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Serie Klimapioniere „Das Reinheitsgebot gilt auch für unseren Strom“: Was Bitburger gegen den Klimawandel tut

Bitburger war die erste große deutsche Braugruppe, die klimaneutral produziert. Bald wird zum Brauen von König Pilsener Abwärme von Thyssen-Krupp genutzt.
02.11.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
„Das Reinheitsgebot gilt auch für unseren Strom“, betont Jan Niewodniczanski, Geschäftsführer Technik und Umwelt, der Bitburger-Gruppe. Quelle: Bitburger
E-Auto bei Bitburger

„Das Reinheitsgebot gilt auch für unseren Strom“, betont Jan Niewodniczanski, Geschäftsführer Technik und Umwelt, der Bitburger-Gruppe.

(Foto: Bitburger)

Düsseldorf Seit über 200 Jahren wird im beschaulichen Bitburg Bier gebraut. Bitburger ist die Fassbiermarke Nummer eins hierzulande. Wasser, Hopfen und Braugerste für das Malz kommen überwiegend aus der Region. Doch der Klimawandel hat mittlerweile auch die Eifel erfasst. „Wetterextreme wie Starkregen und Dürre treffen unser Braugeschäft stark. Deshalb ist für uns der verantwortungsvolle Umgang mit Rohstoffen und der Natur wichtiger denn je“, sagt Jan Niewodniczanski, Geschäftsführer Technik und Umwelt, aus der siebten Generation des Familienunternehmens.

Der Siegelhopfen für Bitburger Premiumbiere wurde von der schlimmen Juli-Flut größtenteils weggeschwemmt. „18 von 22 Hektar sind ein Totalschaden“, erzählt Bitburger-Lieferant Andreas Dick, Hopfenbauer aus Holsthum. Jan Niewodniczanski habe sofort Unterstützung zugesagt. Einmal pro Woche überlegen beide nun gemeinsam, wie der Hopfenanbau künftig Flut und Dürre standhalten kann.

Welche Hecken und Randstreifen verhindern Hochwasserschäden? Welche Gräsermischung eignet sich als Zwischenpflanze? Das fruchtbare Anbaugebiet aufgeben möchte Dick auf keinen Fall. „Es ist auch eine Chance, nun Hopfensorten anzupflanzen, die resistent sind gegen Hitze“, so Dick. Sein Hopfenbaubetrieb hatte sich bereits 2020 auf Initiative von Bitburger als nachhaltig zertifizieren lassen.

Hopfenbauer Andreas Dick (l.) mit Bitburger-Braumeister Ulrich Lübken. Das Anbaugebiet in der Eifel war von der Juli-Flut stark betroffen. Quelle: Bitburger
Hopfen für Bitburger Bier

Hopfenbauer Andreas Dick (l.) mit Bitburger-Braumeister Ulrich Lübken. Das Anbaugebiet in der Eifel war von der Juli-Flut stark betroffen.

(Foto: Bitburger)

Die Bitburger-Gruppe, die auch König Pilsener, Köstritzer und Licher braut, gilt in Sachen Klimaschutz als Vorreiter in der Braubranche. Seit Ende 2020 produzieren alle vier Standorte klimaneutral – zwei Jahre früher als geplant. Die Brauerei hat ihren CO2-Ausstoß durch Primärenergieträger seit 2008 um 61,8 Prozent reduziert. „Das ist eine sehr beachtliche Einsparung“, konstatiert Axel Kölle, Direktor des Zentrums für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) der Universität Witten/Herdecke. Bitburger ist Teil der Initiative „ZNU goes Zero“, die Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität berät.

Erreicht wurde die CO2-Reduktion neben der Nutzung von Grünstrom und Photovoltaik vor allem durch effizientere Wärmegewinnung. Hierzu dienen auch eigene Blockheizkraftwerke, die mit Gas Strom erzeugen. Die Abwärme wird zum Bierbrauen genutzt. „So erzielen wir einen Wirkungsgrad von nahezu 90 Prozent. Das ist viel effizienter als die zentrale Stromproduktion in Kohlekraftwerken“, meint Brauingenieur Niewodniczanski.

Nicht alles ist klimaneutral

Allerdings arbeiten die Blockheizkraftwerke nicht klimaneutral, weil sie den fossilen Brennstoff Erdgas verwenden. „Wegen der hohen Energieeffizienz haben wir uns trotzdem bewusst dafür entschieden – und nehmen die entstehenden CO2-Emissionen vorübergehend in Kauf.“ Die werden durch Baumpflanzungen und andere Kompensationsprojekte ausgeglichen.

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Baldmöglichst will Bitburger sein Vier-Megawatt-Blockheizkraftwerk in Bitburg – das größte in der Braubranche – auf nahezu klimaneutrales Biogas umstellen. Die Stadtwerke Trier sind dabei, eine große regionale Trasse für Biogas zu bauen. Die Aufbereitungsanlage für Biogas steht am ehemaligen Flugplatz von Bitburg. In drei bis vier Jahren hofft die Brauerei auf einen Anschluss.

Die Umstellung auf Blockheizkraftwerke brachte ungeahnte Herausforderungen mit sich. Bitburger brauchte Maschinen, die mit dem neuen Temperaturniveau umgehen können. Dort gibt es beispielsweise 98 Grad heißes Wasser statt des bisher über 130 Grad heißen Wasserdampfs. Das betrifft etwa Maschinen für die Flaschenreinigung, aber auch andere Anlagen im Brauprozess. „Oft sagten Maschinenbauer, das ginge technisch nicht“, so Niewodniczanski. „Wenn wir sie hartnäckig genug drängen, finden sie doch immer eine kreative Lösung.“

Benachbarte Hochöfen erwärmen die Bierwürze

Hartnäckig blieb der Unternehmer auch, um die schlechte Klimabilanz der König Brauerei in Duisburg-Beeck zu verbessern – und dort endgültig aus der klimaschädlichen Kohle auszusteigen. Bereits 2008 hatte er vorgeschlagen, die Abwärme der benachbarten Hochöfen von Thyssen-Krupp zu nutzen. Diese wird nur teilweise verstromt und entweicht zum Großteil als Dampf über die Schlote. „Das Projekt war damals aber wirtschaftlich überhaupt nicht darstellbar“, erinnert sich Niewodniczanski.

Im April 2022 soll es nun so weit sein. Die Abwärme aus der Stahlproduktion kommt von Thyssen-Krupp per Leitung über ein paar Hundert Meter direkt zur König Brauerei und liefert die nötige thermische Energie, um die Bierwürze im Sudhaus bei 100 Grad zu kochen. Insgesamt spart die Brauerei so gut 8000 Tonnen CO2 im Jahr. Das Projekt rechnet sich sowohl für Bitburger als auch Thyssen-Krupp, betont Niewodniczanski. Die Maßnahme wird zudem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.

„Solche energetischen Partnerschaften sind die Zukunft. Die König Brauerei ist hier ein Vorzeigebeispiel“, sagt Kevin Bär aus dem Energielösungsbereich von Eon. Er hat das Abwärmeprojekt in Duisburg mit seinem Team entwickelt. Der Eon-Manager hat dabei eng mit Jan Niewodniczanski zusammengearbeitet. Ein Eindruck: „Er treibt bei Bitburger das Thema Nachhaltigkeit vehement voran. Dabei dreht er nicht jeden Euro um, sondern denkt langfristig.“

In Deutschland gibt es sehr viel industrielle Abwärme, vor allem in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet. Eon schätzt das Abwärmepotenzial der deutschen Industrie auf etwa 287 Terawattstunden. Damit ließen sich rund 23 Terawattstunden Strom erzeugen, was zehn Millionen Tonnen CO2 einsparen würde. „Mit der Industrieabwärme in Deutschland könnten wir ein Fünftel der nötigen Energie für Elektromobilität bereitstellen“, rechnet Eon-Experte Bär vor. Die Deutsche Bahn würde sogar noch nicht einmal die Hälfte der jährlichen Abwärme als Strom benötigen.

„Die Abwärme kann und wird durch die Unternehmen nicht immer selbst genutzt. Deshalb kann es in vielen Fällen sinnvoll sein, wenn ein Nachbarbetrieb sich die Abwärme zunutze macht“, so Bär. Das hat Bitburger in der Vergangenheit schon getan. So gab es eine Fernwärmeleitung von der Brauerei in 1000 Haushalte der amerikanischen Kaserne in Bitburg. „Wir waren das erste zivile Unternehmen, das eine US-Militärbasis mit Energie versorgte“, so Niewodniczanski. „Eine Win-win-Situation.“

In seiner Jugend spielte der Unternehmer Eishockey auf einer Eisfläche, nur 200 Meter entfernt von der Brauerei. Die nutzte die dort erzeugte Kälte. „Es gab schon immer Energiekooperationen. Heute ist der Fokus strukturierter und liegt auf CO2-Verminderung.“
Zur Senkung der Emissionen nutzt Bitburger Ideen seiner 1600 Mitarbeiter.

Die werden mit Prämien belohnt. Diese richten sich unter anderem danach, wie viel Geld die nachhaltigen Ideen einsparen. Einen fünfstelligen Betrag gab es etwa für Vorschläge, wie das Sudhaus weniger Wasser verbraucht. Dafür wurde ein virtueller Wasserpreis angesetzt. Denn Wasser bezieht Bitburger aus eigenen Brunnen. „Dabei versuchen wir natürlich, unseren Wasserverbrauch zu minimieren, obwohl wir nicht den Kostendruck haben wie bei CO2“, sagt der Geschäftsführer. Für CO2 ist seit 2021 eine Abgabe von 25 Euro je Tonne fällig. Bis 2025 soll der Preis auf 55 Euro steigen.

„Es reicht nicht, wenn die Chefs Elektroautos fahren“

Bei der Bitburger-Gruppe gibt es 16 ausgebildete Nachhaltigkeitsmanager an jedem Standort und jeder Abteilung von Einkauf bis Marketing. „Nur wenige Unternehmen stellen so viel Personal für den Klimaschutz bereit“, konstatiert Kölle vom ZNU. In Duisburg etwa schafft die Brauerei eine neue Verpackungsmaschine an, die weniger Plastik verarbeitet. „Die Idee für die neue Maschine kam nicht etwa aus der Technik, sondern vom Marketing“, sagt Niewodniczanski.

Wichtige Multiplikatoren für Nachhaltigkeit sind die 101 Azubis. Sie werden seit einigen Jahren zu „Nachhaltigkeitsbotschaftern“ und „Energie-Scouts“ fortgebildet. Die Azubis haben etwa eine Druckluft-Woche initiiert. Alle Ventile in der Brauerei werden damit gesteuert. Die Belegschaft wurde sensibilisiert, wo sich Druckluft einsparen lässt. „Alle Mitarbeiter müssen von Nachhaltigkeit begeistert sein. Es reicht nicht, wenn die Chefs Elektroautos fahren“, sagt der Geschäftsführer, dem die Umstellung auf E-Mobilität besonders wichtig ist. Einer der Firmenwagen trägt die Aufschrift „Das Reinheitsgebot gilt auch für unseren Strom“.

Bitburger ist Deutschlands Fassbiermarke Nummer eins. Die Braugruppe mit zuletzt 696 Millionen Euro Umsatz produziert seit Ende 2020 an allen Standorten klimaneutral. Quelle: Bitburger
Bitburger Pils

Bitburger ist Deutschlands Fassbiermarke Nummer eins. Die Braugruppe mit zuletzt 696 Millionen Euro Umsatz produziert seit Ende 2020 an allen Standorten klimaneutral.

(Foto: Bitburger)

Vor sechs Jahren hat Bitburger damit begonnen, sämtliche Gabelstapler auf Strom umzustellen. Doch damals gab es keine schweren Fahrzeuge, die Bierfässer und Kisten mit vier bis fünf Tonnen Gewicht auf Dauer verladen konnten. „Die deutschen Hersteller waren weit hinterher“, so Niewodniczanski.

Erst auf Druck aus der Industrie hätten sie reagiert. „Wenn Ihr den Trend zur E-Mobilität verschlaft, werdet Ihr irgendwann zu Nokia-Unternehmen“, warnte er die Hersteller. Das zeigte Wirkung.

E-Stapler lohnen sich dank CO2-Bepreisung

Inzwischen rechnet sich die Produktion von großen E-Staplern. Auch weil sich die politischen Rahmenbedingungen etwa durch die CO2-Bepreisung geändert haben. „Daneben werden uns technische Entwicklungen wirtschaftliche Lösungen geben, die vor zehn Jahren undenkbar waren“, ist Niewodniczanski überzeugt. Er hofft, dass es unter der neuen Bundesregierung ein Ende des Zickzackkurses gibt und mehr Planungssicherheit für Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit.

Unsere Brauerei besteht seit 1817. Sie hat viele Kriege und Krisen überlebt. Der Klimawandel ist für mich die Kernherausforderung der Zukunft. Wir tun deshalb alles, damit auch die achte Generation noch Bier brauen kann.“

Serie – Klimapioniere der Wirtschaft: Es gibt kaum einen Tag, an dem nicht ein neues Unternehmen auf der Welt seine frisch gesetzten Klimaziele und Ambitionen für die Energiewende erklärt. Dabei gibt es einige, die dem Trend der „Green Economy“ schon lange vorausgehen und seit vielen Jahren beweisen, dass Ökologie und Ökonomie kein Widerspruch sein müssen. In unserer Serie stellen wir ein paar dieser „Klimapioniere“ vor.

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