menschen, die sich aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen nicht impfen lassen können oder wollen.
Harteveldt glaubt, dass es noch zwei Jahre dauern wird, bis sich der Tourismus wieder ganz erholt hat. Eine Einschätzung, die auch die Berater von Oliver Wyman teilen.
Doch wann können auch Deutsche wieder in die USA reisen? „Die internationalen Reisen hängen davon ab, wann die amerikanische Regierung die Reiseverbote aufhebt. Wir gehen davon aus, dass dies der Fall sein wird, wenn auf beiden Seiten des Atlantiks alle Zugang zum Impfstoff haben“, sagt Oliver-Wyman-Berater Dehne. Das könnte vor allem auf der europäischen Seite des Atlantiks aber noch einige Zeit dauern.
Mehr: Ansprache an die Nation: US-Präsident Biden hebt zum 1. Mai alle Impfbeschränkungen auf
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