Schmähpreis Plagiarius Das sind die zehn dreistesten Produktfälschungen des Jahres
Düsseldorf In Corona-Zeiten haben Produktpiraten Hochkonjunktur. Fachgeschäfte sind geschlossen, die Menschen kaufen verstärkt im Internet. Markenfälscher nutzen für ihren globalen Vertrieb immer öfter auch Social Media und Messengerdienste, beobachtet die Aktion Plagiarius.
Die Initiative prangert Produktpiraten an, die durch Ideenklau Originalhersteller massiv schädigen und Verbraucher gefährden. Am Freitag wurde der Schmähpreis „Plagiarius“ zum 45. Mal verliehen. Die Trophäe – ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase – symbolisiert die immensen Profite, die ideenlose Nachahmer auf Kosten von Kreativen und der Industrie erwirtschaften. Der Plagiarius wurde 1977 von Industriedesigner Rido Busse ins Leben gerufen, der kürzlich im Alter von 86 Jahren verstorben ist.
„Produktfälschungen sind kein Kavaliersdelikt, sondern ein attraktives Feld für die organisierte Kriminalität“, betont Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, Bezirk Zoll. Allein für 2016 schätzte die OECD und die EU-Behörde für geistiges Eigentum (EUIPO) den Handelswert gefälschter Waren auf 460 Milliarden Euro.
Der Zoll ist oft machtlos gegen die Fälschermafia. Zumal nur zwei Prozent der weltweiten Containertransporte kontrolliert werden.

Der Negativ-Preis „Plagiarius“ geht an Hersteller und Händler besonders dreister Plagiate und Fälschungen.
„Der wissentliche Kauf gefälschter Produkte ist weder cool noch clever, noch harmlos“, betont Peter Siebert, der neue Vorsitzende der Aktion Plagiarius. Die Fälschungen werden oft unter menschenverachtenden Arbeitsbedingungen hergestellt, vernichten Arbeitsplätze und bergen teils hohe Gesundheitsrisiken.
Häufig kommen Nachahmer aus dem direkten Umfeld der Hersteller, dazu zählen Wettbewerber, ehemalige Lieferanten oder Vertriebspartner. Die Plagiatoren sitzen nicht nur in China, der Türkei oder Russland. Immer öfter stammen sie aus Deutschland.
Die diesjährigen Preisträger des Schmähpreises sind:
1. Preis: Motorsäge „STIHL MS 250“
Die chinesische Fälschung der Motorsäge verletzt die Wortmarke „STIHL“ (hier: STHIL) sowie die Farbmarke (orange/hellgrau), die in über 100 Ländern geschützt ist. Guley vertreibt die Fälschungen vor allem in Südostasien, Afrika und Südamerika. In der Regel erfüllen die Plagiate keine sicherheitsrelevanten Standards von Abgaswerten bis Materialfestigkeit. Bislang haben die Schwaben acht Prozesse gegen Guley gewonnen und insgesamt 170.000 Euro Schadensersatz erhalten.

Andreas Stihl AG & Co. KG, Waiblingen

Hangzhou Guley Garden Machinery Co., Ltd., China
2. Preis: Elektrisches Bremsenentlüftungsgerät „ERS 5“
Dieses Billig-Plagiat für die Wartung von Auto-Bremsen entspricht in keinster Weise den gesetzlichen Vorschriften für Elektrik und Druckgeräte: Die Verkabelung ist gefährlich, der Druckregler nicht für Bremsflüssigkeit geeignet. Der Nachahmer hat auf dem Originalfoto des Herstellers Manotec lediglich einige Bedienknöpfe retouschiert. Aufgrund des eingetragenen Designschutzes lässt Manotec rechtsverletzende Onlineangebote regelmäßig löschen.

Links Original: Manotec Industrielle Automation, Villingen-Schwenningen
Rechts Plagiat: Herstellung: China
Vertrieb: Tschechischer Anbieter über eBay und Amazon
3. Preis: Schlaf-Sofa „Up-Lift“
Für seine preisgekrönte Produktlinie „Up-Lift“ hat die kroatische Firma Prostoria Designschutz in vielen Ländern eingetragen. Der Nachahmer kopiert 1:1 Design, Funktion und Produktnamen, sodass Verwechslungsgefahr besteht. Die britische Firma Oxygen vertreibt online Nachahmungen diverser renommierter Hersteller: „Unsere Produkte werden nach den gleichen Standards wie die Originale hergestellt, aber wir verkaufen sie mit bis zu 90 Prozent Rabatt.“ Tatsächlich sind Materialien und Verarbeitung extrem billig.
Sieben gleichrangige „Auszeichnungen“ wurden vergeben:

Links Original : Prostoria d.o.o., Sv. Kriz Zacretje, Kroatien
Rechts Plagiat: Oxygen Corp. Ltd., London, Großbritannien
Verkauf über: privatefloor.com / myfaktory.com
Hybrid Kapuzenstrickjacke „e.s.motion ten“
Design, Konzept und Materialmix der Funktionsjacke wurden nahezu 1:1 übernommen: ein elastischer Melange-Strick an Ärmeln und Seiten oder die prägnante linke Brusttasche aus Strick mit vertikalem Reisverschluss. Der niedrige Preis spiegelt sich in der Qualität wider.
Das Original genießt (nicht eingetragenen) EU-weiten Designschutz. Aldi Süd sieht keine Design-Verletzung.

Links Original: Engelbert Strauss, Biebergemünd
Rechts Plagiat: Aldi Süd Dienstleistungs-GmbH & Co. oHG, Mülheim an der Ruhr
Gebäckformer „Formfix“
Der Formfix 105 – Mitte des 20. Jahrhunderts von Walter Janssen entworfen – ist der kleinste Gebäckformer der 1872 gegründeten Familienmanufaktur NFF Janssen. Er wird von Kleinbäckereien und Konditoreien genutzt. Seit Oktober 2020 wird der Gebäckformer vom türkischen Anbieter Handymach plump kopiert: Design, Konstruktion, Funktion, grammgenaue Rezepte, Walzenmotive und sogar Teile der Choreografie des Videos.

Links Original: Niederrheinische Formenfabrik Janssen, Krefeld
Rechts Plagiat: Handymach, Trabzon, Türkei
Sessel „Polygon“
Für die preisgekrönte Produktlinie „Polygon“ besitzt Prostoria Designschutz in vielen Ländern. Der Nachahmer hat Design und Produktnamen kopiert und das Plagiat über Website und Social Media vertrieben. Sein Geschäftsprinzip: „Wir sind bestrebt, ikonische Designs perfekt zu reproduzieren und für jeden erschwinglich zu machen.“ Billige Materialen, schlechte Verarbeitung und mangelnder Komfort widerlegen das. Nach Abmahnung wurde eine Unterlassungserklärung unterschrieben und der Verkauf von Polygon gestoppt.

Links Original: Prostoria d.o.o., Sv. Kriz Zacretje, Kroatien
Rechts Plagiat: M-Edition, London, Großbritannien
Faltbarer Geschirrabtropfer „Space Wonder“
Form, Funktion und individuelle Designdetails wurden 1:1 übernommen. Allerdings ist der Kunststoff billiger und die Faltstellen brechen leicht. Der polnische Anbieter hat die Plagiate vom Markt genommen und verkauft jetzt das Rotho-Original. Tuffex hat zwar behauptet, dass der Verkauf gestoppt wurde, das Plagiat wird aber weiterhin auf der Website angeboten.

Links Original: Rotho Kunststoff AG, Würenlingen, Schweiz
Rechts Plagiat: Tuffex / Topcu Plastik, Istanbul, Türkei
Vertrieb: Polnischer Onlinehändler
Stufenbohrer „Ultimatecut Ruko“
Der Nachahmer hat alle innovativen Produktmerkmale und Designdetails des von Ruko neu entwickelten Stufenbohrers übernommen, ohne dass dies technisch bedingt gewesen wäre. Ruko hat die Stufenbohrer zum Patent angemeldet, der Erteilungsprozess läuft noch. Karnasch bestreitet die Neuheit und argumentiert, dass der „Stand der Technik“ frei nutzbar sei.

Links Originale: Ruko Präzisionswerkzeuge, Holzgerlingen
Rechts Plagiate: Karnasch Professional Tools, Heddesheim
Christbaumständer „Easyfix Classic“ und „Easyfix Classic light”
Der Nachahmer hatte seit 2012 die Original-Christbaumständer über den Exklusiv-Partner von Tannen-Paradies bezogen und in den Niederlanden vertrieben. Seit 2019 vertreibt er seine optisch und farblich zum Verwechseln ähnlichen Plagiate in Europa. Diese sind weniger stabil, und der Kunststoff ist nicht aus Recyclingmaterial. Der Nachahmer argumentiert, das Design sei nicht schutzfähig, und bestreitet eine sklavische Nachahmung.

Links Originale: Tannen-Paradies, Berlin
Rechts Plagiate: Vertrieb: Gerrit Brinkman Bloemen- en Plantenhandel,
Wenum Wiesel, Niederlande
Türstopper-Serie „Screw or Glue“
Das Design der Türstopper-Serie ist 1:1 übernommen, der Gesamteindruck ist identisch. Daran ändern auch sichtbare Schrauben am Plagiat und minimale Unterschiede an der Unterseite der Türstopper nichts. Die geforderte Unterlassungserklärung hat Walteco nicht unterschrieben, eine Klage von Wagner System gegen den Nachahmer ist derzeit anhängig.

Links Originale: Wagner System, Lahr
Rechts Plagiate: Walteco s.r.o., Uherské Hradiště, Tschechien
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