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Start-ups Rewe, Gorillas, Knuspr, Frischepost: Mit diesen Konzepten wetteifern Unternehmer um den E-Food-Markt

In der Pandemie erlebt der E-Commerce im Lebensmittelbereich ein Comeback. Neun Konzepte fürs Shoppen per App – und ihre Erfolgsaussichten.
10.04.2021 - 16:28 Uhr Kommentieren
Superschnelle Supermärkte locken Investoren – doch es gibt deutliche Unterschiede in den Konzepten. Quelle:  Gorillas
Boten von Gorillas

Superschnelle Supermärkte locken Investoren – doch es gibt deutliche Unterschiede in den Konzepten.

(Foto:  Gorillas)

Hamburg Eigentlich hat die Start-up-Szene mit dem Thema Online-Supermärkte abgeschlossen. Lebensmittel aus dem Netz scheinen nur in Nischen zu funktionieren. Doch nicht nur die Coronakrise bringt jetzt eine ganze Reihe neuer Konzepte ans Licht und sorgt für das überraschende Comeback der Sparte.

Schleichend haben sich die Bedingungen verbessert: Shopping per App ist ein Massenphänomen. Bringdienste wie Lieferando beweisen, dass schnelle Essenslieferung profitabel sein kann. Und Risikokapitalgeber sind wieder offener dafür.

„Eine Zeitlang haben die Investoren das Interesse am E-Commerce verloren, weil es so schien, als sei der Handel bereits weitgehend digitalisiert. Das hat sich geändert“, sagt Jan Miczaika, Partner beim Investor HV Capital. „Lebensmittel sind dabei vor allem wegen der enormen Größe des Markts interessant.“

Gut 220 Milliarden Euro setzt die Branche in Deutschland um, davon bisher nur einen einstelligen Prozentsatz im Netz. Laut Bundeskartellamt haben die vier größten stationären Anbieter – Edeka, Rewe, Lidl und Aldi – zusammen 85 Prozent Marktanteil.

Die Marktübersicht, samt Herausforderern:

1. Der Vorreiter: Rewe

Der Kölner Händler hat früh mit seinem Online-Angebot begonnen. Schon 2013 stieg Rewe beim Möbelversender Home24 ein, um Erfahrungen im E-Commerce zu sammeln. Die Einheit Rewe Digital treibt das Thema intern voran. Das Unternehmen bietet heute an, Einkäufe vorbeizubringen, sie per Paket zu verschicken oder zum Abholen zusammenzustellen.

Allerdings liegen die Liefertermine oft Tage im Voraus, gerade in der Pandemie. Rewe hat zudem das Problem, seinen Lieferservice mit den vielen selbstständigen Kaufleuten der Genossenschaft koordinieren zu müssen, die keine interne Konkurrenz wünschen.

Der Kölner Händler hat früh mit seinem Online-Angebot begonnen. Quelle: imago/Jochen Tack
Rewe-Lieferservice

Der Kölner Händler hat früh mit seinem Online-Angebot begonnen.

(Foto: imago/Jochen Tack)

Das Problem aus Investorensicht: „Die alte Generation der Liefermodelle wie bei Rewe Digital und Bringmeister rechnet sich nicht“, meint HV-Capital-Partner Miczaika. Die Kohorte der Online-Supermärkte um das Jahr 2000 ist daher ausgestorben: Damals lieferten unter anderem Otto, Karstadt, Kaufhof und Spar frische Lebensmittel. Die Direktkauf AG meldete noch vor dem Börsengang am Neuen Markt Insolvenz an.

Aussichten: Die Supermarktbetreiber werden sich entscheiden müssen, ob sie ernsthaft in die Lieferdienste investieren wollen und mehr Service bieten – oder das Geschäft anderen überlassen.

2. Die superschnellen Angreifer: Gorillas und Flink

Den größten Hype unter Investoren gibt es derzeit um die superschnellen Anbieter. In Berlin sorgt Gorillas seit einem halben Jahr in den sozialen Netzwerken für Furore. Der türkischstämmige Gründer Kagan Sümer verspricht, innerhalb von gut zehn Minuten nach Bestelleingang per App auszuliefern. Das klappt dank engem Lieferradius um kleine Lager per E-Bike. Eine hohe Bestellfrequenz und viele einzelne Lieferungen pro Fahrer sollen Gewinne ermöglichen.

Kehrseite sind recht hohe Preise und geringe Auswahl. Das Angebot ist also eher nichts für den Wochenendeinkauf einer Familie. Investoren glauben an das Modell: Gorillas sammelte gerade weitere 233 Millionen Euro Risikokapital ein und will nach den Niederlanden und London auch nach New York. Mit der Finanzierungsrunde sieht sich Gorillas als dasjenige Start-up in Europa, das am schnellsten die prestigeträchtige Bewertung von einer Milliarde Dollar geknackt hat.

Eine hohe Bestellfrequenz und viele einzelne Lieferungen pro Fahrer sollen Gewinne ermöglichen. Quelle: Unblast
Gorillas-App

Eine hohe Bestellfrequenz und viele einzelne Lieferungen pro Fahrer sollen Gewinne ermöglichen.

(Foto: Unblast)

Ähnlich ambitioniert ist der Konkurrent Flink, bei dem etwa der frühere Home24-Chef Christoph Cordes mitmischt. Sein Modell ist fast identisch. Vorbilder gibt es nicht nur in der Türkei und den USA. In China sind minutenschnelle Lieferungen schon lange üblich.

Aussichten: Das Geschäft kann profitabel werden, wenn Kunden dabeibleiben und oft bestellen. Dafür müssen sie Lieferkosten akzeptieren. Das könnte ein Problem werden. Indiz dafür: Flink wirbt bereits mit einem lieferkostenfreien April. Zudem müssen die Gründer aufpassen, im hohen Expansionstempo nicht die Übersicht zu verlieren.

3. Die nicht ganz so schnellen Angreifer: Knuspr und Bringmeister

Der Prager Online-Supermarkt Rohlik plant den Deutschlandstart unter der Marke Knuspr in München. Die Lieferzeit soll bei drei Stunden liegen, längere Vorausbestellungen sind möglich. Damit liegt Knuspr zwischen Rewe und Gorillas. Das Liefergebiet umfasst die gesamte Stadt, Routen sind planbar.

Knuspr verspricht wettbewerbsfähige Preise und will noch stärker als die superschnellen Anbieter regionale Angebote einbinden. Ziel ist, auch lukrative Großbestellungen von Familien zu bekommen. Nach München sollen weitere Städte folgen – besonders Frankfurt. Hier will sich Gründer Tomas Cupr auch deshalb einen Namen machen, weil er perspektivisch an die Frankfurter Börse strebt.

Der Prager Online-Supermarkt plant den Deutschlandstart in München. Quelle: Knuspr
Lieferwagen von Knuspr

Der Prager Online-Supermarkt plant den Deutschlandstart in München.

(Foto: Knuspr)

Konkurrenz droht ihm aus seiner Heimat vom tschechischen Investor Rockaway, der in Osteuropa bereits einige Online-Supermarkt-Modelle finanziert: Er hat Edeka gerade dessen Lieferdienst Bringmeister abgekauft und will diesen ausbauen. Bringmeister kam mit der Tengelmann-Übernahme zu Edeka und fristete dort unter dem Schutz von Übernahmeklauseln nur noch ein Schattendasein.

Aussichten: Das Konzept profitiert von seiner Erfahrung in den östlichen Nachbarländern. Der Getränkelieferdienst Flaschenpost zeigt, dass Kunden Lieferfenster von bis zu drei Stunden akzeptieren, die kostenoptimierte Routen ermöglichen. Allerdings fehlt der „Wow“-Effekt des kurzen Terminfenster der Gorillas.

4. Der Tourendienst: Picnic

Der niederländische Anbieter Picnic ist vor allem in Nordrhein-Westfalen aktiv. Er ist einer der Treiber des neuen E-Commerce-Booms und hat in den vergangenen Jahren einige Vorschusslorbeeren bekommen. Kernidee ist, die Lieferkosten durch feste Touren niedrig zu halten. Statt hoher Flexibilität bekommen die Kunden planbare Lieferfenster wie einst beim Milchmann. Das ermöglicht auch Lieferungen abseits der Stadtzentren.

Beteiligt ist inzwischen auch Edeka. Allerdings expandiert Picnic deutlich langsamer als zunächst von vielen Beobachtern erwartet. Dabei erhielt das Start-up schon im Jahr 2019 250 Millionen Euro von Investoren.

Aussichten: Handelsexperten sind angetan von dem Konzept. Allerdings könnte die neue Konkurrenz mit deutlichen flexibleren Angeboten zur Gefahr werden, insbesondere, wenn sie viel Risikokapital zum Verbrennen hat.

5. Der Hofladen: Frischepost

Die Gründerinnen Juliane Willing und Eva Neugebauer haben am Hamburger Großmarkt ihr Konzept eines regionalen Online-Hofladens entwickelt. Im Sortiment sind vor allem Lebensmittel regionaler Anbieter, geliefert wird mit Elektroautos. Frischepost expandiert in neue Regionen wie Rhein-Main, Berlin und München mit Franchisepartnern. Ende 2020 kam der Impact-Investor Bonventure als Geldgeber dazu, eine weitere Finanzierungsrunde ist für Mitte 2021 angekündigt.

Allerdings steht Konkurrenz in den Startlöchern: Der ähnlich positionierte niederländische Anbieter Crisp hat gerade 30 Millionen Euro Risikokapital eingesammelt und will so nach langem Wachstum aus eigener Kraft wohl auch im Nachbarland Deutschland expandieren.

Im Sortiment sind vor allem Lebensmittel regionaler Anbieter. Quelle: Frischepost
Frischepost-Gründerinnen Juliane Willing (l.) und Eva Neugebauer

Im Sortiment sind vor allem Lebensmittel regionaler Anbieter.

(Foto: Frischepost)

Aussichten: Das Konzept richtet sich vor allem an einkommensstärkere Haushalte. Es ist abhängig von guten Produkten und gutem Storytelling – und steht in Konkurrenz zum Einkaufserlebnis auf dem Wochenmarkt. In der am Ende gar nicht so kleinen Nische könnte es Platz für mehr als einen Anbieter geben.

6. Die Kleinen: Food.de, Bringoo

Eine Reihe kleinerer Anbieter versucht sich ebenfalls im Markt für Lebensmittellieferungen. Food.de aus Leipzig etwa ist schon seit 2011 mit seinem Online-Supermarkt aktiv und meldete einen Wachstumsschub durch die Corona-Einschränkungen.

In Hamburg arbeitet der Lieferdienst Bringoo mit Metro zusammen und liefert Waren innerhalb von 45 Minuten nach Bestellung aus – bedrängt von Gorillas und Flink, die ebenfalls in der Stadt aktiv sind.

Aussichten: Die großen Anbieter stehen für harten Konkurrenzkampf. Kleinere Anbieter könnten dabei verdrängt werden – oder aufgekauft.

7. Die Hersteller: Nestlé Marktplatz

Die Hersteller von Supermarktprodukten hoffen darauf, über den E-Commerce mehr über ihre Kunden zu erfahren. Zeitweise waren sogar eigene Onlineshops in Mode. Nestlé etwa startete in Deutschland seinen Marktplatz, auf dem Kunden etwa Maggi-Artikel per Paket nach Hause bestellen konnten.

Inzwischen ist der Direktverkauf wieder abgeschaltet. Offenbar wollten nur wenige Kunden auf wenige Marken begrenzt einkaufen. Auch Marken wie L‘Oréal Paris leiten lieber auf die Onlineshops der Drogeriemärkte Müller, dm und Rossmann um.

Geblieben sind spezielle Angebote wie Rasierer-Abos. „Ich sehe im Bereich Longtail-Produkte eine hohe Dynamik, also Produkte, die eher im Nischenbereich zu finden sind, keine Massenware“, meint auch der Investor Carsten Maschmeyer.

Die Datenlücke, die so im Massenmarkt verbleibt, wollen die neuen Anbieter wie Gorillas und Flink füllen. Sie wollen den Herstellern anbieten, mehr über die Zusammensetzung von Kunden-Warenkörben zu erfahren – und hoffen im Gegenzug für die Daten auf günstigere Einkaufsbedingungen.

Aussichten: Die Hersteller werden auf Dauer nicht zu Händlern – zumindest nicht in der Breite. Eigene Shops lohnen sich nur für Produkte, die hohes Interesse wecken, etwa hochwertige Kosmetik. Daten über die Kunden bekommen die Hersteller inzwischen auch anderswo.

8. Die Beobachter: Lidl und Aldi

Ambitionierte Pläne für Abholstationen und Lieferungen von Lebensmitteln pflegte vor allem Lidl – bis die obersten Konzernchefs vor drei Jahren das Projekt abbliesen. Doch die Discounter Lidl und Aldi beobachten weiter den Markt. Beide haben Onlineshops für ihre Aktionsware, die Lidl-Schwester Kaufland hat gerade auch den Marktplatz Real.de übernommen.

Sollten die neuen Anbieter große Marktanteile erobern, könnten beide schnell eingreifen. Dank ihrer überschaubaren Sortimente und der Ladendichte könnten sie Angreifer rasch mit eigenen regionalen oder bundesweiten Angeboten abwehren – etwa per Lieferung aus der Filiale. Die Finanzkraft dafür haben sie allemal, hinzu kommt die internationale Erfahrung.

Aussichten: Die Discounter sind gut positioniert, um eigene Angebote aufzubauen. Die Frage wird sein, ob die großen Organisationen dafür angriffslustig genug sind.

9. Die Überraschung: Amazon Fresh

Als Amazon Fresh 2017 zunächst in Berlin, dann auch in Hamburg startete, rechneten viele in der Branche damit, dass die Amerikaner damit eine ähnliche Revolution wie etwa bei Elektronik auslösen würden. Doch der Service blieb erstaunlich zurückhaltend. Zugänglich ist er noch immer nur auf Einladung für Prime-Abonnenten, dennoch fällt eine vergleichsweise hohe Liefergebühr von 3,99 Euro an.

Amazon sorgte so für eine Überraschung: Der Milliardenkonzern blieb mit seinem Angebot in einer ähnlichen Nische wie der Lieferdienst von Rewe. Der große Generalangriff von Amazon auf die deutschen Supermärkte blieb bislang aus. Amazon fokussiert sich stärker auf die USA, wo der Konzern in dem Bereich deutlich aktiver ist.

Der große Generalangriff auf die deutschen Supermärkte blieb bislang aus. Quelle: dpa
Amazon Fresh

Der große Generalangriff auf die deutschen Supermärkte blieb bislang aus.

(Foto: dpa)

Aussichten: Amazon lernt in den USA viel dazu. Das könnte der Konzern nutzen, um in Deutschland noch einmal anzugreifen. Allerdings ist er darauf nicht angewiesen.

Mehr: Der nächste Investorenhype: superschnelle Supermärkte im Netz

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