Roller-Geschäftsführerin Tessa Tessner Erst ins Internet, dann in die Filiale

„Das schmuddelige Image von Discountern hat sich komplett gewandelt.“
Gelsenkirchen „Das Sofa hier hat Benedikt Höwedes neulich bei uns gekauft“, sagt Tessa Tessner und deutet auf eine moderne Ausziehkombination für 999 Euro in Anthrazit. Der Nationalspieler und Star von Schalke 04 kam in der Möbel-Roller-Filiale in Gelsenkirchen vorbei, dort, wo der Sponsor des Klubs auch seine Zentrale hat. Das Foto des Kickers auf dem Roller-Sofa stellte der filialstärkste deutsche Möbelhändler auf seine Facebook-Seite – besser kann Werbung kaum funktionieren.
Aber ein wenig Häme gab es dann doch. „Hat Schalke 04 sein Gehalt gekürzt, oder warum kauft er bei euch ein?“, kommentierte einer von 620.000 Facebook-Fans des Discounters süffisant den Möbelkauf. Doch Tessa Tessner, Gesellschafterin und Geschäftsführerin für Marketing und E-Commerce, kann dem nur locker entgegnen: „Wir richten uns an Smart-Shopper, an Leute, die nicht sparen müssen, sondern wollen.“
„Smart-Shopper“ – das klingt wesentlich besser als „Billigheimer“, viel moderner eben. Und genau das ist die Absicht. Sich neu erfinden, modernisieren – das will man bei Roller.
Vor mehr als 30 Jahren hatte sich Tessners Vater an einem Möbelmitnahmemarkt in Osnabrück beteiligt, aus dem Möbel Roller entstand. „Früher“, räumt die 37-Jährige ein, „waren in Roller-Märkten Möbel in Eiche rustikal auf Paletten gestapelt.“ Heute habe man Trend-Möbel wie beim Vollsortimenter und auch hochwertige Markenküchen. Das schmuddelige Image von Discountern sei man losgeworden. Das rechnet sich: Deutlich mehr als eine Milliarde Euro Umsatz macht das sonst so verschwiegene Familienunternehmen nach eigenen Angaben.

„Wir richten uns an Smart-Shopper, an Leute, die nicht sparen müssen, sondern wollen,“ sagt Geschäftsführerin Tessner.
Quelle: Roller GmbH & Co. KG
Roller ist Teil der Tessner-Gruppe, zu der noch 19 Meda-Küchenfachmärkte, die Tejo-Nahversorger-Möbelmärkte, Tejo‘s SB-Lagerkauf sowie die fünf Einrichtungshäuser Schulenburg gehören. Die Gruppe ist unter den Möbelfilialisten bundesweit die Nummer vier. Inhaber und Chef ist Vater Hans-Joachim Tessner. Der 72-Jährige stammt aus der traditionsreichen Dynastie von Möbel Unger und führte lange die Roller-Märkte. Der frühere Billigheimer wird inzwischen als ernster Konkurrent wahrgenommen. „Mit 15.000 Artikeln zum Mitnehmen haben wir ein deutlich größeres Sortiment als Ikea mit seinen 9500 Produkten“, sagt die Geschäftsführerin.
Schnellen Schrittes führt sie durch die Filiale. „Auf aufwendige Deko verzichten wir weitgehend“, erklärt sie. Dennoch ist die Präsentation der Waren bis ins Detail festgelegt. „Die Fleece-Decken hier kosten 2,39 Euro.“ Sie sind ein so genannter „Gibt’s doch gar nicht“-Artikel – angelehnt an die gleichlautende Werbung. „Promis“ in Werbespots brauche man keine, beteuert Tessner in Anspielung auf Werbegesicht Katzenberger von Konkurrent Poco. „Bei uns ist der nette Herr Roller der Star der Werbung.“
Der Vater freut sich über die Tochter
Und während in vielen Familienunternehmen Streit programmiert scheint, zeigt Vater Hans-Joachim Tessner, wie stolz er auf seine Tochter ist: „Die größte Freude eines Gründers ist es, wenn er bei seinen Kindern das Unternehmer-Gen wiederfindet. Unsere beiden Töchter suchen nicht die Bahamas-Lösung nach dem Motto: ,Papa, verkauf das Unternehmen.‘“
Während Tochter Anke, 47, vier Kinder großzieht und so die Grundlage für die dritte Generation legt, freut es den Vater, dass seine zweite Tochter Roller leitet, den größten Unternehmensteil mit mehr als 6000 Mitarbeitern. Und wenn der Senior philosophiert, „Erfolg ist ein Baby, das man täglich an die Brust nehmen muss“, lacht die Tochter. „Bei uns zu Hause saß die Firma als drittes Kind immer mit am Tisch.“
Aufgewachsen in Goslar, besuchte Tessner nach dem Abitur die Möbelfachschule in Köln, hatte danach aber erst einmal keine Lust mehr auf Möbel. Nach dem BWL-Studium merkte sie dann allerdings, dass ihr Branchenwissen durchaus nützlich ist, stieg vor zwölf Jahren in die Firma des Vaters ein, begann als Einkaufsassistentin. Seit drei Jahren ist sie eine von vier Geschäftsführern.
Rainer Kögel, Beirat der Tessner-Gruppe, kennt sie seit Jahren: „Tessa brennt für das Unternehmen. Sie hat alles von der Pike auf gelernt.“ Ihr Vater sei ein Patriarch alter Schule. „Da ist es gar nicht so einfach, einen eigenen Führungsstil zu finden, was ihr aber gelungen ist“, urteilt er. Sie manage mit Charme, könne aber auch sehr hartnäckig sein.
Das dürfte durchaus hilfreich sein. Denn Möbel sind ein hart umkämpfter Markt. Die Hälfte des Branchenumsatzes von 32 Milliarden Euro machen nur zehn Firmen. Laut Handelsforschungsinstitut ECC droht bis 2020 jeder dritten Filiale der heute 9000 Möbelhändler das Aus. Dabei sieht sich die Tessner-Gruppe als überregionales Familienunternehmen im Vorteil. „Wir investieren Gewinne in die Expansion des Unternehmens. Eine Jacht brauchen wir nicht“, sagt Tessa Tessner selbstbewusst. Mit mehr als 50 Prozent Eigenkapital sei die Gruppe von Banken unabhängig. „Liquidität geht vor Rentabilität. Rentabilität geht vor Größe.“
Das schafft Polster für Wachstum. „In den nächsten zwei bis drei Jahren wollen wir unser Netz von 121 auf 150 Filialen ausbauen“, sagt Tessa Tessner. Roller plane, vorerst im Inland profitabel zu wachsen, denn die Deutschen sind bei Möbeln am spendabelsten. In Luxemburg, wo der Franchisenehmer insolvent wurde, nimmt Roller die Geschäfte jetzt selbst in die Hand. In Österreich betreibt Roller seit kurzem einen Web-Shop.
Der Online-Anteil steigt
„Vor zwölf Jahren schon haben wir hierzulande einen Internet-Shop aufgemacht – und der ist profitabel“, sagt Tessner. „Andere verbrennen irrsinnige Summen.“ Martin Groß-Albenhausen vom E-Commerce-Verband BEVH bestätigt das. Als Möbeleinzelhändler sei Roller Pionier in Sachen Online-Shop und habe Exzellenz im Internet aufgebaut.
Noch liegt der Online-Anteil am Umsatz allerdings unter zehn Prozent – mit stetig steigender Tendenz. Künftig will Tessner alle Verkaufskanäle noch stärker verzahnen. So können Kunden schon heute im Internet ihre Roller-Küche planen und dann zur Feinabstimmung in die Filiale kommen. Damit tun sich die meisten Wettbewerber schwer, weil sie nur online oder nicht flächendeckend mit Filialen vertreten sind. Mit der Verknüpfung von Internet und Filialen sei Tessa Tessner auf dem richtigen Weg, meint Experte Groß-Albenhausen.
Wenn es um digitale Innovationen geht, will sich Familienunternehmerin Tessner auch vor Start-ups nicht verstecken müssen: So experimentiert das Unternehmen mit einem dunklen Raum, in dem Kunden mit 3D-Brillen durch virtuelle Küchenwelten laufen können. „Keiner sollte uns Discounter unterschätzen“, sagt Tessner.
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