Sektkellerei Sekt auf Balkonien hilft Henkell Freixenet durch die Krise – Südeuropa-Geschäft bricht ein

Zumindest in Deutschland lief das Sekt-Geschäft für Henkell Freixenet stabil.
Düsseldorf
Im Lockdown trinken die Deutschen ihren Sekt zu Hause. „Viele haben ihren Urlaub wegen der Pandemie auf Balkonien verbracht. Sekt und Wein aus Spanien und Italien sorgten für ein wenig südländisches Ferienfeeling“, erzählt Andreas Brokemper, Sprecher der Geschäftsführung von Henkell Freixenet. Trotz Schließung der Gastronomie konnte die Oetker-Tochter deshalb ihren Umsatz im deutschsprachigen Raum sogar leicht steigern: um ein Prozent auf 304 Millionen Euro.
Während die Menschen in Nordeuropa zu Hause blieben und sich verstärkt mit Wein, Sekt und Spirituosen im Supermarkt eindeckten, wurde in Südeuropa deutlich weniger getrunken als sonst. „In Italien und Spanien verkaufen wir jede zweite Flasche in der Gastronomie, in Frankreich jede vierte. Hier haben uns die Lockdowns empfindlich getroffen“, so der 52-jährige Manager. Hinzu kam, dass in den Urlaubsländern Millionen ausländischer Touristen fehlten.
Nicht nur Ferienregionen litten unter ausbleibenden Reisenden, auch die Fluglinien und Flughäfen. „Für viele gehört ein Glas Sekt im Flieger zur Einstimmung auf den Urlaub einfach dazu“, so Brokemper. Das Duty-Free- und Airline-Geschäft mit alkoholischen Getränken kam in der Pandemie fast vollständig zum Erliegen.
So ging der globale Umsatz von Henkell Freixenet 2020 insgesamt um 7,4 Prozent zurück. Die magische Umsatzmarke von einer Milliarde Euro – inklusive Sekt- und Branntweinsteuer – konnte trotz Pandemie gehalten werden. Die Sektkellerei macht traditionell keine Angaben zum Gewinn. Brokemper sprach aber von einem „zufriedenstellenden Ergebnis“.
So kommt der weltgrößte Sekthersteller besser als gedacht durch die Coronakrise. Mehr Sorgen bereiten Henkell Freixenet indes Klimawandel und Wetterextreme. „Mit 350 Millionen Flaschen Wein und Schaumwein, die wir im Jahr produzieren, sind wir maßgeblich abhängig vom Naturprodukt Traube“, so Brokemper.
Fruchtbarer Einstieg bei Freixenet
Zwei Drittel ihrer Umsätze erzielen die Wiesbadener mit 3500 Mitarbeitern heute außerhalb des deutschsprachigen Raums. Die Unternehmerfamilie Oetker kaufte über Jahrzehnte führende Sektmarken, Weingüter und Spirituosenhersteller zu. Die Wiesbadener Sektkellerei Henkell kam 1986 hinzu. Vor dreizehn Jahren wurde Prosecco-Produzent Mionetto aus Venetien übernommen. Zu den Marken gehören der Premiumsekt Fürst von Metternich genauso wie Wodka Gorbatschow, die meistverkaufte deutsche Spirituose.
Jede dritte Flasche Sekt verkauft Henkell Freixenet im deutschsprachigen Raum. Hierzulande trinkt jeder im Schnitt vier Flaschen im Jahr, so Zahlen des Verbands Deutscher Sektkellereien. Damit sind die Deutschen Weltmeister im Sekttrinken. Für den deutschen Sektmarkt meldet der Sektverband 2020 ein leichtes Minus von 1,4 Prozent auf 261,9 Millionen Flaschen.

Henkell hat 2018 die Hälfte der Anteile am spanischen Cava-Hersteller übernommen. Der fuhr 2020 einen Absatzrekord ein.
Im Sommer 2018 übernahm Henkell die Hälfte der Anteile am spanischen Cava-Hersteller Freixenet. Die andere Hälfte gehört weiter Familie Ferrer. Der katalanischen Zeitung „La Vanguardia“ zufolge soll der Kaufpreis bei 220 Millionen Euro gelegen haben.
Mit dem Überraschungscoup stieg die Oetker-Tochter Henkell zum größten Schaumweinhersteller der Welt auf. Nur in der Heimat dominiert weiterhin der ostdeutsche Wettbewerber Rotkäppchen Mumm ganz klar den Sektmarkt.
Henkell Freixenet erreichte bei Schaumwein laut Marktforscher IWSR 2019 einen globalen Umsatzanteil von knapp zehn Prozent. Beim Absatz liegen die Wiesbadener bei 8,5 Prozent. „Unser Ziel ist es, dass jedes zehnte Glas Schaumwein, das weltweit getrunken wird, von uns kommt“, so Brokemper. Dazu muss Henkell Freixenet schneller wachsen als der Markt, der in den vergangenen Jahren um jeweils etwa zwei Prozent zugelegt hatte.
Weltweiter Absatz dürfte um fünf bis zehn Prozent geschrumpft sein
Branchenexperte und Verleger Christoph Meininger schätzt, dass 2020 der weltweite Absatz von Schaumwein und Sekt Corona-bedingt um fünf bis zehn Prozent gesunken ist. Neben der geschlossenen Gastronomie seien Gelegenheiten, zu denen traditionell angestoßen werde, wie Geburtstage, Feiern oder kulturelle Veranstaltungen weggebrochen.
Die Marke Freixenet erreichte trotz Pandemie einen Absatzrekord von 99,3 Millionen Flaschen, ein Plus von fünf Prozent. „Der Einstieg beim spanischen Cava-Hersteller war in jedem Fall sinnvoll für Henkell, da die Freixenet-Gruppe noch mehr als Henkell international ausgerichtet war“, urteilt Meininger. Beide Unternehmen ergänzten sich perfekt, meint Brokemper.

Der Chef von Henkell Freixenet setzt vor allem auf globale und lokal starke Marken.
Als international tätiges Unternehmen könne Henkell Freixenet globale Skaleneffekte bei Transport und Logistik nutzen, so Meininger, der Manager Brokemper als „strategisch wie analytisch scharfsinnig“ beschreibt. Der Betriebswirt, der bei Controlling-Experte Péter Horváth promovierte, wechselte 2002 von der Bielefelder Oetker-Zentrale in die Geschäftsführung von Henkell. Seit 2013 steht er in Wiesbaden an der Spitze.
Brokemper hatte zuletzt gezielt weniger lukrative Geschäfte abgestoßen, um sich ganz auf globale und starke lokale Marken zu fokussieren. Nach Scharlachberg und Sternmarke im Vorjahr verkaufte Henkell im Sommer die Marke Deinhard und zwei australische Weingüter. Die Zahlen geben der Strategie recht: Die Kernmarken des Unternehmens legten in der Pandemie um mehr als fünf Prozent zu.
Wetterextreme führen zu Ernteausfällen
Langfristig lastet etwas ganz anderes auf Henkell Freixenet und der gesamten Weinbranche. „Die größte Herausforderung ist zweifellos, das Unternehmen fit zu machen, um im Klimawandel zu bestehen“, meint Meininger. Dazu gehöre der ganze Komplex nachhaltiger Produktion. Die weltweiten Weinmärkte wandelten sich und damit auch die Beschaffungssituation für die Grundweine, aus denen später Sekt und Cava hergestellt werden.
Henkell Freixenet bezieht seit Generationen zu großen Teilen von Stammwinzern oder langjährigen Lieferanten. „Südeuropa kommt durch Trockenheit mehr unter Druck, im Norden wachsen die Möglichkeiten, Weinbau zu betreiben“, erklärt Brokemper. Am schlimmsten seien jedoch die Wetterkapriolen.
Der jüngste Frost führt in Frankreich und Norditalien zu großen Ernteausfällen. „Da kann schnell ein ganzer Jahrgang verloren sein“, sagt der Manager. Die Volatilität der Ernten nehme zu. Die Versorgung mit Trauben sei heute viel unberechenbarer als früher.
Schwer abzusehen bleibt vorerst auch die Entwicklung der Corona-Pandemie. Sicher ist für Brokemper aber eines: „Das Ende der Pandemie werden die Menschen ordentlich feiern und mit Sekt begießen.“
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