Simba und Rubik: Gericht löst den Zauberwürfel-Streit
Benachrichtigung aktivierenDürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafftErlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviertWir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke
Anzeige
Simba und RubikGericht löst den Zauberwürfel-Streit
Der Zauberwürfel gehört zu den kultigsten Spielzeugen der Welt und ist als Marke geschützt. Ein deutscher Spielehersteller kämpft seit Jahren vergebens dagegen an. Nun gibt es eine Kehrtwende.
10.11.2016 - 19:32 Uhr
Jetzt teilen
Streit um Zauberwürfel
Der Europäische Gerichtshof hob Entscheidungen des EU-Markenamts und des erstinstanzlichen EU-Gerichts auf: Die technische Funktionen des Zauberwürfels können nicht durch eine Marke geschützt werden.
Düsseldorf 26 Steine in 43 Trillionen unterschiedlichen Ausgangsituationen und den Farben rot, gelb, orange, grün, blau und weiß: Der von Ernö Rubik erfundene Zauberwürfel hat ganze Generationen an den Rande des Wahnsinn getrieben. Seit 1980 ist der bunte Zauberwürfel Teil der Spielewelt. Doch seit 2006 ist das kultige Drehpuzzle auch Teil eines Markenstreits. Bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat es Rubiks Erfindung geschafft. Dort konnte ein deutsches Unternehmen jetzt den entscheidenden Erfolg feiern.
In den 1980er Jahren war der Zauberwürfel das, was heute das Smartphone ist: Man konnte einfach nicht seine Finger von diesem magischem Mysterium lassen. Überall – auch heimlich während des Unterrichts – wurde an den Steinen gedreht, damit die sechs Flächen endlich jeweils in einer Farbe glänzen. Die Anleitung zur Lösung kursierte als Kopie, die ganz Verzweifelten bauten den Würfel sogar auseinander und setzten ihn in der Lösungsvariante wieder zusammen. Nur die wenigsten schaffen es, den Zauberwürfel ohne Anleitung zu lösen. Und auch die Gerichte brauchten mehr als einen Anlauf, um über die Klage des Spieleherstellers Simba Toys zu entscheiden.
Der „Zauberwürfel” Rubik's Cube
Der Zauberwürfel „Rubik's Cube“ bringt viele zur Verzweiflung. Die Meister unter den Kombinierern lösen die Aufgabe, alle Seiten einfarbig hinzudrehen, in deutlich unter zehn Sekunden. 1980 kam die Erfindung des Ungarn Ernö Rubik in großer Stückzahl auf den Markt. Seitdem wurden mehrere Hundert Millionen Würfel verkauft.
Im Idealfall sind nur etwa 20 Drehungen nötig, um das bunte Durcheinander farblich zu zähmen. Unter „Speedcubern“ gibt es Fans, die den Würfel mit seinen 26 bunten Elementen 1000 mal am Tag drehen. Dabei sind 43 Trillionen Ausgangspositionen möglich. Bei Meisterschaften ringen die Experten – oft Mathematiker und Informatiker – in diversen Kategorien (einhändig, mit verbundenen Augen, mit den Füßen) um den Sieg.
Schon 1999 hatte das Fürther Unternehmen Einwände gegen den bestehenden Markenschutz des „Rubik's Cube“ erhoben. Simba Toys wollte Rechtssicherheit beim Vertrieb seines eigenen Zauberwürfels haben. Dabei argumentierte das Unternehmen, dass beim Schutz der Marke die Drehbarkeit des Würfels nicht berücksichtigt worden sei. Die könne man zwar patentieren, aber nicht als Marke schützen lassen. Doch das Unternehmen scheiterte – erst beim EU-Markenamt und dann beim erstinstanzlichen EU-Gericht.
Am Donnerstag hob der EuGH die beiden Entscheidungen auf. Technische Funktionen können nicht durch eine Marke geschützt werden, entschied der EuGH in seinem Urteil. Zur Begründung hieß es, die anzuwendende EU-Verordnung solle verhindern, dass einem Unternehmen durch das Markenrecht „ein Monopol für technische Lösungen oder Gebrauchseigenschaften einer Ware“ eingeräumt wird. Bei der Prüfung des Markenschutzes für den Würfel habe der Gerichtshof deshalb die technische Funktion des dreidimensionalen Puzzles und die äußerlich nicht sichtbare Drehbarkeit seiner Einzelteile berücksichtigen müssen.
Top-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und per E-Mail benachrichtigt werden.
Bei Simba Toys sorgt das für Erleichterung: „Das ist zu 100 Prozent in unserem Sinn“, sagte Manfred Duschl der Deutschen Presse-Agentur. Der Mitgeschäftsführer zeigte sich über den Erfolg vor Gericht erfreut. „Das geht nun zurück zum europäischen Markenamt in Alicante. Und ich gehe davon aus, dass der Markenschutz für den magischen Würfel gelöscht wird“, sagte Duschl. Bis dahin kann es allerdings noch Monate dauern.
Doch zunächst hat Simba Toys mit dem aufwendigen Rechtsstreit sein Ziel erreicht: Der fränkische Spielzeughersteller hatte verhindern wollen, dass der Fall des magischen Würfels Schule macht und clevere Firmen für weitere Produkte nach dem Auslaufen des Patentschutzes auf den Markenschutz setzen. Ein Konzern mit rund 20 Spielwarenmarken könne eine solche Sortimentsbeschränkung nicht einfach hinnehmen, erklärte Duschl.
Das ist der deutsche Spielzeugmarkt
Die deutschen Spielwarenhändler erzielten im Jahr 2015 einen Rekordumsatz von knapp drei Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von rund sechs Prozent gegenüber 2014 und ist etwa ein Fünftel mehr als Anfang des Jahrzehnts. Klassisches Spielzeug kommt bei den Kindern gut an, aber auch Elektronik wie Drohnen oder Roboter sind bei den Kids begehrt.
Die Branche leidet unter der starken Fokussierung der Kunden auf die Zeit kurz vor Heiligabend. Fast jeden dritten Euro erwirtschaftet die Industrie in den beiden Wochen vor dem 24. Dezember. Noch vor einigen Jahren hat das für die Anbieter überlebenswichtige Weihnachtsgeschäft bereits im November begonnen. Doch mittlerweile shoppen die Menschen in der Hoffnung, Schnäppchen zu ergattern, erst kurz vor dem Fest.
Marken und Händler tun sich schwer, die Nachfrage vorherzusagen. Wenn Ware in einzelnen Läden ausgeht, ist es kurz vor Weihnachten meistens zu spät, um nachzuordern. Ein großer Teil der Spielsachen kommt aus Fernost, der Transport dauert Wochen. So gehen wichtige Umsätze verloren. Händler müssen in Kauf nehmen, auf einem Berg von Teddys, Bauklötzchen oder Modellautos sitzen zu bleiben, falls sie nicht dem Geschmack der Kunden entsprechen. Das ist bitter, denn im Januar lässt sich die Ware erfahrungsgemäß nur mit erheblichen Abschlägen absetzen.
Die Dänen treffen wie kein anderer Anbieter den Geschmack der Kinder. Fast jeden fünften Euro erwirtschaften die Fachhändler hierzulande mit den bunten Klötzchen aus Dänemark. Das liegt unter anderem daran, dass die Lego-Sets vergleichsweise teuer sind. Aufwendige Bausätze kosten schon einmal 100 Euro und mehr.
Das fränkische Familienunternehmen produziert seine Spielewelten aus Plastik ausschließlich in Europa. Mittlerweile gibt es dem Hersteller aus Zirndorf zufolge mehr als 4600 Varianten der bunten Männchen. Weltweit wohnen etwa 2,8 Milliarden Playmobil-Figuren in Kinderzimmern. 2016 setzt Playmobil anlässlich der Europameisterschaft auf ein neues Fußball-Spiel. Erstmals kommt auch ein Kreuzfahrtschiff der Marke in die Läden.
In Deutschland gilt die Simba-Dickie-Gruppe des Unternehmers Michael Sieber als größter Spielwarenanbieter. Der Franke unterhält einen ganzen Markenzoo, vom Bobby-Car-Produzenten Big über die Noris-Spiele bis hin zum Modellbahnhersteller Märklin. An den Schwaben hat Sieber bis jetzt allerdings keine so rechte Freude, 2015 ist der Umsatz mit den Lokomotiven und Waggons aus Göppingen leicht geschrumpft.
Bekannt für Puzzles ist die Ravensburger AG. Mit dem elektronischen Griffel Tiptoi haben die Schwaben viele Fans dazugewonnen. Anfang 2015 hat das Unternehmen Brio übernommen, den skandinavischen Hersteller von Holzeisenbahnen.
Der US-Konzern hat sich zuletzt schwer getan, die Herzen der Kinder zu erobern. So sank der Umsatz 2015 weltweit um fünf Prozent auf 5,7 Milliarden Dollar. Sorgenkind war vor allem Barbie, deren Verkäufe um weitere zehn Prozent zurückgingen. Von 2012 bis 2014 war der Absatz bereits um 20 Prozent gesunken. Allerdings hat Mattel zum Gegenschlag ausgeholt: Neue Varianten der berühmten Puppe, die es nun nicht mehr nur mit ultraschlanker Model-Figur, sondern auch „kurvig“, „groß“ und „klein“ gibt, sollen den 56 Jahre alten Klassiker zurück in die Spur bringen.
Transformers, Monopoly oder Furby: Der amerikanischen Spielwarenkonzern Hasbro hat eine ganze Reihe von bekannten Marken im Portfolio. Im letzten Weihnachtsgeschäft ist der Konzern vor allem mit „Star-Wars“-Figuren gewachsen. In Deutschland sind bei Jungs insbesondere die „Nerf“-Spielzeugpistolen ein Hit.
Denn auch wenn der Boom des magischen Würfels längst vorbei ist: Für den familiengeführten Konzern ist der Würfel kein ganz unbedeutender Sortiments-Baustein. Jedes Jahr verkauft der Spielwarenproduzent noch immer mehrere Tausend des zwei bis vier Euro teuren Zauberwürfels. „Dies ist eine Größenordnung, die es sinnvoll macht, ein solches Produkt ins Sortiment zu nehmen“, betonte Duschl. Dass der in die deutschen Spielwaren gelangte Zauberwürfel noch immer Kunden findet, zeigt die Faszination an ihm.