Herr Lajkó, vor knapp elf Monaten brachten Sie Waberer’s an die Börse. Seither hat die Aktie ein Drittel an Wert verloren. War der Gang aufs Parkett ein Fehler?
Ganz und gar nicht! Wir haben das zum richtigen Zeitpunkt gemacht. Die Performance der Aktie zeigt eine andere Entwicklung als die des Unternehmens. Unsere Wachstumsstory, die wir den Investoren angekündigt haben, läuft wie geplant. Beim Umsatz haben wir vergangenes Jahr 18 Prozent zugelegt, beim Betriebsergebnis 17.
Weshalb dann der Kurseinbruch?
Das liegt meiner Ansicht nach an der noch geringen verfügbaren Liquidität für unsere Aktien, die sich aber wandeln wird. Die Börsennotierung ist Teil unserer langfristigen Strategie. Auf lange Sicht wird unsere Aktie die Investoren überzeugen.
Ferenc Lajkó
Steigende Kosten an den Kunden weitergegeben.
Im ersten Quartal verdienten Sie netto gerade einmal 200.000 Euro, die Verschuldung ist mit dem Dreifachen des Betriebsgewinns enorm. Auch damit dürften sich die Kursverluste erklären.
Das sind saisonale Schwankungen. Außerdem sind wir dabei, die Preise anzupassen. Dadurch ging uns im ersten Quartal Volumen verloren. Unsere Verschuldung geht im Wesentlichen auf die Konsolidierung des von uns im Herbst übernommenen polnischen Transportdienstleisters Link zurück. Diese Übernahme hat dafür auch unsere Umsätze um 15 Prozent gesteigert.
Sie werden teurer. Laufen die Kosten aus dem Ruder?
Wir bieten unseren Fahrern bessere Vergütungspakete, zumal die Branche unter Fahrermangel leidet. Die steigenden Kosten müssen wir am Ende an unsere Kunden weitergeben.
Die Gehälter in Ungarn steigen doch nicht erst seit Anfang 2018.
Das stimmt. Bislang aber konnten wir die Inflation bei den Löhnen durch die sinkenden Dieselpreise ausgleichen. Damit ist es vorerst vorbei. Weil Verträge mit unseren Kunden oft über ein Jahr fest vereinbart sind, wird die jetzige Situation womöglich für kurze Zeit zu einer niedrigen Profitabilität führen. Unser Jahresziel werden wir dennoch erreichen.
Für hohe Löhne war Waberer’s bislang nicht gerade bekannt. Deutsche Wettbewerber sprechen von Sozialdumping, weil osteuropäische Fahrer oft nur ein Drittel der deutschen Bezahlung erhalten.
Das sind alte Geschichten. Vor 14 Jahren, nach dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union, waren solche Behauptungen korrekt. Heute ist das absolut falsch. Viele Speditionen aus Deutschland, Frankreich oder Großbritannien haben uns Fahrer abgeworben und damit ihr eigenes Lohnniveau gesenkt. Kehren die Mitarbeiter nach Ungarn zurück, betragen ihre Gehaltseinbußen heute weniger als zehn Prozent.
Im Ernst?
Durch den Fahrermangel ist ihr Lohnniveau enorm gestiegen. Unsere Fahrer erhalten zudem hochmoderne Kabinen, 24-Stunden-Assistenz und medizinische Betreuung. Im Vergleich zu Fließbandbeschäftigten, die in Ungarn für einen bekannten deutschen Automobilhersteller arbeiten, verdienen sie bei uns das Dreifache.
Die Kabotageverordnung der EU erlaubt Speditionen wie Waberer’s, bei Gütertransporten ins EU-Ausland dort bis zu drei Folgeaufträge innerhalb der darauffolgenden Woche zu absolvieren. Dann müssen sie ins Heimatland zurück. Hält sich Waberer’s daran?
Wir betreiben überhaupt keine Kabotage. Null Prozent, weder in Deutschland noch in anderen Ländern. Kabotage ist nämlich ein Geschäftsmodell für kurze Inlandstransporte. Hier gibt es durchaus osteuropäische Speditionen, die deutschen Wettbewerbern damit die Preise verderben. Waberer’s aber bietet ausschließlich Langstreckentransporte. Unsere durchschnittliche Strecke beträgt 1 200 Kilometer.
Trotzdem gelten Sie in der Branche als Preisbrecher.
Wir sind ein effizienter Langstreckendienstleister und bieten hohe Qualität zu attraktiven Preisen. Billig sind wir nicht und wollen wir auch nicht sein.
In einem TV-Magazin berichtete ein in Belgien gestoppter Fahrer, der augenscheinlich für Waberer’s unterwegs war, er übernachte seit vier Monaten fern der Heimat auf Rastplätzen. Fehlt hier in Ihrem Konzern die unternehmerische Verantwortung?
Das ist für mich schwer zu glauben. Die durchschnittliche Zeit, die unsere Fahrer unterwegs sind, beträgt drei Wochen. Glauben Sie, angesichts des derzeitigen Fahrermangels wäre es möglich, Mitarbeiter auf diese Weise zu behandeln? Vor 20 Jahren ja, heute nicht mehr.
Waberer’s Beziehungen zu Ministerpräsident Viktor Orbán sind eng. Ihr Amtsvorgänger György Wáberer war bis zu den jüngsten Wahlen Regierungskommissar für Logistik. Gleichzeitig war er Berater Ihres Mehrheitsaktionärs Mid ...
Das ist er nicht mehr. Auch nicht für das Unternehmen Waberer’s.
Ferenc Lajkó – zur Person
Orbán setzt sich für geschlossene Grenzen in Europa ein. Einer Spedition wie Waberer’s dürfte das kaum passen.
Ich bin kein Politiker. Aber soviel ich mitbekomme, will die Regierung nur die europäischen Außengrenzen stärker schützen. Für uns spielt das keine Rolle, denn wir sind lediglich in der Schengen-Zone aktiv. Dagegen stört uns die zeitweise Aussetzung des Schengen-Abkommens viel mehr, was durch die kaum kontrollierte Einreise von Flüchtlingen in die EU nötig wurde. Insofern ergibt sich für uns kein Widerspruch.
Was kosten Waberer’s die oft stundenlangen Wartezeiten an den Grenzen?
Eine Menge. Hinzu kommt aber auch: Die intensiven Kontrollen senken die Produktivität. Das bedeutet: Wenn der Truck weniger Kilometer zurücklegen kann als vorher, brauchen wir mehr Fahrzeuge. Das erhöht die Investitionskosten in die Flotte.
Können Sie Zahlen nennen?
Ja. Kosten und anschließend auch die Frachtpreise steigen im zweistelligen Prozentbereich. Das wiederum wälzen die Hersteller ab auf die Konsumenten. Artikel im Supermarktregal werden einfach teurer.
Und das ständige Stop-and-go in den kilometerlangen Schlangen vor der Grenzkontrolle führt zu einer hohen Luftverschmutzung, ebenso zu höherem Dieselverbrauch.
Drohen Ihnen Vertragsstrafen etwa von Automobilherstellern, wenn Sie wegen der Grenzkontrollen verspätet anliefern?
Das wäre nicht fair. Aber die höheren Transportkosten machen ihre Autos teurer, was die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber nichteuropäischen Herstellern verringert.
Wie wäre es mit Lobbying?
Wir betreiben Lobbying gegen Vorschriften des sogenannten „mobility package“. Mit ihm will die Europäische Kommission unter anderem europaweit Mindestlöhne im Transportgewerbe durchsetzen.
Was stört Sie daran?
Die gewaltige Bürokratie, um die Regeln zu überwachen. So soll etwa in jedem Land, in dem der Fahrer unterwegs ist, ein Arbeitsvertrag in der jeweiligen Sprache vorliegen. Die Zusatzkosten wird der Verbraucher tragen müssen.
Fehlt Arbeitnehmern aus Ihrer Sicht ein Schutzbedürfnis?
Es gibt kein Sozialdumping in der EU. Es gibt ohnehin einen Mangel an Fahrern. Fallen die Osteuropäer aus, gerät die Versorgungskette europaweit in Gefahr. Es dürfte kaum in Interesse der Verbraucher sein, wenn Supermarktregale leer bleiben. Wir haben in der EU vielerreicht, dies aber würde einen Teil ihrer Errungenschaften wieder zunichtemachen.
Wir haben eher den Eindruck, Ungarn würde auf das Erreichte in der EU lieber verzichten.
Das weiß ich nicht. Ungarns Ministerpräsident hat sich meines Wissens nie für einen Austritt aus der EU ausgesprochen.
Aber er verhält sich so, als sei ihm die EU wenig wert.
Auch andere EU-Mitgliedstaaten äußern zu verschiedenen Themen Kritik. Am Ende geht es wohl immer darum, einen Kompromiss zu finden.
Den Lohnanstieg in Ungarn werden Sie kaum stoppen. Sehen Sie neue Geschäftsfelder, um sie neben dem preisaggressiven Lkw-Verkehr zu entwickeln?
Ja. Schon jetzt betreiben wir in Ungarn regionale Warenverteilzentren, die Ware kommissionieren, etikettieren und anschließend in die Supermärkte ausliefern – etwa für Kunden wie Aldi, Lidl oder Tesco. Wir haben jetzt entschieden, dass wir mit dem Geschäft expandieren wollen. Zunächst in die Slowakei, nach Tschechien und nach Polen – vor allem durch Übernahmen lokaler Unternehmen.
Gibt es genug Verkaufswillige?
Absolut. Nach der Wende gründeten sich in Osteuropa zahlreiche Transportfirmen, die nun keinen Nachfolger finden. In diesem fragmentierten Markt gibt es endlich die Gelegenheit, einen gewichtigen Transportanbieter zu schmieden.
Weshalb liegt Ihnen so viel an der Größe?
Wir haben es auf Kundenseite hauptsächlich mit multinationalen Giganten zu tun. Aufseiten der Transporteure stehen zu 85 Prozent kleine Familienunternehmen. Das passt einfach nicht zusammen.
Auch kleine Anbieter sind in der Lage, gute und günstige Leistungen zu liefern.
Richtig. Aber wer als Frachteinkäufer eines Großkonzerns 100 Lkws braucht, wird Probleme bekommen, einen solchen Großauftrag bei diesen kleinen Unternehmen unterzubringen. Soll er etwa Verträge mit 100 Papa-und-Mama-Firmen schließen?
Herr Lajkó, danke für das Interview.
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