Retargeting Wenn Produkte die Kunden verfolgen

Internet-Werbung: Immer häufiger finden die Produkte ihre Käufer.
Düsseldorf Egal, auf welche Internetseite der Besucher geht: Überall sieht er die Stiefel, die er sich erst kürzlich auf einem Shoppingportal angesehen, aber nicht gekauft hat. Dunkelbraun, feines Leder, flacher Absatz. Sie verfolgen ihn scheinbar.
Das Wundermittel aus der Trickkiste der Marketingexperten, das diese aufdringliche Werbung möglich macht, heißt Retargeting ("wieder ins Ziel nehmen") - und ist bei Betreibern von Onlineshops ausgesprochen beliebt. Dabei geht es um nicht weniger als das gezielte Herausfischen verlorengegangener Kunden aus dem großen Teich der Internetnutzer. Ob das Schuhportal Zalando, die Otto Gruppe, der Onlineauktionär Ebay oder der Elektronikmarkt Conrad, nahezu alle Onlinehändler nutzen das bislang als Nischenprodukt belächelte Werbeinstrument.
Der Grund: Mehr als 95 Prozent der Nutzer verlassen einen Online-Shop, ohne etwas zu kaufen. "Unsere Kunden wollen diese Besucher erneut ansprechen, denn sie haben ja bereits einmal ihr grundsätzliches Interesse gezeigt", sagt Robert Lang, Chef von Criteo, dem nach eigenen Angaben führenden Anbieter für Retargeting.
Das Geschäftsmodell: Der Retargeting-Anbieter kauft Werbeflächen (sogenannte Banner) von Webseitenbetreibern, beispielsweise Nachrichtenportalen. Gleichzeitig erhält er von seinen Kunden, den Onlinehändlern, anonymisierte Nutzerdaten: Welcher Shopbesucher war an welchem Produkt interessiert? Schließlich erstellt der Retargeting-Anbieter die individuelle Werbung für ein Banner, das nur von dem Rechner des vermeintlich Interessierten aus zu sehen ist.
Die maßgeschneiderte Werbung kommt an. Klickten normalerweise nur 0,11 Prozent der Besucher auf ein Werbebanner, liege die Quote mit Retargeting im Schnitt fünf- bis zehnmal höher, wirbt Criteo-Chef Lang. Retargeting ist nur eine von vielen Spielarten der Onlinewerbung - ein Markt, der boomt. Laut Online-Vermarkterkreis (OVK) wuchs das Werbevolumen im vergangenen Jahr um 26 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro. In diesem Jahr, so heißt es, soll die Sechs-Milliarden-Euro-Marke geknackt werden.
Doch das Verfolgen des Kunden im Netz birgt auch Schwierigkeiten. Bekommt beispielsweise ein Internetuser eine bestimmte Werbung zu oft, zu aggressiv angezeigt, reagiert er womöglich genervt. Schließlich hatte es ja einen Grund, warum er die Stiefel nicht gekauft hat.