Rossmann, Edeka und Co. Warum es Online-Lieferdienste für Lebensmittel in Deutschland schwer haben

Rossmann bricht die Zusammenarbeit mit Amazon Prime Now ab.
Hamburg Zwei Meldungen bewegen den Handel in Deutschland an diesem Freitag. Erstens: Rossmann bricht laut dem Fachblatt „Lebensmittel Zeitung“ in wenigen Monaten seine Kooperation mit Amazon ab. Die Drogeriekette verkauft seit gut einem Jahr ein eingeschränktes Sortiment von 5000 Artikeln über Amazons Lieferdienst Prime Now in Berlin und München. Rossmann hat den Rückzug von Amazon auf Anfrage nicht kommentiert.
Zweitens: Edeka und dessen europäischer Einkaufsverbund Agecore haben nach dem schlagzeilenträchtigen Konflikt mit Nestlé Anfang des Jahres nun einen neuen Streit vom Zaun gebrochen. Diesmal listet der Händler Produkte von Red Bull und dem Lebensmittelkonzern Mars aus, um günstigere Konditionen zu erreichen.
Beide Meldungen haben scheinbar wenig miteinander zu tun, doch sie zeigen: Der von einigen erhoffte und von anderen gefürchtete Wandel zum E-Commerce mit Lebensmitteln im großen Stil kommt in Deutschland immer noch nicht.
Selbst der Pionier Amazon, der sich hohe Anlaufinvestitionen leisten kann, treibt sein Geschäft mit dem Schnelllieferdienst Prime Now, der innerhalb von zwei Stunden liefert, und dem Lebensmittel-Service Amazon Fresh in Deutschland über die drei Teststädte Berlin, Hamburg und München nicht hinaus.
Der erwartete schnelle Vorstoß in weitere Ballungsräume bleibt bislang aus. Es gibt wenig Anzeichen, dass sich das ändert. „Die Kooperation gibt uns Aufschluss darüber, wie ein zeitnaher Lieferservice von unseren Kunden in Berlin angenommen wird“, hatte der Rossmann-Geschäftsführer Raoul Roßmann zum Start der als Experiment gekennzeichneten Partnerschaft gesagt.
Da liegt die Annahme nahe: Ein zeitnaher Lieferservice für Shampoos und Wickelauflagen ist nicht sonderlich gefragt. Rossmann ist nicht der erste Partner, der abspringt, weil Aufwand und Ertrag offenbar in keinem rentablen Verhältnis zueinander stehen. Schließlich müssen Amazons Partner Kapazitäten bereithalten, um lieferfähig zu sein.
Schon früher hat sich gezeigt, dass sich die Erfahrungen im Online-Handel mit Lebensmitteln nicht von Land zu Land übertragen lassen. In Frankreich werden Angebote von großen Supermärkten gut angenommen, die Warenkörbe zusammenstellen und Lieferdienste anbieten. In Deutschland sind Tests damit – etwa von Rewe – weitgehend gescheitert. In den USA kommt Amazon mit seinem Lebensmittel-Lieferdienst schneller voran als in Deutschland.
Das liegt an zwei Umständen: In Deutschland ist erstens das Filialnetz viel dichter als in den USA und Frankreich – gerade in den Ballungsräumen, in denen ein Online-Schnellversand prinzipiell preisgünstiger umsetzbar ist als auf dem Land. Weil der Weg zum nächsten Supermarkt meist nicht weit ist, schwindet der Vorteil der Lieferung an die Haustür.
Zweitens sind dank der Discounter Aldi und Lidl die Preise niedriger. Daher muss auch der Online-Handel knapper kalkulieren und kommt um hohe Liefergebühren nicht herum.
Diese beiden Faktoren sorgen dafür, dass das Geschäft nur langsam wächst. Zwar bestellen die Deutschen laut Umfragen inzwischen häufiger Lebensmittel im Netz – doch sind darunter noch meist einzelne Käufe. Dazu gehören etwa die eine bestimmte Honigsorte, die es im Supermarkt nicht gibt, oder der Original Dresdner Christstollen. Der normale Wochenendeinkauf findet nur selten im Netz statt.
Neue Wettbewerber im Lebensmittelhandel wie Amazon oder das niederländische Start-up Picnic haben daher noch keine Marktmacht gewonnen. Sie können sich deshalb die großen Schlachten um Konditionen nicht leisten, in die sich die deutschen Händler Aldi, Lidl, Rewe und Edeka mit Leidenschaft stürzen.
Während sich Rossmann locker von Amazon lossagen kann, sieht es bei Mars und Red Bull nach der Edeka-Strafaktion vermutlich ganz anders aus. Daran, wie hart Edeka mit zentralen Lieferanten umspringt, zeigt sich, wie wenig die Supermarktkette davon ausgeht, diese Lieferanten an Online-Konkurrenten zu verlieren. Sie bleiben schlichtweg auf die vier großen deutschen Händler angewiesen.
Das ist auch politisch relevant. Eine geplante EU-Richtlinie, die es dem Handel schwieriger machen sollte, seine Zulieferer bei den Preisen zu drücken, ist vorerst im Ringen zwischen EU-Parlament und Brüsseler Kommission gescheitert. Ganz gestorben dürfte das Vorhaben jedoch nicht sein, weil das Problem so offensichtlich bestehen bleibt.
Auch für den Metro-Konzern, der den Verkauf der Supermarktkette Real anstrebt, ist die Gemengelage schwierig. Das Kartellamt schaut sorgsam auf Fusionsvorhaben im Lebensmittelhandel, wie der Konflikt über den Tengelmann-Verkauf an Edeka gezeigt hat.
Damals hatte Tengelmann argumentiert, im Online-Geschäft würden neue Wettbewerber entstehen und das bisherige Oligopol von Edeka, Rewe, Lidl und Aldi auflösen. Dieses Argument bleibt schwach. Der Rückschlag für Amazon zeigt, dass zu großer Optimismus bei Online-Anbietern falsch ist.
Es bleibt bislang ein Nischengeschäft für spezielle Bedürfnisse, wie etwa von jungen Familien oder Liebhabern spezieller Lebensmittel, die Fleisch- und Bio-Versender nutzen. Die auf Masse angewiesene Schwarz-Gruppe um Lidl und Kaufland hat das schon vor Monaten erkannt und ihre ambitionierten Online-Pläne gestoppt.
Auch für die konfliktfreudige Edeka-Gruppe, die trotz der Übernahme des Lebensmittel-Lieferservices Bringmeister mit Online-Investitionen vorsichtig ist, ist das Ausbleiben des Großangriffs von Amazon eine gute Nachricht. Doch die Ruhe kann täuschen: Es ist nicht ausgeschlossen, dass der große Vorstoß erst noch kommt.
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