Reisekonzern „Aufwand für Verspätungen um ein Viertel reduzieren“: Tui bündelt das Management seiner Airlines

Der wegen der Pandemie angeschlagene Reisekonzern bündelt seine Airlines, um die Komplexität zu reduzieren und Kosten zu sparen.
Frankfurt Der Touristikkonzern Tui konsolidiert seine Fluggesellschaften: Die fünf Airlines aus Deutschland, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und Schweden werden künftig von einem gemeinsamen Management geführt. Wesentliche Funktionen werden in Kompetenzzentren gebündelt. „Wir haben im Zuge der Restrukturierung unsere Flottengröße angepasst und die Flugbetriebe gebündelt. Damit sind wir gut gerüstet für die Zeit nach der Pandemie“, sagte Marco Ciomperlik, Chief Airlines Officer der Tui Group, dem Handelsblatt.
Die fünf Fluggesellschaften verfügen insgesamt über 140 Flugzeuge. Zwar gab es schon bisher ein paar Bereiche, in denen die Flugbetriebe – im Fachjargon AOC genannt – gemeinsam agierten. So etwa beim Einkauf. Doch darüber hinaus arbeitete jeder weitgehend für sich, und jeder Betrieb hatte eine eigene Führungsspitze. Das ändert sich nun.
„Die einzelnen AOCs bleiben natürlich erhalten, die brauchen wir ja für den Flugbetrieb. Auch die Marken bleiben, sie sind in den Ländern etabliert“, sagte Oliver Lackmann, Chef der deutschen Tuifly und als Chief Flight Operation Officer künftig für alle fünf AOCs verantwortlich: „Aber die Flugbetriebe werden künftig deutlich schlanker sein als bisher, weil viele Funktionen in Kompetenzzentren konsolidiert sein werden.“
Als ein Beispiel nannte Lackmann die Steuerung des täglichen Flugbetriebs. „Es gibt künftig nur noch eine Verkehrszentrale für alle Airlines, die in Luton ist. Diesen Bereich haben wir zum Beispiel bei Tuifly in Hannover abgegeben – dafür haben wir andere Zuständigkeiten übernommen.“
Der Umbau ist Teil der Restrukturierung des gesamten Konzerns. Das Unternehmen ist durch die Pandemie in große Schwierigkeiten geraten. Mehrfach musste Tui mit Staatshilfe gestützt werden. In Summe belaufen sich die Kreditzusagen des Bundes und von privaten Banken auf 4,8 Milliarden Euro.
Tui verschafft sich Luft bei der Liquidität
Vor wenigen Tagen hatte das Management um CEO Friedrich Joussen eine Verlängerung dieser Linien ausgehandelt. Damit stehen 4,7 Milliarden Euro bis zum Sommer 2024 zur Verfügung. Gleichzeitig konnte der Konzern am vergangenen Freitag den bereits angekündigten Verkauf der Minderheitsbeteiligung an einem Immobilienportfolio an die Familie Riu erfolgreich abschließen. Dabei gibt Tui Hotels ab, bleibt aber weiterhin für den Betrieb und die Vermarktung zuständig. Der Deal bringt Tui 541 Millionen Euro ein, weitere 130 Millionen Euro können bis 2023 fließen.
Dennoch hat Tui die Krise nicht überstanden. Rebecca Lane von der Investmentbank Jefferies bewertet die Ausstattung mit Liquidität kurzfristig zwar als ausreichend, auf längere Sicht gebe es aber weiterhin bilanzielle Risiken. Deshalb ist das Management dabei, die Kosten weiter zu drücken und die Strukturen zu verschlanken.
Die Vielzahl an Flugbetrieben etwa hat in der Vergangenheit für eine recht hohe Komplexität gesorgt. Das alles wird nun vereinheitlicht. Die Zusammenführung habe auch Vorteile beim Einsatz von Reserveflugzeugen. Es müsse nicht mehr jeder Flugbetrieb Ersatzgerät bereithalten. „Und wir können die freien Flugzeuge dort einsetzen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Wir gehen davon aus, dass das den Aufwand für Verspätungen um ein Viertel reduzieren wird.“
Der Umbau hat auch Folgen für die Belegschaft. In der Administration, also in allen Bereichen jenseits des fliegenden und technischen Personals, wird die Personalkapazität nach Angaben von CEO Ciomperlik in Summe um rund 40 Prozent reduziert. Bei Tuifly in Deutschland ist dieser Umbau bereits vollzogen, in den anderen Ländern wird das in den kommenden Monaten geschehen.
Das vorrangige Ziel sei es aber nicht gewesen, Kosten zu senken, betont der Chef der neuen Airline-Gruppe: „Auch wenn der Umbau durchaus einen positiven Effekt in dreistelliger Millionenhöhe haben wird – wir wollten vor allem die Komplexität aus dem System herausnehmen.“
Natürlich seien die Pläne bei dem einen oder anderen nicht gerade auf Begeisterung gestoßen. Aber man habe sehr intensiv und offen kommuniziert und das enge Gespräch mit den Arbeitnehmervertretern gesucht, sagte Ciomperlik: „In Summe ist der Umbau lösungsorientiert und sachlich verlaufen. Aber wir sind auch noch mitten in der Umsetzung, die uns sicherlich noch die kommenden 18 Monate beschäftigen wird.“
Am Ende werde aber ein Airline-Verbund stehen, der im Wettbewerb bestehen könne. „Ich glaube, dass es kaum eine Airline-Gruppe gibt, die ihre einzelnen Flugbetriebe so tief integriert hat, wie wir das jetzt tun“, sagte Ciomperlik.
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