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Steuergeld-Finanzierung Wirtschaftsprüfer warnen vor „bestandsgefährdendem Risiko“ bei Porzellan-Manufaktur Meissen

Die finanzielle Lage des Traditionsunternehmens scheint dramatischer als bisher bekannt. Ein Grund dürfte in der mangelhaften Subventionspolitik liegen.
07.04.2020 - 09:12 Uhr Kommentieren
Porzellan-Manufaktur Meissen: Wirtschaftsprüfer warnen vor Schieflage Quelle: dpa
Porzellan-Manufaktur Meissen

Das sächsische Unternehmen schreibt seit Jahren rote Zahlen.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Im Februar erschütterten schlechte Nachrichten das pittoreske Städtchen Meißen. Die dort ansässige Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH, Stolz der sächsischen Handwerkskultur, musste Entlassungen und Geschäftsschließungen verkünden. Dem Sparkurs fiel mit gut 200 Angestellten etwa ein Drittel der Stellen zum Opfer. Von 13 Filialen sollen nur drei übrigbleiben. Das Traditionshaus in Köln machte Ende März zu.

Vor wenigen Tagen verkündete die Manufaktur, dass auch der Vertrag mit Georg Nussdorfer, einem der beiden Geschäftsführer, „einvernehmlich“ aufgelöst werde. Er war im September 2016 ins Unternehmen gekommen. „Aufgrund der Verkleinerung des Unternehmens (…) wird die Manufaktur zukünftig nur noch von einem Geschäftsführer geleitet“, heißt es in einer Mitteilung.

Was dabei unerwähnt blieb: Die Manufaktur schreibt nicht nur seit Jahren tiefrote Zahlen. Ihre finanzielle Lage scheint sogar noch dramatischer als in der Öffentlichkeit bekannt. Nach Recherchen des Handelsblatts haben die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young, die den Jahresabschluss des Unternehmens prüfen, in ihr jüngstes Testat erstmals eine klare Warnung aufgenommen: Die Manufaktur habe ihr Überleben nicht mehr selbst in Hand.

Unter der Überschrift „Wesentliche Unsicherheit im Zusammenhang mit der Unternehmensfortführung“ weist Ernst & Young nicht nur explizit auf die üppigen Steuermittel hin, die das Land Sachsen als hundertprozentiger Eigentümer in die Manufaktur steckt – und von denen die Manufaktur weiter abhängig sei.

Die Zulässigkeit dieser finanziellen Hilfen sei auch ungewiss, so die Wirtschaftsprüfer. Sie schreiben von einem „bestandsgefährdenden Risiko“. Voraussetzung für das Überleben der Manufaktur sei, „dass die EU den bisherigen und zukünftig geplanten Finanzierungsmaßnahmen durch den Gesellschafter nicht widerspricht“.

Gerade dies aber steht womöglich infrage. Denn während die Manufaktur auf ein privates Gutachten verweist, das die Finanzhilfe abgesegnet habe, geht aus ihrem jüngsten Lagebericht hervor, dass die EU-Kommission die Sache anders sehen könnte. Bereits seit Anfang 2018 prüft die Kommission den Fall – und ist noch immer zu keinem Ergebnis gelangt. „Es handelt sich um ein laufendes internes Verfahren“, heißt es dazu im sächsischen Finanzministerium. Mehr Auskünfte gibt es nicht.

Umsatzerwartungen verfehlt

Dabei ist die Situation der Manufaktur und ihrer Verantwortlichen prekär genug. Noch im November hatte Nussdorfers Co-Chef Tillmann Blaschke erklärt, weiter auf schwarze Zahlen für das Jahr 2021 zu setzen. „Daran halten wir fest“, sagte Blaschke. Wie das gelingen soll, ist jedoch alles andere als klar.

So stellten sich weder 2018 noch 2019 die Umsatzerwartungen ein. Die Manufaktur konnte ihre Geldnot nicht reduzieren. Im Jahresabschluss 2018 heißt es, für das Jahr 2019 werde „ein ungefähr doppelt so hoher Jahresfehlbetrag wie 2018 erwartet“. Der hatte sich bereits 2018 gegenüber 2017 nahezu verdreifacht. Der Bilanzverlust erhöhte sich 2018 zudem noch einmal von rund 51,5 auf 60,5 Millionen Euro.

„Aus den Abschlüssen der Gesellschaft der letzten zehn Jahre erkennt man schwerlich ein marktwirtschaftliches Geschäftsmodell. Vielleicht hatte sie nie eines“, meint der Münchener Wirtschaftsprüfer Michael Gschrei, Vorstand des Berufsverbandes wp.net. Er hat die Jahresberichte durchgesehen. „Noch nie in den letzten rund zehn Jahren wurden die im Lagebericht veröffentlichten Planungen eingehalten. Sie haben für einen Außenstehenden die Qualität von Wünschen und Erwartungen.“

Die Manufaktur teilt dagegen auf Anfrage mit, man habe gute Vorausetzungen für eine positive Prognose 2021 geschaffen – bei „normaler Marktentwicklung“. Das Unternehmen habe sich in den letzten Jahren von der Strategie verabschiedet, eine Luxusmarke zu werden. Damit einhergehend habe man in den letzten Jahren das Kulturgut Meissener Porzellan wieder in den Mittelpunkt gerückt.

Die Porzellanmalerei sei von der Unesco als nationales immaterielles Kulturerbe anerkannt worden. In Vorbereitung befinde sich die Beantragung als Unesco-Welterbe. Man stelle nun auf die „gesündesten Umsätze an den solidesten Standorten“ ab.

Allerdings räumt die Manufaktur ein, dass mit der Fokussierung aufs Kerngeschäft zwingend notwendig Investitionen und Modernisierungsmaßnahmen einhergehen mussten. Kurz: weiter Kosten produziert wurden. Im Lagebericht 2018 klingt das unter anderem so: Eine Innenfinanzierung sei „gegenwärtig nicht gegeben“ – ebenso wenig wie eine vorzeitige Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens.

Ohne Ende Steuergeld

Gerade dieses Gesellschafterdarlehn ist aber einer der Knackpunkte der Meissener Misere. Denn dahinter steckt nichts anders als eine dauerhafte Subventionierung durch Steuermittel. Europas älteste Manufaktur, bekannt für ihr als „weißes Gold“ bezeichnetes Porzellan und das Logo mit den zwei gekreuzten Schwertern, ist schon lange ein Sorgenkind des Freistaats.

Den seit Mitte 2014 beziehungsweise 2016 amtierenden Co-Geschäftsführern Blaschke und Nussdorfer ist dabei nicht allein ein Vorwurf zu machen. Schon ihre Vorgänger hatten es nicht geschafft, die Manufaktur auf Wachstumskurs zu bringen. Über Jahre dominierte der frühere Ministerpräsident Kurt Biedenkopf als Aufsichtsratschef die Manufaktur. Der CDU-Politiker verhinderte, dass der Porzellanhersteller privatisiert wurde.

Anschließend versuchte der von ihm installierte Geschäftsführer Christian Kurtzke, die Manufaktur zu einem Luxuslabel umzubauen. Auch das ging schief. 2015 verließen Biedenkopf und Kurtzke das Unternehmen.

Zu Sparsamkeit führte das nicht. 2017 erhielt die Manufaktur sogar eine Einmalzahlung des Landes von 28 Millionen Euro in das Eigenkapital. Zugleich wurde der Plan, ein Darlehen des Landes von 22 Millionen Euro bis 2021 zurückzuzahlen, aufgegeben. Nun soll die Tilgung erst in zwei Jahren beginnen – und bis 2037 laufen, wie die Manufaktur auf Anfrage erklärt.

Ob dieser lockere Umgang mit Steuergeldern einfach so fortlaufen darf, muss nun die Europäische Union bewerten. Das Unternehmen verweist in dieser Frage auf den sogenannten Private-Investor-Test der Firma Deloitte. Dieser habe festgestellt, „dass es sich bei diesen Maßnahmen nicht um eine Beihilfe des Gesellschafters handelt“.

Im Jahresbericht folgt allerdings eine Einschränkung. Die EU-Kommission habe sich diesbezüglich „mit einigen Fragen an die deutschen Behörden gewandt. Derzeit befinden sich die Bundesregierung und die Landesregierung von Sachsen zu diesem Sachverhalt im Dialog mit der EU.“

Woran es hakt? Das Handelsblatt hätte gern den Private-Investor-Test eingesehen. Doch Manufaktur und Landesregierung wollen ihn nicht vorzeigen. Geschäftsgeheimnis. Ebenso wenig wollen sie sich zu der Prüfung der EU-Kommission äußern.

Politik fehlt Konzept

In Sachsen gibt es Grund zur Nervosität. Der Amtschef des sächsischen Finanzministeriums sitzt selbst im Aufsichtsrat des Porzellanunternehmens. Und Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ließ noch im Februar durchblicken, auch weiterhin Landesmittel in die Manufaktur stecken zu wollen. „Wir ‎müssen bereit sein, für dieses Kulturgut ein Stück weit Förderung zu geben“, sagte Kretschmer.

Konkretisieren will die Landesregierung diese Aussage auf Anfrage nicht. Sachsen „bekenne sich klar zur Porzellan-Manufaktur Meissen und ihrem einzigartigen kulturellen Erbe. Die Umsetzung der jetzt verabschiedeten Strategie gilt es abzuwarten“, heißt es im Finanzministerium.

Die Politik hat sich offenbar mit der dauerhaften Unterstützung des defizitären Unternehmens abgefunden. Bei der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses des Sächsischen Landtags am 22. Januar 2020 seien die neuen Hilfsmaßnahmen für das Unternehmen vorgestellt worden, bestätigt ein Ministeriumssprecher. Rückfragen habe es keine gegeben.

Mehr: Ostdeutsche Kultmarke Kahla Porzellan ist insolvent

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